Ukrainische Flüchtlinge

Interview der Bernburger Arbeitsagenturchefin, Anja Huth zu den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf dem regionalen Arbeitsmarkt

01.04.2022 | Presseinfo Nr. 26

Was können die Folgen für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt sein?

Die Folgen für die regionale Wirtschaft und den regionalen Arbeitsmarkt lassen sich nur schwer abschätzen. Steigende Preise für Energieträger, Nahrungsmittel und andere Rohstoffe, direkte und indirekte Auswirkungen der Sanktionen gegen den Aggressor Russland werden sich mit Sicherheit auf die eine oder andere Art und Weise bemerkbar machen.

Mit dem Mittel der Kurzarbeit haben wir aber ein erprobtes Mittel an der Hand, Auswirkungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zumindest zu dämpfen. Aktuell sind die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine in der Arbeitsagentur noch nicht zu spüren – im Gegenteil, es wird weiterhin in vielen Branchen nach Arbeitskräften gesucht. Der Arbeitsmarkt im Salzlandkreis ist immer noch aufnahmefähig – das ist sicherlich auch dem demografischen Wandel geschuldet.

Wie viele Ukrainer arbeiten bereits jetzt im Salzland?

Bislang waren wir keine Zielregion für ukrainische Beschäftigte. Im Juni 2021 waren 65 Menschen aus der Ukraine sozialversicherungspflichtig im Salzland beschäftigt.

Wann dürfen Geflüchtete denn bei uns arbeiten?

Mit der Meldung im Einwohnermeldeamt können sie sofort bis auf Widerruf eine Erwerbstätigkeit aufnehmen.

Gestatten Sie mir dazu eine Bemerkung: Wir sind alle betroffen über das Leid, das den Menschen in der Ukraine zugefügt wird. Diese Menschen, vor allem Frauen und Kinder, suchen bei uns Schutz und Sicherheit in einer unvorstellbaren Situation. Diese Menschen fliehen nicht, um unseren Fachkräftebedarf zu decken, sondern weil ihr Land angegriffen wurde.

Im Vordergrund steht momentan noch die Unterbringung und Versorgung der Frauen und Kinder mit dem Nötigsten. Der Salzlandkreis und seine Kommunen, Behörden und unzählige engagierte Freiwillige arbeiten momentan unermüdlich daran, den Geflüchteten ein gutes Ankommen und das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu ermöglichen.

Fragen zur Integration in den lokalen Arbeitsmarkt stehen da aktuell noch hinten an. Die Agentur für Arbeit in Bernburg bereitet sich aber natürlich auf die Beratung und Vermittlung der Geflüchteten vor, die ihre Hilfe in Anspruch nehmen wollen.

Ich sehe unsere Aufgabe aber auch derzeit darin, Transparenz herzustellen und die vielen gut gemeinten Initiativen zur Integration von Ukrainern ein wenig zu strukturieren. Es gibt doch auch einiges zu beachten, wenn man als Unternehmen Geflüchtete einstellen möchte. Es gibt reglementierte Berufe die ein bestimmtes Sprachniveau erfordern oder auch den Nachweis von besonderen Zertifikaten.

Seit einigen Tagen liegen in den Einwohnermeldeämtern zweisprachige lokale Informationsmaterialien der Bernburger Arbeitsagentur für ehrenamtliche Helfer und Geflüchtete aus. Hier wird erklärt, wie man mit den Geschäftsstellen im Landkreis Kontakt aufnimmt, wie eine Beratung in der Arbeitsagentur abläuft und welche Unterstützung die Arbeitsagentur bieten kann.

Wir haben als Bundesagentur eine zentrale Hotline unter der Rufnummer 0911-178 7915 geschaltet. Hier beraten ukrainisch- und russischsprachige Mitarbeiter*innen der BA Geflüchtete zu den ersten Schritten auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?

Wir müssen hier zwischen Unterstützung für die Geflüchteten und Unterstützung für Arbeitgeber, die Geflüchtete anstellen wollen unterscheiden.

Für Geflüchtete aus der Ukraine gilt:

Ukrainer*innen, die im Salzlandkreis gemeldet sind und eine Arbeit aufnehmen wollen, können sich zur Beratung und Vermittlung anmelden. Dafür stehen inzwischen zweisprachige Anmeldebögen zur Verfügung. In der Beratung steht den Beratungs- und Vermittlungsfachkräften und den Geflüchteten eine Dolmetscherhotline zur Verfügung. Außerdem werden wir in den nächsten Tagen eine ukrainische Muttersprachlerin als Mitarbeiterin in unserer Agentur begrüßen.

Mir ist es wichtig, dass wir umfassend beraten, wenn Geflüchtete hier bleiben wollen oder müssen. Unser Anspruch ist, frühzeitig und ausbildungsadäquat zu beraten, zu vermitteln und zu qualifizieren, damit erworbene Bildungsniveaus nicht verloren gehen und sie nicht unterwertig zu beschäftigen.

Was wir aus der Vergangenheit gelernt haben ist, dass gute deutsche Sprachkenntnisse die Arbeitsaufnahme erleichtern. Sprachkenntnisse auf einem Mindestniveau sind auch die Voraussetzung für Ausbildung und geförderte Weiterbildungen. Natürlich gibt es auch ausreichend Stellen, für die Kenntnisse der deutschen Sprache weniger wichtig sind. Hierbei handelt es sich allerdings oft um Stellen auf Helferniveau, deren Bezahlung sich lediglich auf oder knapp über Mindestlohn bewegen. Eine unsere Aufgaben wird es sein, über die Vor- und Nachteile der verschieden Einstiegswege in Arbeit in Deutschland zu beraten. Hier arbeiteten wir eng mit den Anbietern von Integrations- und Berufssprachkursen zusammen.

Wie inländischen Arbeitssuchende und Arbeitslose auch können wir Geflüchteten aus der Ukraine Kosten für Bewerbungen und Vorstellungsgespräche erstatten. Voraussetzung dafür ist, dass sie in der Agentur für Arbeit Bernburg gemeldet sind.

Für Arbeitgeber gilt:

Prinzipiell erfasst die Arbeitsagentur keine Stellen nur für Geflüchtete aus der

Ukraine. Der Arbeitgeber-Service kann aber (schon gemeldete) Stellen mit

„Geeignet, die Integration Zugewanderter zu unterstützen“ kennzeichnen. Arbeitgeber sollten Ihre schon im Portal der Arbeitsagentur veröffentlichte Stellenbeschreibung prüfen und den Wortlaut so anpassen, dass sich Geflüchtete angesprochen fühlen. Zu beachten ist auch, dass der allgemeine gesetzliche Mindestlohn in Deutschland die Lohnuntergrenze ist, die nicht unterschritten werden darf.

Für die Förderung von Beschäftigung gelten die gleichen Regeln wie für inländische Beschäftigte. Bitte nehmen Sie rechtzeitig vor einer Beschäftigungsaufnahme oder Weiterbildungsmaßnahme Kontakt mit unserem Arbeitgeber-Service unter:

0800 – 4 55 55 20 oder via E-Mail unter: bernburg.141-Arbeitgeber-Service@arbeitsagentur.de.

Wenn Flüchtlinge einen Arbeitsplatz gefunden haben, müssen sie dies der Ausländerbehörde melden. Die Meldung senden Sie bitte per Post an die Ausländerbehörde oder per Mail an auslaenderbehoerde@kreis-slk.de.

Haben die Flüchtlinge Anspruch auf Kindergeld?

Für eine Kindergeldberechtigung muss neben der Aufenthaltserlaubnis auch eine tatsächliche Erwerbstätigkeit ausgeübt werden. Ohne eine solche Erwerbstätigkeit besteht ein Kindergeldanspruch erst, wenn sich die Person seit mindestens 15 Monaten ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält.

Ich möchte aber nochmal betonen, dass wir nicht der Illusion erliegen sollten, dass die ukrainischen Flüchtlinge unseren Fachkräftebedarf decken. Ich erkenne derzeit einen großen Willen, nach dem Krieg – und ich denke wir hoffen alle gemeinsam, dass dies so schnell wie möglich sein wird – wieder zurück in ihre Heimat wollen. Wenn es uns gelingt den einen oder anderen für den Salzlandkreis zu begeistern, dann ist das natürlich ein Gewinn.