Krisen beeinflussen Ausbildungsmarkt weiterhin

Die Agentur für Arbeit Bad Homburg zieht zum Ende des Ausbildungsjahres 2021/2022 Bilanz: Auch das vergangene Ausbildungsjahr konnte weder an das vorhergehende noch an das Vorkrisenjahr anknüpfen. Die berufliche Orientierung und Entscheidung junger Menschen war auch im zurückliegenden Jahr von der weiterhin schwierigen Lage geprägt. Dies führte insgesamt dazu, dass sich erneut weniger junge Menschen für eine Ausbildung interessierten und andere Wege beschritten, um mit der krisenbedingten Situation umzugehen. Die Flucht an weiterführende Schulen und Hochschulen führte auch in diesem Jahr zu einem Rückgang an Ausbildungsstellenbewerber*innen, obgleich die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen fast den Stand des Vorkrisenjahres erreicht hatten.

02.11.2022 | Presseinfo Nr. 57

„Dem Trend der letzten Jahre folgend waren auch in diesem Ausbildungsjahr insgesamt wieder weniger Bewerber - und im Vergleich zum Vorjahr mehr Ausbildungsstellenmeldungen eingegangen. Der Rückgang an Bewerber*innen sei allerdings nicht überraschend gewesen“, erklärt Matthias Oppel, Leiter der Arbeitsagentur Bad Homburg. „Es hat sich in den letzten beiden Jahren sehr deutlich gezeigt, dass die Krisen zu einem anderen Berufswahlverhalten führten. Der Drang einen höheren Schulabschluss zu erlangen, hat sich nach der positiven Wende noch im Jahr 2019 verkehrt. Eltern und gleichermaßen Schulabgänger*innen sind der Auffassung, dass ein weiterer Schulbesuch oder gar ein Hochschulabschluss zu einem besseren und damit auch krisenfesteren Start in das Berufsleben führen“, so Oppel.

„Das es sich hierbei in einigen Fällen um einen Trugschluss handelt, bemerken gerade die Studierenden erst, wenn Studienwahl und Leistung nicht den erwünschten Erfolg zeigen. Die Quote der Studienabbrecher hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, denn so manch ein Studierender wäre in einem Ausbildungsberuf besser aufgehoben gewesen. Auch ist es ein Trugschluss, dass Akademiker von Krisen weniger betroffen sind. In einer Situation, wie der unsrigen ist es wichtig, einen Beruf mit Zukunftsperspektive und einem fundierten Fundament zu ergreifen. Wer eine gut ausgebildete Fachkraft ist und sich auch in späteren Jahren stets weiterbildet, der ist auch in Krisenzeiten – auch und gerade mit einem Ausbildungsberuf gut gerüstet“, weiß Matthias Oppel.

„Die Verunsicherung, die seit Beginn der Pandemie besteht, ist auch in diesem Ausbildungsjahr noch spürbar: „Anders als in den letzten beiden letzten Jahren konnten Auswahlverfahren endlich wieder persönlich und nicht nur digital geführt werden. Dies ist ein großer Vorteil für beide Seiten gewesen“ erläutert Matthias Oppel. „Besonders während des ersten Lockdowns stand die Welt plötzlich still. Diese Situation haben wir nun nicht mehr. Dennoch hat sich am Bewerberverhalten nur wenig geändert. Hier besteht weiterhin Nachhol- bzw. Normalisierungsbedarf“, weiß Oppel.

„Ungeachtet des statistischen Abschlusses ist das Ausbildungsjahr jedoch alles andere als gelaufen: Der Abschluss eines Berichtsjahres bedeutet nicht, dass es nicht weitergeht. Unsere Berufsberatung und Ausbildungsstellenvermittlung arbeitet im Rahmen der Nachvermittlung für das alte und nahtlos auch für das neue Ausbildungsjahr wie immer engagiert daran, unentschlossenen Jugendlichen Orientierung zu geben und ausbildenden Unternehmen interessierte Jugendliche zu vermitteln. Dabei können wir Nachwuchskräfte auch bis zu ihrem Berufsabschluss und darüber hinaus unterstützen. Dies ist wichtig, denn so können auch Bewerber*innen, die augenscheinlich nicht als geeignet erscheinen noch eine Chance erhalten. Hiervon profitieren dann auch beide Seiten: Bewerber und Unternehmen.  Wir müssen in den nächsten Jahren insbesondere diejenigen unterstützen, die sich für eine Ausbildung entschieden haben. Der Fachkräftemangel hat sich durch die Pandemie noch verstärkt und ist kaum mehr aufzuhalten. Dennoch müssen wir unsere Ressourcen für eigene Fachkräfte nutzen.  Dies gilt nicht nur für Schüler*innen, nein, gleichermaßen auch für Arbeitgeber*innen. Viele Ausbildungsstellen, die in diesem Jahr hätten besetzt werden können, blieben mangels Bewerber*innen unbesetzt. Dies ist eine erschreckende Entwicklung, denn eine Ausbildung ist immer noch genauso attraktiv und zukunftsfähig, wie vor den Krisen. Gerade die letzten Jahre hätten uns allen bewusst machen müssen, dass eine gut ausgebildete Fachkraft auch in Krisenzeiten im Unternehmen gehalten wird. Es ist daher wichtig, diesen Schritt umzukehren und die Vorteile einer Ausbildung stärker zu verdeutlichen. Neben der angesprochenen Nachvermittlung muss intensiv dafür geworben werden, dass sich Schüler*innen auch nach dem Besuch der weiterführenden Schule für eine Ausbildung begeistern. Das duale System als Erfolgsmodell hat auch in herausfordernden Zeiten nicht ausgedient“, erklärt Matthias Oppel.

„Globale Veränderungen und Entwicklungen zeigen einmal mehr, dass eine fundierte Ausbildung ein gutes Fundament für eine Karriere darstellen. Bedenken wir, dass 65 Prozent aller Schulabsolventen in naher Zukunft in Berufen arbeiten, die es heute so noch nicht gibt, ist ein handwerklich sowie technischen Fundament eine komfortable Basis für alle Stationen des Berufslebens. Ein anschließendes Studium ist damit nicht ausgeschlossen“, resümiert der Leiter der Arbeitsagentur Matthias Oppel. „Zudem unterstützen viele Unternehmen den Wunsch ein anschließendes Studium zu absolvieren, steht der Absolvent doch dem Unternehmen nach erfolgreichem Abschluss wieder zur Verfügung. Dies ist für beide Parteien eine sinnvolle Unterstützung. Wir müssen „wieder“ dazu kommen, dass eine Ausbildung eine wertige Möglichkeit darstellt nachhaltig das Berufsleben zu gestalten. Auch im europäischen Vergleich zeigt sich seit jeher, dass die duale Ausbildung als Erfolgsmodell nicht ausgedient hat. Wir müssen Schüler*innen und Eltern für eine Ausbildung sensibilisieren. Wir bieten die Unterstützung, die Schüler*innen ebenso wie Arbeitgeber*innen benötigen. Sprechen Sie uns an!“, bittet Matthias Oppel.

Die Bilanz im Einzelnen

Entwicklung im Agenturbezirk Bad Homburg

Die Unternehmen im Agenturbezirk meldeten im Berichtsjahr 2022/2021 insgesamt 3.379 Berufsausbildungsstellen. Das waren 154 Stellen (+ 4,8 Prozent) mehr als im Berichtsjahr 2020/2021. Davon waren 298 Berufsausbildungsstellen unbesetzt, das sind 41 Stellen oder 12,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Auf 100 betriebliche Berufsausbildungsstellen kommen 112 Bewerberinnen und Bewerber.

Situation bei den Bewerberzahlen

Seit Beginn des Ausbildungsjahres suchten 3.723 Bewerberinnen und Bewerber eine Berufsausbildungsstelle über die Berufsberatung im Agenturbezirk. Das waren 260 Suchende (- 6,5 Prozent) um eine Ausbildungsstelle weniger als noch vor einem Jahr.

155 Jugendliche waren zum Stichtag des 30. September 2022 noch unversorgt. Das waren 28 Jugendliche weniger als im Vorjahr (-15,3 Prozent). Auf 100 unbesetzte Berufsausbildungsstellen kommen 52 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber.   

Entwicklung in den Kreisen

Hochtaunuskreis

Im Hochtaunuskreis meldeten die Unternehmen und Betriebe bei der Agentur für Arbeit im vergangenen Berichtsjahr 1.098 Ausbildungsstellen. Das waren 115 Stellen (+11,7 Prozent) mehr als im Berichtsjahr 2020/2021. 69 Berufsausbildungsstellen waren unbesetzt, das sind 18 Stellen weniger als im Vorjahr (- 20,7 Prozent). Auf 100 betriebliche Berufsausbildungsstellen kommen 91 Bewerberinnen und Bewerber.

Situation der Bewerberzahlen

Seit Beginn des Ausbildungsjahres suchten 996 Bewerberinnen und Bewerber eine Berufsausbildungsstelle über die Berufsberatung. Das waren 72 Bewerber*innen (+8,1 Prozent) mehr als noch vor einem Jahr.

35 Jugendliche waren zum Stichtag des 30. September 2022 noch unversorgt. Das waren 2 Bewerber*innen mehr. Dies entspricht einem Prozentsatz von 6,1 Prozent. Auf 100 unbesetzte Berufsausbildungsstellen kommen 51 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber.   

Main-Taunus-Kreis

Im Main-Taunus-Kreis meldeten die Unternehmen und Betriebe bei der Agentur für Arbeit im Berichtsjahr 811 Ausbildungsstellen. Das waren 48 Stellen (+6,3 Prozent) mehr als im Berichtsjahr 2020//2021. Davon waren 43 Berufsausbildungsstellen unbesetzt, das sind 22 Stellen weniger als im Vorjahr und entspricht einem Prozentsatz von 33,8 Prozent. Wie viele Bewerberinnen und Bewerber auf 100 betriebliche Berufsausbildungsstellen kommen, konnte statistisch nicht ermittelt werden.

Situation der Bewerberzahlen

Seit Beginn des Ausbildungsjahres suchten 959 Bewerberinnen und Bewerber eine Berufsausbildungsstelle über die Berufsberatung. Das waren 101 Suchende (- 9,5 Prozent) um eine Ausbildungsstelle weniger als noch vor einem Jahr.

35 Jugendliche waren zum Stichtag des 30. September 2022 noch unversorgt. Dies entspricht einem Minus von 21 Bewerberinnen und Bewerbern oder einen Prozentsatz von 37,5. Auf 100 unbesetzte Berufsausbildungsstellen kommen 81 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber.   

Kreis Groß-Gerau

Im Kreis Groß-Gerau meldeten die Unternehmen und Betriebe bei der Agentur für Arbeit im Berichtsjahr 1.470 betriebliche Ausbildungsstellen. Das sind 9 Stellen oder - 0,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Davon waren 186 Berufsausbildungsstellen unbesetzt, das ist eine Stelle weniger als im Vorjahr (- 0,5 Prozent). Auf 100 betriebliche Berufsausbildungsstellen kommen 91 Bewerberinnen und Bewerber.

Situation der Bewerberzahlen

Seit Beginn des Ausbildungsjahres suchten 1.798 Bewerber eine Berufsausbildungsstelle über die Berufsberatung. Das waren 231 Bewerber (-11,4 Prozent) weniger als noch vor einem Jahr.

85 Jugendliche waren zum Stichtag des 30. September 2022 noch unversorgt. Das sind 9 Bewerber*innen weniger, die noch ohne einen Ausbildungsvertrag oder eine Alternative dastehen. Dies entspricht einem Prozentsatz von - 9,6. Auf 100 unbesetzte Berufsausbildungsstellen kommen - 5 unversorgte Bewerberinnen und Bewerber.   

Hinweis zur Dateninterpretation

Die hier veröffentlichten statistischen Werte zeichnen nicht in Gänze das Geschehen auf dem Ausbildungsmarkt ab. Das Zahlenmaterial bezieht sich ausschließlich auf die gemeldeten Bewerberinnen und Bewerber der Agentur für Arbeit und die dort gemeldeten Berufsausbildungsstellen.