Zwischen Überfluss und Unentschlossenheit – Ausbildungsmarkt auf dem Prüfstand

Halbjahresbilanz am Ausbildungsmarkt 2024/2025 in der Region Aachen-Düren

11.04.2025 | Presseinfo Nr. 19

Die Agentur für Arbeit Aachen-Düren zieht gemeinsam mit der Handwerkskammer (HWK) Aachen und der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen eine gemischte Bilanz zum Ausbildungsmarkt im ersten Halbjahr 2024/2025. Zwar steigt die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen wieder an, gleichzeitig bleibt die Zahl der Ausbildungsinteressierten hinter dem Bedarf zurück. Im Agenturbezirk Aachen-Düren kommen aktuell auf 100 Ausbildungsstellen nur 83 Bewerber*innen.

„Die Lage am Ausbildungsmarkt ist aus betrieblicher Sicht angespannt. Für Ausbildungssuchende bestehen noch gute Chancen auf eine Ausbildungsstelle. Wir beraten dazu gerne.“, betont Günter Sevenich, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit Aachen-Düren. „Entscheidend ist, dass Jugendliche offen für neue Berufe und Regionen sind – und Betriebe bereit, auch neue Wege zu gehen.“

3.100 Ausbildungsplätze unbesetzt – 3.600 Jugendliche noch auf der Suche

Zur Halbjahresbilanz sind rund 3.100 Ausbildungsplätze unbesetzt. Gleichzeitig suchen etwa 3.600 Jugendliche noch nach einer passenden Ausbildungsstelle. Das zeigt: Die Herausforderung liegt nicht nur im Mangel, sondern zunehmend im Matching – also darin, Angebot und Nachfrage besser zusammenzubringen.

Regionale Unterschiede: Heinsberg mit Überhang, Städteregion mit Defizit

Im Kreis Heinsberg übersteigt die Nachfrage das Angebot deutlich: Auf 100 unbesetzte Ausbildungsstellen kommen 170 noch suchende Bewerber*innen. Auch im Kreis Düren zeigt sich ein Überhang an Bewerber*innen, wenn auch weniger stark ausgeprägt: Auf 100 noch unbesetzte Ausbildungsstellen kommen 145 noch suchende Bewerber*innen. Anders in der Städteregion Aachen: Dort gibt es mehr gemeldete Ausbildungsstellen als Interessierte – auf 100 unbesetzte Ausbildungsstellen kommen 86 noch suchende Bewerber*innen. 

Starkes Handwerk für starke Zukunft – Nachwuchs im Fokus

“Eine Karriere im Handwerk bietet hervorragende Perspektiven – und das erkennen erfreulicherweise wieder mehr Jugendliche und ihre Eltern. Die steigenden Ausbildungszahlen im Kammerbezirk zeigen: Das Handwerk gewinnt wieder an Attraktivität”, betont Georg Stoffels, Hauptgeschäftsführer der HWK Aachen. “Fest steht: Ohne ein starkes Handwerk wird weder die Klimawende gelingen, noch die dringend nötige Sanierung unserer Infrastruktur vorankommen. Um noch mehr Jugendliche für den Weg ins Handwerk zu begeistern, verstärkt die Handwerkskammer Aachen ihre Aktivitäten im Bereich Nachwuchsmarketing und bringt mit dem „Schoolcrafter“ ab sofort das Handwerk live an die Schulen”, ergänzt er.

Berufsausbildung rückt auch an Gymnasien stärker in den Fokus

„Der Trend zum Studium hält zwar an, doch zunehmend erkennen auch die Gymnasien, dass für einen Teil ihrer Schülerinnen und Schüler eine duale Berufsausbildung die passendere Alternative darstellt. Für die jungen Menschen ist es wichtig, die vielfältigen Angebote der Berufsorientierung zu nutzen, um realistische Einblicke in die Berufswelt zu erhalten,“ erklärt Waltraud Gräfen, Referatsleiterin (Berufsstart) der IHK Aachen.

Branchentrends und Besonderheiten

Besonders viele freie Ausbildungsstellen finden sich im Handel (z.B. Kaufmann/-frau im Einzelhandel, Verkäufer*in) . Rückgänge sind unter anderem in den Bereichen Büroorganisation und medizinische Assistenzberufe zu verzeichnen. Ein Überhang an Bewerber*innen zeigt sich in Berufsfeldern wie der Körperpflege (z.B. Frisör*in) und im Bereich Tourismus und Sport (z.B. Reiseverkehrskaufmann/-frau, Sport- und Fitnesskaufleute). Ein Bewerberüberhang liegt vor, wenn es im Verhältnis deutlich mehr Ausbildungsinteressenten als gemeldete Ausbildungsstellen gibt – die Nachfrage übersteigt in diesem Fall das Angebot.

Ein weiteres Phänomen, das Betriebe zunehmend beschäftigt, ist das sogenannte „Azubi-Ghosting“: Jugendliche unterschreiben einen Ausbildungsvertrag – erscheinen zum Starttermin jedoch nicht. Für Ausbildungsbetriebe bedeutet das einen hohen organisatorischen Aufwand und oft den Verlust anderer geeigneter Kandidat*innen. „Gerade in Zeiten knapper Bewerberzahlen ist es entscheidend, dass Betriebe frühzeitig eine persönliche Bindung zu ihren künftigen Azubis aufbauen“, erklärt Günter Sevenich, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit Aachen-Düren. „Ein Vertrag allein reicht nicht – es braucht regelmäßigen Kontakt, Vorbereitungsphasen und eine offene Ansprache. Das zeigt den Jugendlichen: Ihr seid hier willkommen – wir warten auf Euch.“ Um diesem Trend entgegenzuwirken, empfehlen Expert*innen unter anderem Schnuppertage, Willkommensnachrichten, Glückwünsche zum Geburtstag, Azubi-Events, Mentor*innen-Modelle.

Beispiel aus der Praxis

Ein besonders gelungenes Beispiel zeigt, wie wichtig flexible Lösungen und gute Zusammenarbeit sein können: Ein junger Geflüchteter absolvierte im Rahmen eines Schulpraktikums einen Einsatz bei einem Unternehmen im Kreis Düren. Schnell war klar: Hier stimmt die Motivation – der junge Mann träumte davon, in Deutschland eine Ausbildung zu beginnen. Doch die Deutschkenntnisse reichten noch nicht aus. Gemeinsam mit dem Ausbildungsbetrieb entwickelte die Agentur für Arbeit eine Lösung: Über eine bezahlte Einstiegsqualifizierung (EQ) erhielt er die Chance, sich sprachlich und fachlich weiterzuentwickeln. Nach einem Jahr konnte er erfolgreich in die Ausbildung starten. Solche Beispiele zeigen: Mit Engagement auf beiden Seiten lassen sich Ausbildungswünsche auch unter schwierigen Bedingungen realisieren und beide Seiten profitieren davon.

Veranstaltungshinweise

Am 15. Mai 2025 findet zwischen 9.00 und 15.00 Uhr die Erkelenzer Azubi-Messe statt – eine zentrale Gelegenheit für Jugendliche, mit Betrieben aus der Region in Kontakt zu treten und sich über Ausbildungsberufe zu informieren. Auch die Agentur für Arbeit Aachen-Düren wird mit einem Stand vertreten sein.

Im Rahmen der Aachener KI-Woche vom 19. bis zum 23. Mai 2025 lädt die Agentur für Arbeit Aachen-Düren am 20. Mai 2025 zu einer kostenfreien Veranstaltung mit dem Titel “Ausbildungsbewerbung auf Knopfdruck? Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz im Bewerbungsprozess” ein. Der Vortrag zeigt Ausbildungssuchenden einen Überblick über die Rolle von KI im Bewerbungsprozess auf. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Nähere Infos sind zu finden unter der Rubrik „Veranstaltungen“ auf der Homepage www.arbeitsagentur.de.

Fazit

Wie in den letzten Jahren bereits zu beobachten, hält die Tendenz an, dass der Ausbildungsmarkt ein Bewerbermarkt ist. Damit mehr junge Menschen den passenden Einstieg finden, braucht es gemeinsames Engagement von Unternehmen, Schulen, Eltern und öffentlichen Institutionen. Die Halbjahresbilanz zeigt: Die Chancen sind da – aber sie müssen auch genutzt werden.

Pressekonferenz zum Ausbildungsmarkt
v.l. Georg Stoffels (HWK); Günter Sevenich (Arbeitsagentur); Waltraud Gräfen (IHK); Dagmar Spiertz (Hesse); Stefan Leisten (Hesse); German Gonzalez-Arias (Arbeitskreis junger Handwerksunternehmer); Sandra Pohen (Hesse); Justus Leisten (Hesse)