Shared Leadership: Führung mit geteilter Stelle

Im Podcast berichten Anja Alpert und Katja Wagner aus ihrem Arbeitsalltag bei Unilever und informieren darüber, wo die Chancen und Herausforderungen bei geteilten Führungspositionen liegen.


25.04.2023 - Sebastian Keil -20 MinutenRichtig führen

Das Aufteilen von Stellen auf mehrere Personen kann Unternehmen eine Reihe von Vorteilen bieten. Welche das sind und worauf es zu achten gilt, damit Jobsharing funktioniert, erzählen Anja Alpert und Katja Wagner, die bei Unilever gemeinsam Head of Brand Communications sind. 

Eine Komposition der Portäts von Anja Alpert und Katja Wagner
Foto: Anja Alpert und Katja Wagner, © privat

Sharing findet heute in allen Bereichen des Lebens statt - auch im Beruf. Eine Vollzeitstelle muss nicht zwingend mit nur einer Person besetzt werden: Eine oft unnötige Einschränkung bei der Suche nach einer geeigneten Besetzung für die Funktion. Stattdessen können die Tätigkeiten und Anforderungen der Stelle auch auf zwei oder sogar noch mehr Menschen verteilt werden.

Der Sinn ist dabei, dass nicht einfach nur die verschiedenen Tätigkeiten einer Stelle aufgeteilt und getrennt voneinander von verschiedenen Teilzeitkräften erledigt werden. Vielmehr geht es darum, gemeinsam Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Für Kolleginnen und Kollegen bietet das Modell den Vorteil, dass - trotz Teilzeit - kein Leerlauf bei wichtigen Themen entsteht.   

 

Der Podcast im Wortlaut

Sebastian Keil: In der heutigen Folge sprechen wir mit zwei Frauen, die in ihrem Unternehmen gemeinsam eine Stelle innehaben. Anja Alpert und Katja Wagner sind als Jobshare “Kanja” bei Unilever als Head of Brand Communications und Agile Coach tätig. Sie sind für die Markenkommunikation und die agile Transformation im Bereich Nutrition in Deutschland, Österreich und der Schweiz verantwortlich. Zuvor leiteten sie gemeinsam das Business Development der Marke Knorp, das unter anderem die Dachmarkenführung, die Digitalstrategie sowie die Nachhaltigkeitskommunikation umfasste. Wir haben uns im Vorfeld auf das du geeinigt. Herzlich willkommen Kanja! 

Katja Wagner:  Hallo, guten Morgen!

Sebastian Keil: Guten Morgen! Das ist ein bisschen schwierig, wenn man euch mit eurem Jobshare Namen anspricht. Dann ist nicht klar, wer antwortet. Also, guten Morgen, Anja und Katja. Wo treffen wir euch denn gerade?

Anja Alpert: Wir arbeiten, glaube ich, gerade beide im Homeoffice.

Sebastian Keil: Okay, und wer arbeitet heute eigentlich offiziell?

Anja Alpert: Das bin ich. Anja.

Was ist Jobshare?

Sebastian Keil: Okay. Was bedeutet das denn, Jobshare? Vielleicht kann eine von euch mal ganz kurz erklären, was Jobshare für ein Modell ist.

Anja Alpert: Genau ganz allgemein: Jobshare bedeutet, dass wir uns einen Job teilen, dass wir also die gemeinsame Verantwortung für die Aufgaben in unserer Position haben, gemeinsam unsere Mitarbeiter führen und auch gemeinsam für die Ergebnisse stehen. Und faktisch ist das so, dass wir gegenseitig die Verantwortung übernehmen für die Entscheidungen, die jeweils von der anderen getroffen werden.

Sebastian Keil: Sind das dann 20-Stunden-Stellen oder sind das 25-Stunden-Stellen? Wie stelle ich mir das vor?

Katja Wagner: Ja, das geht auf jeden Job, unserer Meinung nach. In unserem Fall bedecken wir eine Vollzeitstelle, die wir sogar zu 120 Prozent ausfüllen, also jeder von uns arbeitet drei volle Tage. Somit überschneiden wir uns einen Tag. Diesen einen Tag nutzen wir dann aber nicht, um den ganzen Tag als Zwilling irgendwo aufzutauchen, sondern wir legen auf diesen gemeinsamen Tag drei wichtige Punkte oder drei wichtige Themen: Das ist zum einen eine Stunde gemeinsame Kanja-Zeit, die wir nutzen für Sparring, für Übergaben, und daneben ein anderer wichtiger Termin für uns ist unser wöchentliches Teammeeting mit unseren Mitarbeitenden. Das ist auch ein Termin, den wir gerne beide wahrnehmen möchten. Und der dritte sehr wichtige Punkt an diesem gemeinsamen Tag ist morgens eine halbe Stunde gemeinsam Kaffee trinken, um auch mal die privaten Themen zu bequatschen.

Sebastian Keil: Mmh, okay, das fand ich sehr spannend. Man sieht das ja auch in euren Linkedin-Profilen, das dort eure Position steht und dann aber auch "in Jobshare" und der Name der anderen Kollegin. Das wird also quasi in alle Arbeitsbereiche reingetragen. Erklärt auch noch mal bitte, was es mit Kanja auf sich hat.

Anja Alpert: Genau. Als wir angefangen haben, haben wir überlegt, wie machen wir denn das überhaupt? Wir wollten ganz gerne als eine Person auftreten im Unternehmen, aber auch mit externen Kontakten wie Agenturen. Es war auch so ein bisschen die Vorgabe von unseren Chefs. Es ist quasi egal, mit wem ich spreche. Ich muss das Gefühl haben, es muss eine Person sein, und um das so ein bisschen auch zu vermarkten, haben wir uns überlegt, wir brauchen einen griffigen Namen, und aus unseren Anfangsbuchstaben Katja und Anja haben wir dann Kanja gemacht, was wir auch sehr positiv finden, weil es so dieses “Yes, we can do it” mit diesem Ja beinhaltet. Und so ist es raus gekommen, und am Anfang hatten wir auch eine gemeinsame Emailadresse auf diesen Namen.

Katja Wagner: Kurz ergänzend dazu: Also Kolleginnen und Kollegen sprechen uns auch mit Kanja an. Also wir hören beide jeweils auf drei Namen. Also ich höre natürlich auf Katja, auf Anja und auf Kanja! Also, es ist für Mitarbeitende auch oder für Kollegen und Kolleginnen auch einfacher zu sagen, "ach, das habe ich schon mit Kanja besprochen". Oder in Meetingprotokollen steht als Action Kanja. Also es reduziert auch ein bisschen die Komplexität im Unternehmen dadurch.

Sebastian Keil: Okay, es gibt ja noch noch ein anderes Beispiel, Shan, worüber man vielleicht auch gelesen hat. Also ein anderes Jobshare-Pärchen bei euch aus dem Unternehmen.

Katja Wagner: Ja, wir haben inzwischen auch 10 bis 15 Jobshare-Paare bei uns in Hamburg.

Sebastian Keil: Gibt es das auch für Männer?

Anja Alpert: Ja, das gibt es natürlich auch für Männer. Also, wir haben einen Jobshare bei Unilever mit einem Mann und einer Frau. Immerhin! Wir arbeiten stark daran, sowohl nach intern als auch nach extern auch Jobshare mit Männern zu machen, weil wir finden, dass Jobshare ein Modell ist, was so ein bisschen aus dieser Mutti-Ecke raus soll. Also, man macht es, weil man kleine Kinder hat. Wir finden tatsächlich, dass das Modell für alle und für jeden geeignet ist, und zwar nicht nur, weil man sagt, ich brauche Zeit für meine Familie, für meine Kinder, sondern man kann zum Beispiel in dieser Zeit ja auch einen anderen Job machen. Wir haben Mitarbeitende, die sind nebenbei noch selbstständig, die machen eine Weiterbildung, die kümmern sich vielleicht auch um kranke Familienangehörige. Also, es gibt zig Möglichkeiten, und deshalb ist es natürlich auch für Männer geeignet. Aber da müssen wir noch ein bisschen Werbung für machen.

Sebastian Keil: Finde ich total super! Dahin vielleicht nachfragend. Das kann ja auch logistisch nicht funktionieren, denn es muss ja, wenn man jetzt sagt: Okay, Mütter, die würden ja vornehmlich wahrscheinlich vormittags arbeiten. Aber irgendjemand muss ja auch nachmittags arbeiten. Und ich komme zu eurer Aufteilung, ihr habt es tageweise geteilt.

Katja Wagner: Genau. Wir arbeiten beide jeweils drei volle Tage und finde es auch wichtig, dass immer eine von uns ansprechbar ist, also dass wir nicht jetzt beide ausschließlich vormittags arbeiten.

Wichtige Voraussetzungen für Jobshare

Sebastian Keil: Mhm, ja, okay. Jetzt haben wir das Modell kennengelernt. Ihr arbeitet beide in einem ziemlich großen Unternehmen. Jetzt interessiert mich, kann man das in jedem Unternehmen machen und was braucht es eigentlich damit es funktioniert? Da habe ich zwei Fragen. Also die erste Frage ist: Was braucht es, damit es für euch persönlich funktioniert?

Anja Alpert: Also für uns persönlich braucht es, dass wir beide eine ähnliche Zielsetzung haben für die Einstellung gegenüber unserem Beruf. Also wo wollen wir hin, wie engagiert sind wir? Und das zweite ist, dass wir sehr offen und ehrlich kommunizieren, dass wir uns Feedback geben und dass wir der anderen damit eben auch zu 100 Prozent vertrauen. Also eine Entscheidung, die Katja an ihren Tagen trifft, die zweifle ich niemals an, zumindest nicht nach außen. Nach intern haben wir natürlich schon ein Sparring, und das werden wir ganz oft gefragt. Aber tatsächlich kommt das sehr selten, wirklich sehr selten vor, dass ich eine total andere Meinung habe als Katja. Das sind dann manchmal Nuancen, wo man sagt, das hätte ich vielleicht ein bisschen anders gemacht, und das ist quasi sozusagen dieser zweite Punkt, das große Ganze, wo wollen wir hin, was wollen wir erreichen? Da haben wir die gleiche Meinung. Das sind die beiden großen Punkte, würde ich sagen.

Sebastian Keil: Die Antwort "wo wollen wir hin?", geht das auch in Richtung Karriere für euch? Also Jobshare ist kreiert worden, damit ihr ein ausgefülltes Berufsleben haben könnt, obwohl es in Teilzeit ist, aber die Position vielleicht Vollzeit braucht. Aber habt ihr auch die Möglichkeit, in diesem Modell Karriere zu machen, also die nächsthöhere Stufe zu nehmen? Ist das gewünscht? Gefordert?

Katja Wagner: Es kommt immer individuell drauf an. Also es ist auf jeden Fall möglich. In unserem Fall war es auch so.  Wir haben vorher beide jeweils individuell in Teilzeit gearbeitet, auch in kleineren Führungsrollen, aber um den nächsten Schritt zu machen, um eine größere Führungsrolle zu übernehmen, also da kann ich jetzt nur für mich sprechen, da sah ich auch Grenzen in einem Teilzeitjob. Aber im Jobshare geht das durchaus. Also das war von daher für uns eine gute Möglichkeit, um mehr Verantwortung zu übernehmen. Nämlich unserer Meinung nach kann jeder Job, insbesondere die Jobs mit einem größeren Verantwortungsbereich, die vielleicht nicht ganz so kleinteilig sind, gut als Jobshare ausgefüllt werden. Weil du vorhin auch fragtest, passt das zu jedem Unternehmen? Hattest du gefragt. Soll ich darauf schon mal eingehen?

Sebastian Keil: Kannst du. Ja.

Katja Wagner:  Vielleicht vorweg, passt das zu jedem Unternehmen? Das ist natürlich für uns schwer zu beurteilen. Wir haben unser gesamtes Berufsleben bei Unilever verbracht, aber dort in ganz unterschiedlichen Organisationseinheiten gearbeitet: lokal, global, kleinere, größere Organisationseinheiten. Und dort haben wir nirgendwo jetzt mal Grenzen für Jobshare erlebt. Ich glaube aber, es gibt eine Grenze bei bestimmten Jobs. Also wenn ein Job zu detailliert ist oder zu kleinteilig ist, sodass die Übergaben zu aufwendig sind und auch das Risiko besteht, dass bestimmte Informationen verloren gehen könnten. Ich glaube, dann würde sich eher anbieten, diesen Job in zwei Teilzeitjobs aufzuteilen. Oder durch eine Vollzeitkraft zu besetzen. Aber je strategischer der Job ausgerichtet ist, desto besser ist er, unserer Erfahrung nach, für Jobshare geeignet.

Anja Alpert: Genau und vielleicht in Ergänzung, wenn man sich anschaut, ist es für jedes Unternehmen geeignet, könnte man ja denken, es trifft nur für die großen multinationalen Konzerne zu. Das glaube ich aber nicht, weil Jobshare bietet ja keine extra Kosten. Man hat zwei Teilzeitkräfte, die sich einen Job teilen, und gerade im Mittelstand geht es ja auch darum, die Fachkräfte von morgen oder sogar von heute zu sichern. Das ist ja ein Riesenthema. Und mit so einem Modell schafft man es natürlich, sehr gut ausgebildete Frauen und auch Männer beim Unternehmen zu halten und sich damit eben auch attraktiver zu machen, wenn man solche Modelle anbietet.

Sebastian Keil: Finde ich gut. Die andere Frage war: Was braucht es, damit es für die Kolleg:innen funktioniert? Also die andere Seite. Wie müsst ihr euch organisieren und auch wie müsst ihr auftreten? Über das Auftreten habt ihr schon ein bisschen gesprochen, eine Person, die auch in Protokollen vielleicht als eine Person auftritt. Aber was braucht es tatsächlich, damit es für die Kolleginnen funktioniert?

Katja Wagner: Ja, wir haben uns so drei Regeln, sag ich mal, gesetzt. Das eine ist: Es darf nicht zu Komplexität im Unternehmen führen. Sprich also das, was Anja schon sagte, die eine entscheidet, die andere folgt. Wir haben einen gemeinsamen Namen, gemeinsame Emailadresse. Es ist immer eine ansprechbar, also niemand muss sich jetzt danach richten - ach je, Kanja, arbeitet ja nicht irgendwie dienstags nachmittags 16:30. Also das stimmt nicht. Es ist immer jemand da. Das heißt, es ist für das Drumherum erst mal einfacher, deutlich einfacher, als wenn wir in Teilzeit arbeiten würden. Der zweite Punkt neben verringerter Komplexität ist, wir achten sehr stark darauf, dass wir effizient arbeiten. Das heißt, dass wir zum Beispiel wenig Überschneidung haben, sondern die 120 Prozent, die das Unternehmen zahlt - das ergibt mindestens 120 Prozent Aufputsch - weil wir eben extrem effizient arbeiten. Und den dritten Punkt könnte man Disziplin nennen. Das heißt, wir achten sehr genau darauf, dass wir in den Übergaben, die wir haben, sehr diszipliniert sind, dass keine Informationen verloren gehen, dass es nie passiert, dass ein Mitarbeiter oder Vorgesetzter sagt: "Mensch, das habe ich aber doch schon mit Anja besprochen, wieso weißt du das denn nicht?" Das ist noch nie vorgekommen. Sondern wir sind immer extrem diszipliniert in den Übergaben, so dass wir nach außen wirklich wie eine Person zu behandeln sind, für die anderen aber mehr Wert bieten, als es eine Person bieten könnte. Weil wir natürlich auch gemeinsam viel mehr Facetten abbilden. Wir bringen gemeinsam sehr viel mehr Fach-Knowhow mit. Wir bringen gemeinsam viel mehr Perspektiven mit. Ich glaube, das ist der Trick dabei.

Sebastian Keil: Möchtest du da noch ergänzen?

Anja Alpert: Also im Sinne der Effizienz - das war wunderbar!

Sebastian Keil: Sehr schön! Also das eine Postfach, was ihr schon angesprochen habt, ich glaube, das erklärt schon ne ganze Menge. Ich habe mich dann gefragt, ob es dann so ist, dass ihr quasi ein und dasselbe Notizen-Tool für Gesprächsmitschriften oder sowas benutzt? Einfach damit genau diese Informationen dann für die andere auch da sind. Wie, wie läuft das ganz praktisch ab?

Anja Alpert: Genau, ganz, ganz praktisch, genau so. Wir teilen uns ein digitales Notizbuch, auf das wir Zugriff haben, und wir haben unsere Aufgaben ein wenig aufgeteilt, also je nachdem, ob es sehr strategische Themen sind und in der Priorität sehr hoch. Die machen wir gemeinsam. Andere Sachen haben wir zum Teil aufgeteilt und immer da, wo wir sagen, wir müssen wirklich im Detail drin stecken. Das wird auch sehr akribisch in diesem digitalen Notizbuch aufgeschrieben, im Sinne von: was wurde besprochen, wer muss was wann machen? Welche Milestones gibt es? So dass wir wirklich sehr tief auch in den Themen drin stecken. Andere Sachen, wo wir sagen, die sind jetzt in unserem Fokus etwas in einer niedrigen Rangfolge, da weiß jeweils die andere die Oberthemen. So ist der Status. Das läuft gerade so ein bisschen Ampelsystem-mäßig. Läuft das Projekt auf Grün oder gibt es Issues? Was gibt es zu beachten? Und wir schreiben uns immer Übergaben. Also, wir sind dazu übergegangen, uns abends immer eine Übergabe Mail zu schreiben, die im Prinzip auch den Tag widerspiegelt. Man hat sich ja seinen Tag geplant mit seinen Meetings, mit seinen Aufgaben, und die werden in dieser Mail widergespiegelt und dann gibt es ein kurzes Statusupdate zusätzlich.

Sebastian Keil: Okay, das heißt aber schon, dass, also wenn Katja, also ich weiß nicht, wer morgen dran ist, aber wenn morgen Katja dran wäre, dann würde sie erst mal vielleicht zehn Minuten eine Mail von dir lesen und deinen Tag von heute rekapitulieren und dann seid ihr beide “on the same page” würde man sagen.

Katja Wagner: Genau!

Jobshare und Freizeit

Sebastian Keil: Okay, zwei Fragen: Also heute hast du dir Zeit genommen für dieses Gespräch, aber ansonsten schaltest du den ganzen Tag auch ab, oder schaltet ihr den Tag ab, an dem ihr nicht arbeitet, oder wollt ihr das vielleicht auch gar nicht? Aber gelänge das?

Katja Wagner: Es gelänge auf jeden Fall, übrigens auch sehr viel besser als in Teilzeit. In Teilzeit hat die ganze Zeit an meinem freien Tag ja das Unternehmen nicht frei, sondern da laufen die ganzen Aktionen weiter. Jetzt weiß ich, dass auch mein Job in besten Händen ist, nämlich dass Anja den auch voll ausfüllt. Also ich könnte mich total zurücklehnen. Ich nutze die Zeit aber ehrlich gesagt auch manchmal, um im Hintergrund schon mal irgendwelche strategischen Themen vorzubereiten oder Sachen aufzuarbeiten, die liegen geblieben sind. Aber ich muss ja nicht, das ist so freiwillig gewählt, und von daher fühlt sich das sehr gut an.

Anja Alpert: Genau und vielleicht ergänzend dazu. Wir haben auch die Verabredung, wenn es um Themen geht, die wirklich super wichtig und super dringend sind, dann haben wir per WhatsApp Kontakt. Wir pingen die andere an - quasi, passt es gerade so? Und wenn es passt, dann sprechen wir kurz miteinander, und wenn nicht, dann muss es eben auch mal ein, zwei, drei Stunden warten.

Sebastian Keil: Was ist jetzt, wenn jemand in Urlaub gehen möchte?

Katja Wagner: Das ist ein Riesenvorteil für das Unternehmen, dass dann meistens die andere da ist, also das heißt, der Arbeitgeber hat sehr viel weniger Leerzeiten. Es kommt aber auch vor, dass wir mal eine Woche zeitgleich im Urlaub sind, weil jeder Vollzeitangestellte ist sechs Wochen im Jahr nicht präsent. Also, das kam bei uns auch vor. Aber wir achten schon drauf, dass wir dann den großen Sommerurlaub nicht ganz parallel nehmen. Aber in der Zeit, ich glaube, ich weiß, welche Frage du im Hinterkopf hast, ja, es fällt für diejenige, die keinen Urlaub hat, dann deutlich mehr Arbeit an.

Sebastian Keil: Das ist ja eigentlich nicht im Sinne des Erfinders.

Katja Wagner: Das stimmtAber dafür hat man den Vorteil, wenn man aus dem Urlaub zurückkommt, muss man nicht zwei Wochen E-Mails aufarbeiten. Sondern die Urlaubserholung bleibt auch länger. Weil die andere den Job in der Zeit gemacht hat.

Sebastian Keil: Okay, ja, das kann ich mir gut vorstellen, ja!

Anja Alpert: Genau, und ich glaube insgesamt, wenn man so sagt, wie sollte man sich selber aufstellen? Wir haben gesagt, wir sind auch sehr flexibel, wir haben zwar feste Tage, aber das ist zum Beispiel auch eine Frage, die wir häufig bekommen. Was passiert mit Geschäftsführungsmeetings? Wenn die immer am Montag sind, dann wäre es sozusagen immer mein Tag, dann würde ja immer ich da aufschlagen, und das ist dann eben nicht im Sinne des Jobshare-Erfinders, denn wir sind ja eine Person. Dann schieben wir solche Sachen auch mal, dass man sagt, wir achten da schon drauf, dass jeder auch die Visibilität im Unternehmen bekommt, oder aber auch, man hat private Termine. Man sagt, ich kann jetzt an diesem Montag nicht, können wir tauschen? Und das ist ein weiterer Vorteil für uns, aber auch fürs Unternehmen, weil eben, egal was ist, Zahnarztbesuch, Firmung der Kinder, wir können das so schieben, dass wirklich immer jemand da ist.

Sebastian Keil: Mhm, wir haben uns ein bisschen verquatscht, aber eine Frage würde ich gerne noch loswerden. Und zwar, wenn sich so ein Jobshare-Paar finden soll im Sinne des Unternehmens, dann erscheint es mir total sinnvoll, wenn sich diese Personen mögen und miteinander können. Ich finde, das hört man bei euch beiden auch ein bisschen raus. Also, ich hoffe, dass es so ist. Gibt es da Wahlmöglichkeiten? Gibt es eine Börse? Wie findet man sich?

Katja Wagner: Also, ich glaube, die meisten Jobshare-Paare haben sich wirklich auf Eigeninitiative gefunden, so auch wir. Eine von uns hatte gesehen, dass ein interessanter Job ausgeschrieben ist, hat die andere angesprochen und gesagt: Mensch, das passt doch für uns beide. Es gibt aber auch in der Personalabteilung eine Liste von Mitarbeitenden, die in Teilzeit arbeiten möchten und an Jobshare interessiert sind, sodass es schon mal Vorschläge gibt. Genau, das gibt's auch. Und ja, wir geben dir Recht, es macht natürlich auch sehr viel mehr Spaß, wenn man sich mag. Es ist ja so ein bisschen wie eine Jobehe und bei der Ehe sind ja auch die Emotionen sehr wichtig. Sicherlich funktioniert es, oder ich könnte mir vorstellen, es funktioniert auch, wenn man sich nicht mag. Obwohl, du musst schon, was Anja auch vorhin sagte, du musst schon sehr ähnliche Werte vertreten. Ähnliche Werte vertreten, ähnliche Vorstellungen auch über die Karriereschritte haben, ähnliches Führungsverständnis haben und sehr viel Vertrauen zueinander haben. Und ich glaube, das mit dem Vertrauen wäre schwierig, wenn man sich nicht mögen würde.

Sebastian Keil: Mmh. Okay, vielen Dank an euch beide für dieses Gespräch. Wir haben am Abschluss immer noch ein paar Rapid-Fire-Fragen, normalerweise drei, aber damit ihr die auch beide beantworten könnt, machen wir, glaube ich, mal zwei. Seid ihr bereit?

Katja Wagner: Ja.

Sebastian Keil: Die erste Frage ist, an meinem Job mag ich am meisten, dass… Anja fängt an.

Anja Alpert: Genau, ich mag an meinem Job, dass er so vielfältig ist und dass ich immer wieder etwas Neues lernen kann.

Katja Wagner: Und ich ergänze, dass ich so viele Gestaltungsspielräume habe.

Sebastian Keil: Okay, zuletzt beeindruckt hat mich… Katja, du fängst an..

Katja Wagner: Mich hat zuletzt beeindruckt, wie schnell ChatGPT mit ihrem Go-Live ja nicht nur die gesamte Wirtschaft in Bewegung gebracht hat, sondern auch diese gesellschaftliche Diskussion über künstliche Intelligenz angeregt hat.

Anja Alpert: Super Thema, Katja. Hat mich auch beeindruckt. Ich nehme etwas anderes. Mich hat zuletzt beeindruckt, wie es die Hackerschool geschafft hat, das Thema Coding und Informatik voranzubringen, und ich behaupte mal, es steht auch im Zusammenhang damit, dass es jetzt an Hamburger Schulen wieder ein Pflichtfach werden soll, und, Klammer auf, kleiner Funfact, die Leiterin der Hackerschool, die war auch mal bei Ben&Jerrys, wo Katja und ich mal gearbeitet haben.


Sebastian Keil: Toll, vielen dank, Kanja. Vielen dank, Anja und Katja, für dieses Gespräch. Hat mich sehr gefreut, und ich wünsche euch noch viel Erfolg im Jobshare!


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