Das schöne Gefühl, gebraucht zu werden

Arbeitgeber sind immer auf der Suche nach dem passenden Mitarbeiter oder der passenden Mitarbeiterin. Einige von ihnen sind verunsichert, wenn sich ein Mensch mit Behinderung oder sonstigen Einschränkungen bewirbt. Dass diese Verunsicherung oft unbegründet ist, zeigt die Geschichte von Stefanie Dux und ihrem Arbeitgeber, dem Hotel Victoria in Hövelhof.

04.01.2022 | Presseinfo Nr. 93

Seit Juni 2021 arbeitet Stefanie Dux im Hotel Victoria direkt am Hövelhofer Bahnhof. Die 25-jährige hat eine Ausbildung zur Fachpraktikerin im Gastgewerbe abgeschlossen und ist nach langer Suche und zunächst kurzen anderen Beschäftigungen, so sagt sie selbst, beruflich endlich angekommen. Sie ist sehr glücklich bei ihrem neuen Arbeitgeber, auch weil sowohl Chef als auch Kollegen viel Verständnis aufbringen. Denn: Stefanie Dux hat eine Lernschwäche.

„Ich brauche gelegentlich für gewisse Dinge einfach meine Zeit. Und das hinterfragen meine Kollegen und auch mein Chef und meine Chefin nicht. Das hilft mir wirklich sehr“, erläutert sie. Ihr Chef und ihre Chefin, das sind Nico Streblau und seine Frau Victoria Förster-Streblau. Die beiden leiten den 1911 als Bahnhofskneipe gegründeten Familienbetrieb in vierter Generation. Gemeinsam haben sie sich entschieden, Stefanie Dux einzustellen. Nico Streblau erinnert sich an die Beweggründe: „Es geht nicht darum, alles beim ersten Mal richtig zu machen, sondern darum, es jedes Mal besser zu machen. Und mit dieser Gewissenhaftigkeit, eben auch die 400. Gabel noch richtig zu polieren, hat Stefanie Dux uns während ihrer Probearbeit hier überzeugt.“

Stefanie Dux zeigt jeden Tag im Betrieb, dass eine Behinderung nicht bedeutet, dass ein Arbeitnehmer nichts leisten kann. Denn sie macht ihre Arbeit sehr zuverlässig und ist dabei flexibel.

Nicht jeder ihrer vergangenen Arbeitgeber wusste dies zu schätzen: „Oft musste ich bei anderen Jobs immer wieder von Neuem erklären, warum es vielleicht mal nicht so schnell geht. Dabei wusste man um meine Einschränkungen. Wenn man sich jedes Mal dafür rechtfertigen muss, ist das schon sehr demotivierend.“

Im Hotel Victoria ist das anders: „Ich komme zur Arbeit und höre „Hallo Steffi, schön, dass du da bist! Heute stehen folgende Aufgaben an…“ Man fühlt sich gebraucht, und das ist ein sehr schönes Gefühl.“

Gutes, passendes Personal wie Stefanie Dux zu finden, das fällt Nico Streblau, wie auch vielen anderen Gastronomen, immer schwerer. Trotz eigener Ausbildungsbemühungen – immerhin zwei Azubis pro Jahr –  und der Bereitschaft, auch Bewerbern ohne fachliche Vorkenntnisse eine Chance zu geben, spürt er den Fachkräftemangel extrem: „In dieser Branche muss man zuverlässig, gewissenhaft, und ja, auch in der Arbeitszeit sehr flexibel sein. Wir arbeiten eben, wenn andere Leute frei haben. Und Menschen zu finden, die diese Kriterien erfüllen, ist sehr schwierig. Corona hat es uns nicht einfacher gemacht, verständlicherweise sind einige unserer Mitarbeiter wegen der langen Zwangspausen losgezogen, um sich etwas Neues zu suchen. Und jetzt, wo es wieder besser läuft, fehlt das Personal an allen Enden.“

Zwar löse das nicht per se das Problem des Fachkräftemangels, aber als Unternehmer sei es daher umso wichtiger, sich wie Nico Streblau alle Optionen offen zu halten – so Norbert Schäfers, Reha-Spezialist im gemeinsamen Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit und zuständig für die Vermittlung von Menschen mit Behinderung. Die Bedenken bezüglich möglicher Leistungseinschränkungen von Menschen mit Behinderung dürften kein Grund dafür sein, diese als potenzielle Mitarbeiter von vornherein auszuschließen.

„Die Bedenken sind da, manchmal auch nur latent. Arbeitgeber machen sich beispielsweise Sorgen um den besonderen Kündigungsschutz, über ein gegebenenfalls eingeschränktes Leistungsvermögen oder nur begrenzte Einsatzmöglichkeiten. Dabei ist es im Vorfeld möglich, durch ein kurzes Praktikum oder Probearbeit den potenziellen neuen Mitarbeiter erst einmal kennen zu lernen“, berichtet er.

„Sollte ein erhöhter Einarbeitungsaufwand bestehen, kann dieser durch einen Eingliederungszuschuss (EGZ) finanziell ausgeglichen werden. Und, wo nötig, können zum Beispiel technische Arbeitshilfen bis hin zu baulichen Anpassungen am Arbeitsplatz gefördert werden. Für diese kleinen Hürden und Herausforderungen gibt es immer Lösungen, man muss sie nur suchen“, erklärt er. Und er betont: „Auch Menschen ohne Behinderung sind nicht auf jedem Arbeitsplatz einsetzbar.“

Stefanie Dux selbst ist der beste Beweis für die passende Besetzung einer Stelle, trotz Einschränkung. Im Oktober 2021 konnte sie ihre Stunden aufstocken, arbeitet nun in Vollzeit. Sie ist sehr dankbar für ihre Situation: „Ich hatte wirklich Glück einen Betrieb zu finden, der mir eine Chance gibt. Leider ist das nicht selbstverständlich. Anderen Menschen in meiner Situation kann ich nur raten: Nutzt die Chancen, die sich bieten. Wenn ihr nichts ausprobiert, kann es sein, dass ihr den für euch passenden Job oder Betrieb verpasst.“

Nico Streblau sucht indes für sein Hotel mit 34 Mitarbeitern und aktuell 49 Zimmern weiterhin Personal und freut sich immer auf motivierte, Bewerber. Interessierte Personen können sich per Mail melden unter bewerbung@93770.de.

Arbeitgeber, die auf Personalsuche sind und eine Beratung hinlänglich der Einstellung von Menschen mit Behinderung wünschen, aber auch solche, die grundsätzliche Beratung in Personalfragen benötigen, können sich an den gemeinsamen Arbeitgeber-Service vor Ort per Telefon 05251 120-261 oder E-Mail Paderborn.Arbeitgeber@arbeitsagentur.de wenden.