Zweites Corona-Jahr erhöht Zahl der Langzeitarbeitslosen deutlich

Die Situation auf dem hessischen Arbeitsmarkt ist für Langzeitarbeitslose auch im zweiten Jahr der Corona-Krise angespannt. Zwar konnten 2021 wieder mehr Langzeitarbeitslose eine Beschäftigung aufnehmen als noch 2020, dennoch lag die Zahl im Jahresdurchschnitt (JD) mit rund 66.250 noch deutlich über dem Vorkrisenniveau.

22.02.2022 | Presseinfo Nr. 4

Zweites Corona-Jahr erhöht Zahl der Langzeitarbeitslosen deutlich

Die Situation auf dem hessischen Arbeitsmarkt ist für Langzeitarbeitslose auch im zweiten Jahr der Corona-Krise angespannt. Zwar konnten 2021 wieder mehr Langzeitarbeitslose eine Beschäftigung aufnehmen als noch 2020, dennoch lag die Zahl im Jahresdurchschnitt (JD) mit rund 66.250 noch deutlich über dem Vorkrisenniveau.

Dabei konnte Hessen bis 2019 eine sehr gute Entwicklung verzeichnen:

„2019 erreichte die Langzeitarbeitslosigkeit mit rund 47.600 Personen ihren Tiefststand. Den höchsten Wert mussten wir 2007 mit fast 107.000 Betroffenen verzeichnen. Die gute Aufnahmefähigkeit des Marktes bis zum Beginn der Krise hat viele Menschen wieder in Jobs gebracht und Übertritte in Langzeitarbeitslosigkeit verhindert. Durch die Pandemie wurde diese gute Entwicklung gestoppt und umgekehrt“, so Dr. Frank Martin, Leiter der Regionaldirektion Hessen.

Bereits im letzten Jahr sah Martin die Anstrengungen der Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre durch die Auswirkungen der Corona-Krise gefährdet: „Auch wenn jetzt die Nachfrage nach Arbeitskräften das Vorkrisenniveau überschreitet, können Langzeitarbeitslose nur in einem geringen Maß davon profitieren. Ein Großteil sucht wegen fehlender Berufsausbildung nur eine Helferstelle. Der Markt verlangt aber nach qualifizierten Fachkräften. Eine schnelle Umkehr dieser Situation zugunsten Langzeitarbeitsloser ist nicht zu erwarten. Es geht jetzt mehr darum, wie nachhaltig die Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt für diese Personengruppe erfolgen kann“.

Obwohl der Arbeitsmarkt seit Mitte 2021 stark an Dynamik hinzugewonnen hat und sich die Beschäftigungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose verbessert haben, liegt die Zahl der Langzeitarbeitslosen auch noch im Januar 2022 mit knapp 64.000 und einem Anteil von 38 Prozent (JD 2019: 32 Prozent) an allen hessischen Arbeitslosen deutlich über den Vorkrisenwerten.

Die Corona-Krise wurde zur besonderen Belastung für langzeitarbeitslose Menschen, deren Chancen auf eine Beschäftigung weiter sinken, je schwieriger ihre persönliche Ausgangssituation ist. Oft stehen eine fehlende Berufsausbildung, mangelnde Sprachkenntnisse oder chronische Erkrankungen einer dauerhaften Integration in den Arbeitsmarkt im Weg.

Fast 12.000 Menschen vier Jahre und länger arbeitslos

2021 waren in Hessen im Jahresdurchschnitt 180.500 Menschen arbeitslos. Davon waren etwa 66.250 mindestens 12 Monate arbeitslos und gehörten damit zur Personengruppe der Langzeitarbeitslosen.

35.700 Personen und somit 54 Prozent aller Langzeitarbeitslosen waren zwischen einem und zwei Jahren arbeitslos, 12.700 (19 Prozent) zwei bis drei Jahre ohne Job, etwa 5.900 (9 Prozent) drei bis unter vier Jahre und 12.000 (18 Prozent) vier Jahre und länger arbeitslos.

Gemessen an allen Arbeitslosen in Hessen waren Frauen (38 Prozent) stärker von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen als Männer (36 Prozent) und Ältere über 55 Jahren (45 Prozent) deutlich häufiger als junge Menschen unter 25 Jahren (16 Prozent).

Langzeitarbeitslosigkeit trifft Unqualifizierte

Die Mehrheit der Langzeitarbeitslosen war gering qualifiziert. Rund 65 Prozent hatten keine Berufsausbildung. Der Anteil steigt je länger die Arbeitslosigkeit andauert. So hatten 69 Prozent der Menschen, die länger als 24 Monate arbeitslos waren keine Berufsausbildung. Insgesamt waren 2021 fast 60 Prozent aller Arbeitslosen in Hessen ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Bessere Chancen bei der Arbeitsaufnahme als 2020

2021 hatten Langzeitarbeitslose wieder bessere Chancen ihre Arbeitslosigkeit zu beenden als noch 2020. Dabei gelang der Wiedereinstieg am ehesten für langzeitarbeitslose Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung.

Etwa 10.600 (2020: 6.700) langzeitarbeitslose Personen konnten eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt aufnehmen. Sie fanden zumeist Jobs in Zeitarbeitsunternehmen (18 Prozent). An zweiter Stelle stand eine Beschäftigung im Handel (14 Prozent), an dritter Stelle ein Job im Bereich der wirtschaftlichen Dienstleistungen (13 Prozent) wie Wach- und Sicherheitsdiensten, Reinigungs- und Hausmeisterdiensten, Call-Centern oder Garten- und Landschaftsbau.

Förderung durch Teilhabechancengesetz

Die Rückkehr oder der Erststart in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis ist für viele Langzeitarbeitslose ohne zusätzliche Hilfen oft nicht möglich.

Das Teilhabechancengesetz bietet seit 2019 den Jobcentern die Möglichkeit Langzeitarbeitslosen eine umfassende Begleitung auf ihrem Weg zurück in die Erwerbstätigkeit anzubieten. Zum Beispiel, wenn rund um die neue Stelle Probleme auftreten. Gleichzeitig können Arbeitgeber finanziell unterstützt werden, wenn sie Langzeitarbeitslose einstellen. Wer mindestens zwei Jahre lang ohne Stelle war und Leistungen aus einem Jobcenter bezieht, kann von dieser Förderung profitieren.

Beispiele aus Hessen:

Jobcenter Schwalm-Eder: Karsten Kilian und Stefan Elsner konnten beide bereits 2019 durch das Teilhabechancengesetz einen Neuanfang starten. Kilian verlor bereits direkt nach der Schule den Anschluss an das Berufsleben, Elsner war im Vorfeld sieben Jahre ohne Job. Damit Stefan Elsner seine neue Beschäftigung im Verbrauchslager des DRK voll ausfüllen kann, musste er nicht nur in einer Fahrschule seine Fahrpraxis auffrischen, er brauchte auch eine neue Brille. Mit Unterstützung des Jobcenters konnte all dies ermöglicht werden. Zweimal monatlich besucht Sandra Stein (Jobcenter-Coach) Elsner an seinem Arbeitsplatz und hilft beim Durchhalten.

Den ersten Job seines Lebens fand Karsten Kilian im Bauhof der Gemeinde Jesberg. Auch ihm hilft Sandra Stein durch regelmäßige Unterstützung. Nach einer Probezeit stieg Kilian sofort als Vollzeitkraft ein. Das Jobcenter finanziert u.a. den für den Job notwendigen Kettensägen-Schein. Beide sind bis heute noch dabei.

Jobcenter Frankfurt/Main: Elen Merke kam 2008 aus Eritrea nach Deutschland. Die alleinerziehende Mutter zweier Kinder hat vor ihrer Einreise als Nanny in Dubai und dem Sudan gearbeitet. Durch die Förderung des Jobcenters Frankfurt und der Unterstützung ihres persönlichen Ansprechpartners arbeitet sie jetzt als Betreuungskraft und Alltagsbegleiterin beim Caritasverband. Nach dem Ende der Förderung im August 2023 hat sie eine gute Chance in ein ungefördertes Beschäftigungsverhältnis zu wechseln.

Aber nicht nur durch das Teilhabechancengesetz kann eine berufliche Integration funktionieren, wie das Beispiel aus dem Jobcenter Limburg-Weilburg zeigt:

Nach dem Fachabitur und einer Ausbildung zur Altenpflegerin arbeitete Lara Vogler als examinierte Fachkraft bis zu ihrer Schwangerschaft vor vier Jahren. Wegen der Behinderung ihres kleinen Sohnes ist die alleinerziehende Mutter aktuell nur in der Lage, während der Öffnungszeiten des Kindergartens zu arbeiten. Trotz des akuten Pflegenotstandes fand sich lange kein Arbeitgeber, der sie einstellte. Für die 28jährige reichte es nur für einen Minijob als Haushaltshilfe. Den Lebensunterhalt der Alleinerziehenden sicherte inzwischen das Jobcenter Limburg-Weilburg. Den richtigen Anstoß erhielt Lara Vogler durch das Vermittlungszentrum für Frauen in Limburg. Ziel der vom Jobcenter initiierten und finanzierten Einrichtung ist es das Selbstvertrauen langzeitarbeitsloser Frauen wiederaufzubauen, Bewerbungsstrategien zu optimieren und auf dem hürdenreichen Weg in den Job zu begleiten. Dank dieser Unterstützung fand die Altenpflegerin einen Arbeitgeber aus Wiesbaden, der eine Fachkraft für eine Wachkomapatientin suchte. Jetzt kann sie, angepasst an ihre familiäre Situation, die Pflege in der Zeit von acht bis 14 Uhr übernehmen. Auch nach der Arbeitsaufnahme kann sich Vogler bei Bedarf Hilfestellungen aus dem Vermittlungszentrum für Frauen holen, falls Probleme mit dem neuen Job auftauchen.

Hintergrundinformation

Berechnungsgrundlage der in der Presseinformation erwähnten Zahlen ist der gleitende Jahresdurchschnitt Dezember 2020 bis November 2021.

Aktuelle Informationen zum Arbeitsmarkt in Hessen sowie den Angeboten und Services der Agenturen für Arbeit und der Familienkasse finden Sie auch auf Twitter: https://twitter.com/rd_hessen