In seinem Grußwort hob Oberbürgermeister Martin Horn hervor, dass Fachkräfteengpässe längst auch in der öffentlichen Verwaltung angekommen sind. Besonders große Engpässe gebe es in der Verwaltung bei den Ingenieurinnen, den Erziehern, den IT-lerinnen. In den kommenden zehn Jahren würden fast ein Drittel aller Angestellten in den Ruhestand gehen. „Wir stehen vor einer Herausforderung, die in den kommenden Jahren noch viel größer wird“, sagte Horn. Um mehr Arbeitskräfte zu gewinnen, sei die Politik gefordert, etwa beim bezahlbaren Wohnraum, bei der Kinderbetreuung sowie bei der Stärkung der beruflichen Schulen und der dualen Ausbildung.
Professor Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wies darauf hin, dass der Arbeitskräfteknappheits-Index trotz aller Krisen den höchsten Stand erreicht habe. Und die zu erwartenden Megatrends Demographie, Transformation und Dekarbonisierung würden die Fachkräftesituation weiter verschärfen. Um alleine die demographische Lücke auszugleichen, wäre eine Netto-Zuwanderung von 400.000 Arbeitskräften pro Jahr notwendig. Da jährlich eine Million auswandern, könne jeder ausrechnen, wie viele Einwanderer erforderlich wären, nur um den Beschäftigungsstand zu halten. „Wenn wir bei dieser Abwanderungsquote bleiben, schaffen wir es nicht. Deshalb, Migrationspolitik wird auch bei der Integration gewonnen, das heißt, die Menschen so einzusetzen, dass sie ihr Potenzial auch abrufen können“, mahnte Weber. Mit Blick auf die Digitalisierung sagte Weber: „Den Fachkräftemangel kann man nicht weg-digitalisieren“. Hier befinde sich der Arbeitsmarkt nicht vor einem Einbruch, sondern vor einem Umbruch. „Das was wegfällt, ist anders, als das, was neu entsteht.“, sagte Weber mit Blick auf Kompetenzen, die in den neu entstehenden Arbeitsplätze benötigt werden. Ähnliches gelte für die Mobilität. Was im Bereich der Verbrenner-Industrie an Arbeitsplätzen wegfalle, werde im Mobilitätssystem, etwa bei Steuerung, Organisation und Infrastruktur, mehr als kompensiert. Zur Dekarbonisierung sagt Weber: „Früher galt die Sorge, dass wir mit Klimapolitik die Beschäftigungsbasis in Deutschland vernichten. Heute müssen wir uns fragen, was der Arbeitsmarkt für Klimapolitik tun kann“. Allein für die Umsetzung der Klima- und Baupolitik aus dem Koalitionsvertrag 2021 entstehe deutschlandweit ein zusätzlicher Bedarf von 400.000 Arbeitskräften. Wegen der Umbrüche am Arbeitsmarkt werde Weiterbildung eine entscheidende Rolle spielen. Hier bestehe noch viel Potenzial nach oben. Während ungelernte Beschäftigte nach einer repräsentativen Umfrage häufig eine Qualifizierung ablehnen, weil sie an das Lernen nicht mehr gewöhnt wären, würden Betriebe in Zeiten eines Auftragsmangels die Kurzarbeit nicht dazu nutzen, in die Weiterbildung ihrer Beschäftigten zu investieren. Als Gründe werden unsichere Zeiten und organisatorische Hürden genannt. „An diese Themen müssen wir ran, wenn wir hier mehr erreichen wollen“, sagte Weber, der sich für eine proaktive Weiterbildungspolitik stark macht und dafür plädiert, Ausbildung und Weiterbildung stärker miteinander zu verbinden und Qualifizierung insgesamt flexibler zu gestalten. Am Ende seines Vortrags machte Weber Mut, in der aktuellen Energiekrise nicht ausschließlich ein Bedrohungsszenario zu sehen, sondern auch die Chance, besser gerüstet die ohnehin anstehende Energiewende anzugehen. „Da sind Geschäftsmodelle und Innovationen drin, die wir auf dem Silbertablett serviert bekommen“, sagte Weber.
Im Anschluss hatten die Besucherinnen und Besucher die Wahl, aus insgesamt neun Workshops und Sessions drei auszuwählen, sich dort zu informieren und sich auszutauschen oder einer der vielen Informationsstände aufzusuchen.
Zum Abschluss der Konferenz erläuterte der erfahrene Personal- und Organisationsentwickler Thomas Augspurger in einem illustren Vortrag, wie Führungskräfte positiv auf ihre Mitarbeitenden einwirken können und wo die Grenzen der Motivation liegen.
Der Fachkräftemangel hat in der Region ein Ausmaß erreicht, dass einzelne Unternehmen ihre Produkte oder Dienste inzwischen einschränken müssen. Davon betroffen sind vor allem kleinere und mittlere Unternehmen. Gerade sie haben einen großen Informationsbedarf. „Mit Veranstaltungen wie der Regionalen Arbeitsmarktkonferenz wollen wir gegensteuern“, betonte Finke. Zumal der Druck in den Unternehmen weiter steigen wird. In den nächsten zehn Jahren scheidet in der Wirtschaftsregion Freiburg jeder fünfte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte altersbedingt aus dem Erwerbsleben aus. „Die entstehenden Lücken wieder aufzufüllen, wird eine Herkulesaufgabe“, sagte Finke, vor dem Hintergrund, dass Anforderungen und Qualifizierungsbedarfe stetig steigen.
Die 5. Arbeitsmarktkonferenz ist eine Veranstaltung der Fachkräfteallianz Südlicher Oberrhein. Initiatoren sind die Agentur für Arbeit Freiburg, der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, das Demographie Netzwerk e. V. (ddn), der Landkreis Emmendingen und die Stadt Freiburg. Zur Fachkräfteallianz selbst gehören Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Vertreter der Bildung, der Arbeitsverwaltung sowie der Stadt- und Landkreise mit den Wirtschaftsförder-gesellschaften. Fachkräfteengpässe werden gegenwärtig als größte Bedrohung für Wirtschaft und Wohlstand angesehen. Experten gehen davon aus, dass bereits heute das Wachstum durch fehlende Fachkräfte gebremst wird. Genau das zu verhindern, hat sich die Fachkräfteallianz bei ihrer Gründung im Januar 2013 zum Ziel gesetzt.