Wer Fachkräfte braucht, muss sich präsentieren

Wer Fachkräfte braucht, muss sich präsentieren und seinen Betrieb erklären. Christoph Schulte vom Ingenieurbüro Otto & Partner spricht im Podcast über die Tücken der Personalsuche in der Baubranche.


20.01.2021 - Sebastian Keil -1 MinutenMitarbeiter finden

Wer Fachkräfte braucht, muss sich präsentieren, seine Branche zeigen und seinen Betrieb erklären. Christoph Schulte vom Ingenieurbüro Otto & Partner spricht im Podcast über die Tücken der Personalsuche in der Gebäudetechnik, warum sich Absolventinnen und Absolventen vor allem für Großprojekte begeistern, wie die Digitalisierung Arbeitsprozesse auf Baustellen beschleunigt – und warum das nicht nur positiv ist – und wie man bei Otto & Partner dennoch erfolgreich Stellen besetzt.

 

 

Mehr über das Ingenieurbüro Otto & Partner: ibotto.de

Transkript

Christoph Schulte über den Fachkräftemangel im Bereich Gebäudetechnik

Christoph Schulte Um Menschen anzulocken, sehe ich die große Aufgabe darin, zu zeigen: Was bedeutet denn Gebäudetechnik heute? Das ist eben nicht nur Schalter und Steckdose, sondern das ist effektiver Umweltschutz, Energie einsparen, intelligente Gebäudetechnik und Ressourcenschutz.

Sebastian Keil Herzlich willkommen zum Faktor A Podcast Heute begrüßen wir zum Gespräch über den Fachkräftemangel Christoph Schulte vom Ingenieurbüro Otto und Partner aus Hamburg. Herzlich willkommen! Wir haben uns vorher auf das Du geeinigt. Christoph Vielleicht magst du einmal kurz vorstellen, was das Ingenieurbüro Otto und Partner macht und wo du herkommst.

Christoph Schulte Ja, das Ingenieurbüro Otto und Partner ist ein Fachplanungsbüro für die technische Gebäudeausrüstung. Das heißt, wir planen Heizung, Lüftung, Sanitär, Elektro-Anlagen für Gebäude, sowohl in Neubauten als auch in Bestandsgebäuden. Und das auch in fast jeder Art von Gebäude, vom Wohngebäude über öffentliche Gebäude wie Schulen, Kindergärten et cetera.

Christoph Schulte Ich bin 47 Jahre alt, bin Elektroingenieur seit ungefähr 15 Jahren, arbeite seitdem in diesem Ingenieurbüro, bin seit einem Jahr Partner hier und somit Inhaber, einer von vieren. Ich komme ursprünglich als Elektroinstallateur aus der Handwerker Bereich und habe dort dann mich weitergebildet über die Techniker-Schule, über das Fachabitur und das Studium der Technischen Gebäudeausrüstung.

Sebastian Keil Welche Berufsbilder finden sich denn typischerweise in einem Ingenieurbüro?

Christoph Schulte In unserem Ingenieurbüro haben wir die Ingenieure Fachplaner für die verschiedenen Gewerke Heizungsingenieure, Elektroingenieure, Gebäudetechnik allgemein und zum anderen die technischen Systemplaner. Früher waren das mal die technischen Zeichner, da hat sich das Berufsbild ein bisschen geändert. Deswegen heißen die jetzt technische Systemplaner. Und wir haben Team-Assistenzen für die Büroarbeit. Das sind so die Aufgaben, die wir im Büro besetzen können.

Sebastian Keil Hamburg hat ja die Situation, dass sehr viel gebaut wird. Da könnte ich mir vorstellen, dass man sehr viel Planungsbüro-Kapazitäten braucht. Ist das auch etwas, was ihr feststellt?

Christoph Schulte Ja, das ist so. Durch die großen politischen Maßgaben, auch im Bereich des Wohnungsbaus und auch die allgemeinen Sanierung-, Umbau- und Erweiterungsaufgaben, die man, wenn man durch die Stadt fährt, überall sieht, ist es so, dass eigentlich ein großes Potenzial an Aufträgen da ist. Wir versuchen, alle unsere Kunden zufrieden zu stellen. Das wir aber auch feststellen, dass an einigen Stellen unsere Kapazitäten dann manchmal auch beschränkt oder erschöpft sind, weil die Projekte eben auch nicht so linear laufen, wie sie mal auf dem Papier waren und sich Termine verschieben. Und dann hat man auf einmal das Problem, dass Projekte, die eigentlich schön nacheinander laufen sollten, parallel laufen. Und dann könnten wir schon mal in Fachkräftemangel rein laufen und wir können die Leute nicht so einsetzen, wie wir das wollen.

Sebastian Keil Das heißt also, theoretisch sind Aufträge da. Praktisch habt ihr in manchen Situationen nicht die Kapazitäten, um das abbilden zu können. Warum ist das so? Liegt das daran, dass es einfach nicht genug Menschen gibt, die die genannten Berufsbilder ausüben? Oder ist es auch schwierig, die Menschen einfach anzulocken?

Christoph Schulte Das ist schon so, gerade in den Bereichen, in denen wir uns in der Gebäudetechnik bewegen. Unser Schwerpunkt ist zu 60, 70 Prozent der Wohnungsbau. Das ist nicht unbedingt das Fachgebiet, wo sich neue, junge, motivierte Ingenieure vielleicht drauf stürzen möchten. Die möchten, so unsere Erfahrungen, ganz gerne Flughäfen, Einkaufszentren, große, imposante Gebäude, planen. Elbphilharmonie ist ja vielleicht auch ein großes Thema, sodass wir dann manchmal das Problem haben, mit den etwas überschaubaren Projekten die Leute so anzulocken, dass wir darüber schon das Interesse soweit wecken können, dass die Leute dann gerne zu uns kommen. Wir müssen dann eher mit anderen Qualitäten locken.

Sebastian Keil Okay, aber es ist ja eigentlich jedem klar, dass es für Flughäfen und Elbphilharmonie nur eine begrenzte Zahl gibt. Es kann ja nicht jeder Flugzeuge bauen und das muss jedem ja auch klar sein, bevor er studiert. Das heißt, wenn es die fünf Leute gibt, die Flughäfen bauen, dann bleiben noch 50 über die andere Sachen machen. Und da müsste man sich dort dann auch die Menschen aussuchen können.

Christoph Schulte Ja, das ist leider nicht ganz so, weil es einfach auch unserer Meinung nach aktuell in den Studiengängen nicht genug Leute gibt, die den Bereich Gebäudetechnik wirklich auch als Schwerpunkt studieren. Das heißt Versorgungs-Techniker, das sind alle Ingenieure, die für den Bereich Haustechnik außer Elektro zuständig sind, die können auch zum Beispiel in die Industrie gehen und sich in den Bereich regenerative Energien im großen Umfeld bewegen. Und da ist der Bedarf genauso groß wie bei uns im Gebäudetechnik-Markt, im Wohnungsmarkt. Und da laufen die Leute dann ganz gerne hin, die dann nicht zu uns kommen.

Sebastian Keil Ich sehe hier aber einige Schreibtische und Menschen. Das heißt, ihr seid durchaus erfolgreich darin, Menschen anzulocken wie ihr. Wie macht ihr das dann?

Christoph Schulte Ja, also wir versuchen uns so offen wie möglich auf dem Markt zu präsentieren. Über alle uns zur Verfügung stehenden Kanäle. Das heißt, wir inserieren klassisch in Printmedien wie der lokalen Zeitung hier vor Ort. Über die Arbeitsagentur, aber eben auch ganz klar, dass wir alle Internetplattformen bespielen wie Monster, Stepstone und alle Bekannten. Aber auch die Ingenieurs-Seiten wie VDI Nachrichten oder Ingenieur Karriere und alle, die dazugehören. Dort versuchen wir uns zu positionieren. Wir haben auch über Personalvermittlung schon Mitarbeiter gewonnen. Da versuchen wir über alle Wege Leute und Mitarbeiter zu finden.

Sebastian Keil Ich könnte mir vorstellen, dass diese Plattformen und die Orte, wo inseriert wird, vermutlich bei der Konkurrenz ähnlich sind. Wo habt ihr die Möglichkeiten, euch zu unterscheiden von anderen Arbeitgebern?

Christoph Schulte Wir versuchen schon, in den Stellenanzeigen auf unsere Organisation ein bisschen hinzuweisen, dass wir flache Hierarchien leben, dass wir als vier Partner in unserem Büro jederzeit ansprechbar sind, dass wir ein familienfreundliches Arbeiten ermöglichen. Das bedeutet, auch Arbeitszeitmodelle mit flexiblen Arbeitszeiten sind bei uns möglich. Wir bieten die Möglichkeit, sich hier im Büro und am Job auszubilden, weiterzubilden. Wir unterstützen Absolventen bei ihrer Masterarbeit. Wir haben staatlich geprüfte Techniker, eine Ausbildung, die wir hier gemeinsam bis zum Abschluss begleiten, um einfach auch junge Fachkräfte schon an uns zu binden und auch lange zu halten. Und für die erfahrenen Leute bieten wir die Möglichkeit, auch schnell Leitungsfunktion auf der Baustelle und auch in den Projekten zu übernehmen, sodass wir hier jedem die Möglichkeit geben, schnell Karriere zu machen. Das ist in größeren Büros unserer Kenntnis nach meist nicht so, weil es da einfach sehr feste Strukturen gibt. Wir versuchen die Strukturen möglichst flach zu halten, sodass wir uns da mit Leuten immer auf Augenhöhe unterhalten können.

Sebastian Keil Meist ist der Erfolg von diesen Maßnahmen aus dem Bereich, die wir jetzt gesprochen haben, ja auch davon abhängig, wie die Führung oder die Leitung das vorlebt. Ihr seid, glaube ich, alle in einem ähnlichen Alter, die Partner vielleicht plus minus fünf Jahre oder so. Wie würdest du sagen, hat sich denn dein eigenes Leben unter diesen Gesichtspunkten in den letzten fünf oder 10 Jahren verändert?

Christoph Schulte Es ist schon so, dass die Baubranche gerade in den letzten 10 Jahren sehr stark im Umbruch ist. Allein durch Handy, E-Mail und alle digitalen Möglichkeiten der Informationsvermittlung und des Informationsaustausches ist alles viel, viel schneller geworden, sodass wir einfach auch ganz anders arbeiten müssen. Also Zeiten oder Arbeiten, die früher über 2, 3, 4 Wochen kontinuierlich durchgearbeitet werden konnten, werden jetzt immer in viel kleineren Häppchen abgefragt. Der Austausch über Plan-Server-Plattformen macht einiges einfacher, weil man nicht mehr Papier durch die Gegend tragen muss, sondern man stellt eine Zeichnung, eine Berechnung auf ein Plan-Portal und auf der anderen Seite kann der Planungsbeteiligte sich die Sachen direkt angucken und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Das ist ein sehr großer Vorteil. Aber auch ein Nachteil, weil einfach Zeit zum Nachdenken manchmal fehlt. Weil die Reaktionszeiten unglaublich kurz werden, sodass dann, wenn man eine Information zur Verfügung gestellt bekommt, man ganz schnell in Zugzwang kommt, das zu bearbeiten, darauf zu reagieren. Und das ist die große Kunst, das neu zu bewerten, dass man die Prioritäten vernünftig setzt. Alle schreien immer ganz laut und sind immer die wichtigsten. Und da müssen wir Methoden einführen, die das ermöglichen, dass die Leute auch wirklich konzentriert weiterarbeiten können. E-Mail Post Eingänge, die sich am Tag mit 250 Mails füllen, von irgendwelchen Baustellen und Planservern, die alle nach Informationen rufen, sind einfach schwer handlebar und belasten einige Mitarbeiter sehr, andere weniger. Und da ist unsere Aufgabe natürlich, die Leute so arbeitsfähig zu machen und zu halten, dass die Projekte effektiv abgearbeitet werden können, die Kunden zufrieden sind, wir uns aber trotzdem nicht aufreiben. Also das ist eine ganz große Herausforderung und da sehen wir auch ganz große Aufgaben, die wir jetzt gerade lösen müssen.

Sebastian Keil Sehr spannend. Das heißt, auf der einen Seite würde man ja denken, dass die Digitalisierung z.B. auch so was wie Homeoffice möglich macht. Gleichzeitig steht man dann vor der Informationsüberflutung, weil es irgendwie viel schneller und viel mehr geht. Aber vielleicht nochmal zurück: Abgesehen von dem technischen Fortschritt in diesem Planungsprozess. Wie lebt ihr vielleicht heute anders als noch vor fünf Jahren?

Christoph Schulte Es ist schon so, dass die ständige Erreichbarkeit über alle Geräte, die man zur Verfügung hat, vom Smartphone über das Tablet bis zum Notebook, bedeutet eben, dass man wirklich versuchen muss, die Arbeit da zu lassen, wo die Arbeit hingehört und dass man sich selber die Freiräume erarbeiten muss. Auf der anderen Seite habe ich natürlich auch die Möglichkeit, andere Freiräume, die vielleicht sonst nutzlos waren, wie zwischen zwei Terminen, wo es keinen Sinn ergeben würde, wieder ins Büro zu fahren, dass man sich dann auch in ein Café setzen kann, um dann eine E-Mail nicht auf dem Handy lesen zu müssen, zu bearbeiten, sondern dass man das mit dem Tablet oder dem Notebook macht, um dann auch wirklich effektiv Sachen zu erledigen. Das sind schon große Vorteile. Da setzen wir auch unsere Software gerade auf, um da noch effektiver und auch strukturierter zu arbeiten. Das sind große Möglichkeiten, die wir da haben werden, aber eben auch die Gefahr, dass man ganz schnell die Kontrolle verlieren kann. Und da schließt sich der Kreis zu dem, was ich eben schon gesagt hatte: Dass wir da die Leute so vorbereiten und unterstützen müssen, dass das eben in vernünftigen Bahnen läuft und nicht belastend wird.

Sebastian Keil Abschließend vielleicht nochmal die Frage: Wo geht die Reise in den nächsten drei bis fünf Jahren in Sachen Fachkräftemangel hin? Wie muss sich die Zusammenarbeit in Eurer Branche verändern, um mehr Menschen anzulocken?

Christoph Schulte Um Menschen anzulocken, in unsere Branche, in unseren Bereich, sehe ich die große Aufgabe, dass viele Leute oder viele Ingenieure, viele Planer vielleicht auch gar nicht die Komplexität unserer Aufgaben manchmal so sehen, wenn sie auf der Uni, auf der Fachhochschule sind, sodass wir einfach uns bekannter machen müssen. Wir müssen noch mehr nach außen gehen und einfach auch zeigen: Was bedeutet denn Gebäudetechnik heute? Dass es eben nicht nur Schalter und Steckdose oder eben der Heizkörper an der Wand sind. Sondern effektiver Umweltschutz, Energie einsparen funktioniert eben ganz viel, auch im Gebäude, in der Wohnung. Und wir können über intelligente Gebäudetechnik, über vernünftige Anlagen gut geregelte Systeme ganz viel dazu beitragen, dass der Ressourcenschutz möglich ist, ohne dass große Investitionen dafür immer nötig sind, sondern einfach nur durch intelligente Benutzung realisiert werden kann. Und wenn man das schafft, den Leuten nochmal ein bisschen präsenter zu machen, kann ich mir gut vorstellen, dass wir da Leute einfach auch für uns, für unsere Branche und dann eben auch für unser Büro gewinnen können, die vielleicht vorher noch gar nicht an Arbeiten in diesem Bereich gedacht haben. Das ist das eine und das andere ist der Austausch mit anderen Planungsbeteiligten mit Bauherren gibt es ganz neue Methoden, auch über das sogenannte „BIM-Arbeiten“, das heißt Building Information Modeling. Das ist ein digitales Gebäudemodell, wo man über alle Lebensphasen des Gebäudes die Information in ein digitales Modell einarbeitet und da auch viel Informatik drin steckt, viel Wissen an verschiedenen Stellen, um dann auch wirklich das Gebäude vom ersten Gedanken bis hin zur Übergabe an den Bauern und dann auch in Betrieb digital abbilden zu können. Das ist eine sehr komplexe Methode, die ganz viel Planungswissen, aber auch sehr viel strukturiertes Arbeiten benötigt. Das sind sehr große Aufgaben für alle am Planungsprozess Beteiligten – vom Bauherrn bis hin zum Hausmeister oder Facility Manager, der dieses Modell benutzen muss/soll, sodass wir da sehr viele Aufgaben sehen, die wir gemeinsam lösen müssen – Alle in der Planung Beteiligten zumindest.

Sebastian Keil Das klingt nach einer sehr spannenden Zukunft. Christoph Vielen Dank für das Gespräch!


Titelfoto: © iStock/eclipse_images