Ausbildungsmarktbilanz für Hildesheim

• Deutliche Auswirkungen der Pandemie auf den Ausbildungsmarkt • Anzahl gemeldeter Ausbildungsstellen auf stabilem Niveau • Stellenwert der Berufsorientierung im Fokus der Arbeitsmarktakteure

07.11.2022 | Presseinfo Nr. 33

Die Arbeitsagentur, das Jobcenter und die Kammern im Landkreis Hildesheim haben wieder große Anstrengungen unternommen,
möglichst vielen jungen Menschen einen Ausbildungsplatz anbieten zu
können. Und die gemeinsamen Bemühungen tragen Früchte, der befürchtete Einbruch
auf dem Ausbildungsmarkt ist ausgeblieben.

Agentur für Arbeit – Die Berufsberatung reagiert auf aktuelle Entwicklung
Von Oktober 2021 bis September 2022 haben sich insgesamt 1.498 junge Menschen
als Bewerber/innen um eine betriebliche Ausbildungsstelle bei der Berufsberatung
der Arbeitsagentur und des Jobcenters im Landkreis Hildesheim gemeldet,
48 Personen weniger als im Vorjahr. Der Rückgang beruht neben dem pandemiebedingen
Schwierigkeiten auch auf den wachsenden digitalen Informationsmöglichkeiten
für die Jugendlichen, die sich somit nicht mehr so zahlreich zur Beratung in der
Agentur anmelden.
Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen im Landkreis Hildesheim liegt mit 1.837
Ausbildungsstellen nur ganz leicht unter dem Niveau des Vorjahres (-9 Stellen).
Insgesamt 72 der gemeldeten Bewerber/innen um einen Ausbildungsplatz blieben
Ende September als unversorgt registriert (im Vorjahr 56 Personen). Demgegenüber
stehen noch 176 gemeldete Ausbildungsstellen, die bisher nicht besetzt werden
konnten (Vorjahr: 82).

„Mehr als zwei Jahre Corona haben auch auf dem Ausbildungsmarkt deutliche Spuren
hinterlassen“, sagt Evelyne Beger, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur
für Arbeit Hildesheim. In den Schulen müssen vielerorts pandemiebedingt Unterrichtsstoff
nachgeholt werden, wodurch das Thema Berufsorientierung leider in den
Hintergrund tritt. „In der Folge fehlen den Jugendlichen nicht nur Kenntnisse über mögliche Ausbildungsberufe und Alternativen, sondern auch die Bereitschaft, sich für etwas zu entscheiden, hat dadurch nachgelassen “, so Beger weiter. „Die jungen Menschen suchen inzwischen vermehrt anstatt einer Ausbildung den weiteren Schulbesuch, um Zeit für Ihre Entscheidungen zu gewinnen. Und zu guter Letzt ha-ben durch die eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten auch die sozialen Kompeten-zen der Jugendlichen gelitten, was eine erfolgreiche Ausbildungsplatzsuche zusätz-lich erschwert.“

Auf diese Lage hat die Berufsberatung der Arbeitsagentur reagiert. Zusammen mit den Machern der Digital Pioniere - einem kleinen, innovativen Bildungsträger aus Hildesheim – wurde beispielsweise Berufsorientierung neu gedacht und ein hybrides TV-Format „What’s Next?“ mit Interviews, Fakten-Checks, Diskussionsrunden und Einblicken in Berufsfelder entwickelt.
Im eigenen Studio der Digital Pioniere treffen pro Sendung Schülerinnen und Schü-ler auf Arbeitgebende oder deren Personalverantwortliche und beschäftigen sich mit vorher ausgewählten Berufsbildern. „Spannende Themen treffen auf dazugehörige Berufsbilder und Studiengänge. Berufsberater*innen zeigen direkte Wege und Über-zeugungstäter in der Rolle von Special Guests geben Impulse aus dem realen Le-ben,“ so Beger begeistert. Die aktuellen Sendetermine ab 21.11. sowie alle bisheri-gen Folgen sind zu finden unter www.whatsnext.digital-pioniere.com.

Dem Trend der sinkenden Anzahl von Ausbildungsplatzsuchenden begegnet die Berufsberatung mit einer nochmals verstärkten Präsenz in den Schulen - die Schü-lerinnen und Schüler werden dort abgeholt und beraten, wo sie sich aufhalten. „Die Berufsberatung ist gefühlt kein Behördengang, sondern es geht einzig und allein um die Wünsche, Eignung und Fähigkeiten der jungen Menschen. Wir haben uns in die-sem Zeitwandel durch digitale Medien, Projekte und Ausweitung in die Fläche (z.B. Jugendberufsagentur, Beratung in Schulen, Zusammenarbeit mit Sozialarbeitern, etc.) auf die Änderungen in der Gesellschaft eingestellt“, berichtet Michael Lang, Teamleiter der Berufsberatung der Agentur, die neue Entwicklung. Zusätzlich zu den Gesprächen vor Ort kann von den Jugendlichen die Videokommu-nikation genutzt werden, so dass beispielsweise auch Eltern am Abend an Gesprä-chen teilnehmen können. „Wir haben die Weichen gestellt, um der derzeitigen Ent-wicklung auf dem Ausbildungsmarkt begegnen zu können“, ergänzt Lang.

Zusätzlich hat die Agentur Ihre digitalen Angebote für Jugendliche ausgebaut – Check-U, Online-Terminvereinbarung, das neue BERUFENET, Tipps und Tricks un-ter #AusbildungKlarmachen oder das neue NEWcomer-Ausbildungsmagazin auf der Homepage der Agentur (www.arbeitsagentur.de/hildesheim) – die Vielfalt ist groß. „Wir haben die Weichen gestellt, um der derzeitigen Entwicklung auf dem Ausbil-dungsmarkt entgegentreten zu können“, sagt Michael Lang, Teamleiter der Berufs-beratung der Agentur.

IHK Hannover – Eine Stabilisierung gegenüber dem Vorjahr feststellbar
Mit einer Steigerung der eingetragenen Ausbildungsverhältnisse (Sept 21 zu Sept 22) um rund 5% stabilisiert sich der Ausbildungsmarkt im Bereich der IHK-Geschäftsstelle Hildesheim, hat aber das „vor Corona Niveau“ noch nicht wieder er-reicht“, sagt Hans-Joachim Rambow, Leiter der Geschäftsstelle Hildesheim der IHK Hannover. „Die Berufsorientierung für die Schüler und Schülerinnen wird für alle Be-teiligten auch in den nächsten Jahren eine Herausforderung bleiben. Um dem Fach-kräftemangel der Wirtschaft zu begegnen darf das Engagement jetzt nicht nachlas-sen. Wir müssen alle Potenziale ausschöpfen und dürfen keine jungen Menschen verlieren“, ergänzt Rambow.


HWK Hildesheim-Südniedersachsen – Steigende Energiekosten verstärken die wirtschaftliche Verunsicherung im Handwerk
Das Südniedersächsische Handwerk verzeichnet bei den neu eingetragenen Lehr-stellen ein Minus von rund 10 Prozent im Landkreis Hildesheim. „Von betrieblicher Seite tragen auch die hohen Energiekosten dazu bei, dass Handwerksunternehmen zurückhaltend bei der Besetzung neuer Stellen agieren“, sagt Tobias Dunkel, Abtei-lungsleiter der Beruflichen Bildung. Und weiter: „Wir hatten 2021 ein sehr hohes Ni-veau, was wir auch auf die landesseitige Unterstützung im Programm Entlastung Ausbildungsbetriebe zurückführen. Bei der Ausbildungsprämie haben Betriebe bis zu 10 Mitarbeiter beispielsweise eine einmalige Pauschale in Höhe von 4.000 Euro für die Besetzung mindestens eines Ausbildungsplatzes erhalten.“

In Niedersachsen sei das Landesprogramm „Entlastung Ausbildungsbetriebe“ zum 31.10. allerdings ausgelaufen und bislang gebe es keinen Nachfolger. „Wir fordern weiterhin an allen Schulformen eine verpflichtende Berufsorientierung, insbesondere auch an Gymnasien. Dazu gehört auch ein ganz klarer Praxisbezug in den Schulen, beispielsweise in Form von Werkunterricht. Während sich manche Akademiker von einer befristeten Anstellung zur nächsten hangeln, sind qualifizierte Handwerkerin-nen und Handwerkern gefragt wie kaum je zuvor. Allen jungen Menschen kann ich nur raten: lieber ein erfolgreicher Geselle als ein prekärer Bachelor, lieber ein zufrie-dener Meister als ein gescheiterter Master“ so Dunkel abschließend.

Weitere Unterstützungsangebote der Arbeitsagentur
Derzeit laufen wieder die gemeinsamen Nachvermittlungsaktionen von Arbeitsagen-tur und Kammern. Alle jungen Menschen, die noch auf der Ausbildungssuche sind, bekommen nun im Zuge der Nachvermittlung ein Angebot. Eine Ausbildung kann auch zum jetzigen Zeitpunkt nach Rücksprache mit den Kammern und dem Ausbil-dungsbetrieb begonnen werden.

Um Jugendlichen eine Verbesserung ihrer Chancen für das kommende Jahr zu er-möglichen, stehen der Berufsberatung diverse Maßnahmen zur Verfügung, die zu einer Entspannung auf dem Ausbildungsstellenmarkt beitragen: Im Verlauf des aktu-ell geraden begonnenen Berufsberatungsjahres stehen im Landkreis Hildesheim wieder Plätze für berufsvorbereitende Maßnahmen und für außerbetriebliche Be-rufsausbildungen zur Verfügung.
Erschwert wird im Allgemeinen und zusätzlich durch die Folgen der Pandemie der Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage, weil die Qualifikationen von Jugendli-chen, die in eine duale Berufsausbildung anstreben, aus der Sicht der Betriebe viel-fach nicht den betrieblichen Anforderungen entsprechen oder den jungen Menschen die ersten beruflichen Eindrücke durch Praktika fehlen. Häufig lässt sich zumindest das Problem mit der mangelnden Qualifizierung – wie die Erfahrungen in der Ver-gangenheit zeigen - jedoch mit dem Einsatz der AsA (Assistierte Ausbildung Flexi-bel) der Arbeitsagentur lösen. Die AsA ist die Erweiterung der früheren ausbildungs-begleitenden Hilfen (abH), die Teilnehmer können hier nun auch zusätzlich verstärkt sozialpädagogische Begleitung bekommen. Diese Hilfen stehen bei Bedarf im Land-kreis ausreichend zur Verfügung.

Arbeitgeber können sich bei allen Fragen rund um die Ausbildungsstellenvermittlung an ihren Ansprechpartner bzw. ihre Ansprechpartnerin des gemeinsamen Arbeitge-berservice der Arbeitsagentur und des Jobcenters wenden oder die kostenfreie Ruf-nummer 0800 4 5555 20 anrufen.

Appell von Agentur für Arbeit, IHK und HWK
An die Betriebe richten die drei Ausbildungsmarktpartner einen Appell: „Haben Sie den Mut, auch Jugendliche in Ausbildung zu nehmen, die nicht allen Anforderungen entsprechen. Bieten Sie Ihnen immer wieder Praktika an, um verborgene Fähigkei-ten bei den jungen Menschen zu entdecken, die sich nicht in den Schulzensuren wi-derspiegeln. Geben Sie Ihnen eine berufliche Perspektive und schaffen Sie sich so auch mit unserer Unterstützung Ihre Fachkräfte von morgen. Wir wissen um die teil-weise sehr schwieriger Lage am Ausbildungsmarkt und stehen Ihnen als starke Partner zur Seite. Der Azubi von heute ist Ihre Investition in die Zukunft.“

Und direkt an die Jugendlichen gerichtet: „Der Ausbildungsmarkt steht Euch offen, nutzt Eure Chance auf eine Ausbildung, die zu Euch passt. Lasst Euch von der Be-rufsberatung und den Kammern auch über mögliche alternative Berufe beraten, die ebenfalls zu Euren Fähigkeiten passen können. Fragt aktiv bei den ansässigen Fir-men und Unternehmen nach Praktika, tauscht Euch mit Freunden aus und holt Euch hilfreiche Tipps rund um das Thema Ausbildung auf den Webseiten der Agentur für Arbeit und der Kammern.

Ausblick 2023
Neben den bisherigen Angeboten der Berufsberatung hat die Agentur für Arbeit für das kommende Jahr bereits neue Entwicklungen auf den Weg gebracht, um auf Veränderungen am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt schnell reagieren zu können. Hierzu zählt insbesondere der Start der gemeinsamen Jugendberufsagentur von Agentur, Jobcenter, Landkreis und der Walter-Gropius-Schule in Hildesheim. „Auch die Weiterentwicklung unseres erfolgreichen Projektes „What’s Next?“ steht auf un-serem Jahresprogramm“, kommentiert Beger.
Übergreifend plant die Agentur, gemeinsam mit den Kammern über die Möglichkei-ten von außerbetrieblichen Praktika ins Gespräch kommen, um die zurückgegange-nen betrieblichen Praktika etwas zu kompensieren. Erste Gespräch dazu laufen be-reits.

Zahlen, Daten und Fakten im Detail
Hauptagentur Hildesheim
In Hildesheim waren im Beratungsjahr insgesamt 1.148 junge Bewerberinnen und Bewerber ausbildungsplatzsuchend gemeldet. Das sind -75 bzw. -6,1% weniger als im Vorjahr. Demgegenüber standen 1.488 gemeldete Ausbildungsstellen (+14 bzw. +0,9% mehr als im Vorjahr).
Die Zahl der am 30. September noch nicht in Ausbildung vermittelten jungen Men-schen hat sich mit 61 im Vergleich zum Vorjahr erhöht (+19). Zeitgleich konnten 116 Ausbildungsstellen bis zum Stichtag nicht besetzt werden (+58 gegenüber dem Vor-jahr).

Geschäftsstelle Alfeld
Im Geschäftsstellenbezirk Alfeld nutzten 350 Ausbildungsplatzsuchende den Ser-vice der Berufsberatung (+27 gegenüber dem Vorjahr). Insgesamt meldeten die Un-ternehmen im Raum Alfeld 349 Ausbildungsstellen und damit -23 Stellen weniger als im Vorjahr.