Bilanz zum Ausbildungsmarkt - Der Wandel zum Bewerbermarkt verfestigt sich

Für den nach Fachkräften hungernden Arbeitsmarkt ist das Thema Ausbildung seit Jahren von zentraler Bedeutung. Doch in den letzten Jahren wurde die Nachwuchsgewinnung für viele regionale Betriebe zur Herausforderung, zumal die Bewerberzahlen kontinuierlich sanken. Nun liegen die Zahlen für das Berufsberatungsjahr 2022/23 vor, das am 30. September endete. Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer und Agentur für Arbeit ziehen Bilanz.

23.11.2023 | Presseinfo Nr. 58

Kerstin Kuechler-Kakoschke, Chefin der Agentur für Arbeit Braunschweig-Goslar, zog ihre Bilanz: „Rechnerisch haben wir von Braunschweig bis Braunlage rund 500 Ausbildungsstellen mehr als Bewerber. Der demografische Wandel lässt die Zahl der Ausbildungsplatzsuchenden weiter sinken und sorgt für eine anhaltende Veränderung auf dem Ausbildungsmarkt. Es ist erfreulich, dass sich die regionalen Unternehmen, trotz wirtschaftlich unsicherer Zeiten, für den Fachkräftenachwuchs engagieren, weil dies eine der wichtigsten Investitionen in die Zukunft ist. Durch den Wandel zum Bewerbermarkt werden immer Nachwuchskräfte von den Unternehmen umworben. Nicht alle können den Klassenbesten für sich gewinnen. Wir haben sehr gute Unterstützungsangebote, um auch vermeintlich schwächeren Kandidaten die Tür zu öffnen. Werden Sie Chancengeber und sprechen Sie uns an.“

Die Berufsberaterinnen und -berater haben im vergangen Berufsberatungsjahr mit 2.976 jungen Menschen Orientierungs- und Beratungsgespräche geführt. Das sind 59 oder 1,9% weniger als im Vorjahreszeitraum. Bei den Berufsausbildungsstellen wurden 3.544 gezählt und sind damit 194 oder 8,2 Prozent weniger als noch vor einem Jahr.

Der Ausbildungsmarkt aus Sicht der Industrie- und Handelskammer

„Junge Menschen haben heute mehr denn je gute Chancen einen Ausbildungsplatz zu finden,“ sagt Dr. Kirsten van Elten, Abteilungsleiterin Beruf & Bildung bei der IHK Braunschweig. Dies liege unter anderem an der weiterhin hohen Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen sowie am gestiegenen Bedarf an qualifizierten Fachkräften. Herausfordernd sei dabei jedoch, dass vielen jungen Menschen die Vorzüge einer dualen Ausbildung nicht vollumfänglich bekannt seien. „Es ist nach wie vor essenziell Karriereperspektiven, Chancen und die Vorteile der Beruflichen Bildung in ihrer Gesamtheit sichtbar zu machen. Aber auch die Passung zwischen Schülern und Betrieben wird in der Zukunft ein wichtiges Thema sein. Wir alle arbeiten daran, dies und weiteres in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken“, beschreibt van Elten. In diesem Zusammenhang bieten Kampagnen wie beispielsweise Moin Future und die bundesweite IHK-Ausbildungskampagne „jetzt#könnenlernen“ eine Orientierung bei dem großen und sehr unterschiedlichen Ausbildungsangebot, aber auch verschiedenste Angebote im Bereich der Berufsorientierung.

Mit Blick auf den gesamten Bezirk der IHK Braunschweig zeigt sich die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen weiterhin ungebrochen. Jedoch haben auch in diesem Jahr nationale und internationale Krisen Einfluss auf die Wirtschaft und damit auch auf die Ausbildungssituation. „Viele Unternehmen stehen vor unterschiedlichsten Herausforderungen. Dass wir, wie auch im letzten Jahr, einen leichten Anstieg der eingetragenen Ausbildungsverträge verzeichnen können, macht mir Hoffnung“, sagt die IHK-Abteilungsleiterin. Insgesamt wurden bei der IHK Braunschweig bis zum 30. September 2.311 Ausbildungsverträge eingetragen – ein Prozent mehr als im Vorjahr. Die größten Anstiege verzeichnete die Kammer dabei im Metallbereich.

Wie ist die Lage im Handwerk?

Bei den Lehrverträgen in ihrem Bezirk verzeichnete die Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade Ende Oktober 4.660 neue Abschlüsse. In der Region Braunschweig gab es Ende Oktober 1.662 neue Lehrverträge und damit 106 oder rund sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Das ist gegenüber den Zahlen vom 30. September noch einmal eine Steigerung um 246 Verträge. „Trotz dieser erfreulichen Zahlen suchen aber viele Betriebe unverändert nach Auszubildenden und können die offenen Lehrstellen nicht besetzen“, sagt Claudia Meimbresse, Leiterin des Geschäftsbereichs Berufliche Bildung.

„Angesichts des enormen Fachkräftebedarfs im Handwerk kann es nicht sein, dass jedes Jahr Hunderte von Ausbildungsplätzen, die unsere Handwerksbetriebe anbieten, unbesetzt bleiben. Als Wirtschaft und Gesellschaft können wir uns das nicht leisten.“ Bedarf melden vor allem die Betriebe im Elektro- und Metallbereich sowie im Nahrungsmittelhandwerk. Aber auch in der Sanitär-, Heizungs- und Klimabranche werden noch Auszubildende gesucht. Laut Meimbresse besteht daher Handlungsbedarf: „Wir müssen die Karriere- und Berufschancen im Handwerk noch bekannter und sichtbarer machen, damit nicht nur junge Menschen, sondern vor allem auch ihre Eltern eine handwerkliche Ausbildung als gleichwertig mit einem Studium und als lohnende Perspektive ansehen.“ Die Berufsorientierung an allen allgemeinbildenden Schulen, vor allem auch an Gymnasien, müsse gestärkt und ausgebaut werden. „Unser Land steht vor großen Zukunftsaufgaben, die es nur mit dem Handwerk bewältigen kann: Klimaschutz, Energie- und Mobilitätswende, Digitalisierung und die Versorgung einer immer älter werdenden Bevölkerung: Für all das braucht es qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker, die diese Vorhaben umsetzen.“ Es läge daher im Interesse aller, wieder mehr junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk zu gewinnen. „Denn die unbesetzten Ausbildungsstellen von heute sind die fehlenden Fachkräfte von morgen“, so Meimbresse.