Ausbildungsmarkt im Spannungsfeld – das rechnerische Gleichgewicht trügt

Mehr Ausbildungsstellen, weniger Bewerberinnen und Bewerber – hinter stabilen Jahreszahlen zeigt sich ein uneinheitliches Bild.

07.11.2025 | Presseinfo Nr. 46

Auf den ersten Blick wirkt die Bilanz des Ausbildungsjahres 2024/2025 im Agenturbezirk Aachen-Düren ausgeglichen: 6.580 Jugendliche meldeten sich ausbildungssuchend, 6.561 betriebliche Ausbildungsstellen wurden gemeldet. Rein rechnerisch ist das ein Gleichgewicht – doch die Zahlen trügen. Hinter der stabilen Gesamtbilanz werden deutliche Unterschiede zwischen Regionen und Berufsfeldern sichtbar.

In der Städteregion Aachen überwiegt die Zahl der Ausbildungssuchenden, in den Kreisen Düren und Heinsberg dagegen das Angebot der Betriebe. „Von einem Gleichgewicht zu sprechen, ist nur rechnerisch richtig“, erklärt Ulrich Käser, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Aachen-Düren. „Tatsächlich sehen wir ein Spannungsfeld – zwischen Regionen, Branchen und Erwartungen. Unser Ziel bleibt, Jugendliche und Betriebe bestmöglich zusammenzubringen.“

Mehr Ausbildungsstellen, weniger Ausbildungssuchende

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Ausbildungsstellen um 9,6 Prozent gestiegen, während die Zahl der Ausbildungssuchenden um 2,5 Prozent zurückging. Zum Bilanzstichtag sind 700 Jugendliche noch unversorgt, gleichzeitig sind 647 betriebliche Ausbildungsstellen unbesetzt. „Viele Unternehmen wollen ausbilden, finden aber nicht genug passende Jugendliche“, so Käser. „Gleichzeitig gibt es junge Menschen, die motiviert sind, aber an Berufswunsch, fehlenden Schlüsselkompetenzen oder Entfernung zur Wunschstelle scheitern.“

Vielfalt wirkt dem demografischen Wandel entgegen

Ohne den Zuwachs bei Bewerberinnen und Bewerbern mit ausländischer Staatsangehörigkeit wäre die Bilanz deutlich verhaltener ausgefallen. Während die Zahl der insgesamt gemeldeten Jugendlichen leicht sank, stieg der Anteil junger Menschen ohne deutschen Pass weiter an: 1.506 Ausbildungssuchende – rund jeder Vierte – hatten eine ausländische Staatsangehörigkeit, 142 mehr als im Vorjahr. Darunter waren 672 Geflüchtete (+24,4 %), von denen 193 bereits eine Ausbildung aufgenommen haben. „Viele dieser Jugendlichen bringen Motivation und Lernbereitschaft mit und nutzen die Ausbildung als Chance für einen Neuanfang“, betont Käser. „Ihr Engagement stärkt den regionalen Ausbildungsmarkt und zeigt, dass Vielfalt ein Gewinn für alle Seiten ist.“

Beliebte und unbesetzte Berufe

Kaufmännische, Gesundheits- und Kfz-Berufe stehen bei Jugendlichen weiter hoch im Kurs, während Betriebe vor allem im Einzelhandel und Verkauf ausbilden möchten. Trotz fast 1.000 zusätzlicher Verkaufsstellen bleibt das Interesse gering – hier und im Lebensmittelhandwerk bleiben die meisten Plätze unbesetzt. Zulegen konnten dagegen medizinische und IT-Berufe. Das Handwerk hält sein Niveau, kämpft jedoch weiter um Nachwuchs und gesellschaftliche Aufmerksamkeit. „Das Handwerk bleibt ein stabiler Ausbildungsmotor, braucht aber mehr Sichtbarkeit. Jede Ausbildung im Handwerk ist ein Beitrag zur Energiewende und damit zur Zukunft unseres Planeten“, so Georg Stoffels, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HWK) Aachen.

Extreme Gegensätze zwischen Branchen

Ein besonders großer Bewerberüberhang zeigt sich in den Berufen der Fahrzeugführung im Eisenbahnverkehr – hier kommen auf 100 betriebliche Ausbildungsstellen über 1.000 Bewerberinnen und Bewerber. Auch in der Immobilienwirtschaft ist das Verhältnis deutlich unausgewogen. Umgekehrt fehlen Interessierte in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen: In Physik-nahen Bereichen kommen auf 100 Ausbildungsstellen nur 9 Bewerberinnen und Bewerber, in IT-Berufen 12.

Betriebe bleiben engagiert

Die Ausbildungsbeteiligung der Betriebe ist leicht rückläufig, liegt aber weiterhin über dem Bundesdurchschnitt. Im Agenturbezirk bilden 21,1 Prozent der Betriebe aus (Bund: 18,7 %). Die Ausbildungsquote – der Anteil der Auszubildenden an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – liegt bei 5,4 Prozent (Bund: 4,6 Prozent). „Die Betriebe investieren weiterhin viel in Ausbildung – doch das Matching wird schwieriger“, sagt Ellen Lenders, Senior Expertin Bildungsberatung und -politik der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen. „Berufliche Aus- und Weiterbildung bleibt der wichtigste Baustein der Fachkräftesicherung. Entscheidend ist, Jugendliche mit praxisnaher und niederschwelliger Berufsorientierung frühzeitig zu erreichen und über die Chancen zu informieren: von der Einstiegsqualifizierung bis zum Bachelor Professional“.

Viele Auszubildende pendeln für ihre Lehrstelle

Nicht jede und jeder findet den passenden Ausbildungsplatz in der eigenen Wohngegend. Viele Jugendliche pendeln, weil sie vor Ort keinen geeigneten Betrieb oder keinen Ausbildungsplatz in ihrem Wunschberuf finden. Besonders stark ist dieser Trend im Kreis Düren, wo rund ein Drittel aller Auszubildenden (33,1 %) ihre Lehre außerhalb des eigenen Kreises begonnen haben. Im Kreis Heinsberg sind es 31 Prozent, in der Städteregion Aachen 13 Prozent.

Gleichzeitig ziehen die drei Regionen selbst zahlreiche Auszubildende von außerhalb an. Rund 18,5 Prozent der Azubis in der Städteregion Aachen, 22,9 Prozent im Kreis Düren und 21,1 Prozent im Kreis Heinsberg kommen von außerhalb. Häufig liegt dies daran, dass spezialisierte Betriebe – etwa in Industrie, IT oder Gesundheitswesen – in größeren Städten angesiedelt sind oder dort die Berufsschule liegt. Gerade Aachen mit seinen Technologie- und Dienstleistungsunternehmen, aber auch das Handwerk in Düren und Heinsberg, ziehen gezielt Nachwuchskräfte aus Nachbarkreisen an.

Ob hinein oder hinaus – die Bilanz zeigt: Mobilität ist ein fester Bestandteil des regionalen Ausbildungsmarkts. Sie sorgt dafür, dass Chancen genutzt, Stellen besetzt und Fachkräfte von morgen gefunden werden.

Fazit

 „Der Ausbildungsmarkt bleibt ein Balanceakt zwischen Chancen und Realität“, fasst Käser zusammen. „Die positive Entwicklung bei den gemeldeten Stellen zeigt, dass Unternehmen weiter auf Ausbildung setzen. Entscheidend wird sein, Jugendliche frühzeitig zu orientieren und vorhandene Chancen sichtbar zu machen.“

Kontakt und Beratung

Für Fragen und Anliegen rund um die Berufswahl steht die Berufsberatung online unter www.arbeitsagentur.de/vor-ort/aachen-dueren/bbve oder telefonisch unter folgenden Rufnummern zur Verfügung:

  • Stadt und Städteregion Aachen: 02404 900-222
  • Kreis Düren: 02421 124-222
  • Kreis Heinsberg: 02431 8099-500     

Arbeitgeber*innen können sich telefonisch unter 0800 4 5555 20 durch den gemeinsamen Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit und der Jobcenter beraten lassen.

Die Akteure der gemeinsamen Ausbilungsmarktpressekonferenz
v.l. Georg Stoffels - Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Aachen; Ellen Lenders – Senior Expertin Bildungsberatung/-politik der Industrie- und Handelskammer Aachen; Silke Gego – Vice President Global Human Relations der Dr. Babor GmbH & Co. KG; Ulrich Käser - Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Aachen-Düren.