Ein erstes gemeinsames Fazit von IHKn, HWK und Agentur für Arbeit Helmstedt lautet: Die regionalen Unternehmen setzen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten weiter auf Ausbildung. Es gab zwar weniger Ausbildungsstellen und mehr Ausbildungsinteressierte im Berufsberatungsjahr 2024/25, insgesamt waren es jedoch immer noch mehr Ausbildungsangebote als Bewerberinnen und Bewerber.
Im Bezirk der Agentur für Arbeit Helmstedt, zu dem auch Wolfsburg und Gifhorn gehören, meldeten sich vom 1. Oktober 2024 bis 30. September 2025 1.921 Bewerberinnen und Bewerber für einen Ausbildungsplatz bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit. Das sind 217 (bzw. 12,7 Prozent) mehr als im vorherigen Berufsberatungsjahr. 112 Bewerberinnen und Bewerber galten mit Stand 30.09. noch als unversorgt und damit 54 oder 93,1 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen war im Vergleich zum Vorjahr rückläufig. Ursächlich hierfür sind konjunkturelle Schwierigkeiten, die auch vor dem Ausbildungsmarkt nicht halt machen.
Insgesamt 2.150 Ausbildungsplätze wurden von ausbildenden Unternehmen und Institutionen bei der Arbeitsagentur und den angeschlossenen Jobcentern gemeldet, das waren 205 (8,7 Prozent) weniger als im letzten Beratungsjahr. 143 dieser Aus-bildungsplätze waren mit Stand 30.09. noch unbesetzt. Das waren 75 oder 34,4 Pro-zent weniger als im Vorjahresvergleich.
„In diesem Berufsberatungsjahr nahmen mehr junge Menschen unsere Unterstützung bei der Ausbildungssuche in Anspruch als im Vorjahr, gleichzeitig wurden uns weniger Ausbildungsplätze zur Besetzung gemeldet. Diese Entwicklung ist maßgeblich auf die derzeitige wirtschaftliche Schwäche und damit verbundene Unsicherheiten in den Betrieben zurückzuführen. Viele Unternehmen unserer Region befinden sich inmitten der Transformation ihrer Geschäftsmodelle und sind dadurch zum Teil enorm herausgefordert. Trotz des Rückgangs ist das Ausbildungsstellenniveau in unserer Region jedoch mit rund 2.100 Ausbildungsvakanzen weiterhin hoch. Rein rechnerisch kamen 92 Bewerber auf 100 Ausbildungsplätze,“ erläutert Ulf Steinmann, Leiter der Agentur für Arbeit Helmstedt und fährt fort: „Das zeigt, dass sich die Betriebe, vor dem Hintergrund des Fachkräftebedarfs und der spürbaren Fachkräftelücke, der wichtigen Rolle von Ausbildung weiterhin bewusst sind. Auch jetzt ist es übrigens noch nicht zu spät, dass junge Menschen und Betriebe zueinander finden. Über 140 Ausbildungsplätze gelten derzeit noch als unbesetzt. Oftmals ist auch noch ein späterer Start in die Berufsausbildung möglich. Wir unterstützen gemeinsam mit unseren starken Partnerinnen und Partnern die Nachvermittlung in die Ausbildung weiterhin bis in das neue Jahr hinein. Unsere Beraterinnen und Berater in den Jugendberufsagenturen, den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern sind derzeit mit allen im Gespräch, die unversorgt geblieben sind, um eventuell doch noch in die Ausbildung zu vermitteln oder einen alternativen Weg zu besprechen.“
Und wie schätzen die Kammern die Entwicklung am Ausbildungsmarkt ein?
Die Kammern liefern in der jeweiligen Zuständigkeit eine erste Einschätzung des Ausbildungsmarkts. Eine Übersicht über alle abgeschlossenen betrieblichen Ausbildungen steht erst Anfang 2026 zur Verfügung.
„Das Handwerk bleibt auch 2025 ein starker Partner in der Ausbildung. Das zeigt die bisherige Entwicklung auf dem Lehrstellenmarkt, der noch in Bewegung ist, sodass konkrete Zahlen zurzeit wenig aussagekräftig sind. Im Handwerk sind unverändert Ausbildungsplätze verfügbar und junge Menschen können bis weit in den Herbst eine Ausbildung beginnen, um sich damit eine sichere Basis für ihre Zukunft zu schaffen. Denn wir stellen fest, dass immer mehr Jugendliche nach der Schule direkt ins Berufsleben einsteigen wollen, um Geld zu verdienen. Damit steigt aber das Risiko langfristiger Arbeitslosigkeit. Eine Ausbildung im Handwerk bietet dagegen nicht nur eine attraktive Vergütung, sondern auch hervorragende Karrierechancen. Denn nach dem Gesellenabschluss stehen viele Wege offen, auch finanziell. Damit junge Menschen das Handwerk besser kennenlernen, setzen wir daher auf mehr Berufsorientierung und begrüßen die umfassende Überarbeitung des Erlasses zur Beruflichen Orientierung des Landes Niedersachsen - vor allem, dass die berufliche Orientierung an Gymnasien künftig deutlich gestärkt wird. Damit wird ein wichtiger Schritt getan, um allen Schülerinnen und Schülern, unabhängig von der Schulform, praxisnahe Einblicke in die vielfältigen Möglichkeiten einer beruflichen Ausbildung zu eröffnen“ sagt Claudia Meimbresse, Geschäftsbereichsleiterin Berufliche Bildung der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade.
Zum 30. Oktober 2025 verzeichnet die IHK Lüneburg-Wolfsburg im gesamten Bezirk 3.390 neue Ausbildungsverträge in IHK-Berufen, 6,1 Prozent weniger als zur gleichen Zeit des Vorjahres. In Wolfsburg sind es mit 634 Neuverträgen sogar 8,2 Prozent weniger. Im Landkreis Gifhorn weist die IHKLW-Statistik Ende Oktober 300 neue Ausbildungsverträge aus. Das sind 21,7 Prozent weniger als 2024.
„Dieses Ergebnis ist insbesondere durch die Strukturkrise der Automobilindustrie geprägt“, sagt Sönke Feldhusen, Ausbildungsexperte und IHKLW-Bereichsleiter Menschen bilden: „Viele Zulieferbetriebe sind in einem wirtschaftlich schwierigen Fahrwasser und befinden sich ebenso wie VW in einem fordernden Anpassungsprozess an sich ändernde Marktgegebenheiten. Neben dem faktischen Wegfall von Ausbildungsplätzen ist in dieser Situation auch die Besetzung der weiterhin bestehenden Ausbildungsplätze in den Transformationsbranchen schwierig. Denn Fachkräftemangel bleibt für viele regionale Ausbildungsbetriebe weiterhin ein Problem. Und die wirtschaftliche Sicherheit der Branche ist ein wichtiges Auswahlkriterium bei der Ausbildungsplatzsuche. 44 Prozent der Betriebe gelingt es laut den Ergebnissen der Ausbildungsumfrage 2025 nicht mehr, alle Ausbildungsplätze zu besetzen. Besondere Probleme haben aktuell z.B. insbesondere der Handel aber auch einige Sparten der Dienstleistungswirtschaft.“
Aus Sicht der IHKLW sei es angesichts der schwierigen Anpassungsprozesse in vielen Unternehmen wichtig, dass die Politik einen verlässlichen Planungs- und Handlungsrahmen schaffe. „Eine steuerliche Entlastung des Mittelstandes und wettbewerbsfähige Energiekosten sind dafür ebenso wichtig wie das Schaffen von Freiräumen durch den Abbau unnötiger Bürokratie, die Beschleunigung und Digitalisierung von Genehmigungsverfahren sowie ein klarer Rahmen für die Klima- und Energiepolitik der nächsten Jahre,“ so Feldhusen weiter.
Insgesamt werde, laut IHKLW, der Fachkräftemangel den Berufseinsteigern auch in den nächsten Jahren weiter in die Karten spielen. Ausbildungsunternehmen konkurrieren deshalb mit attraktiven Angeboten um talentierte junge Menschen. „Die aktuelle Standortschwäche in der Industrie betrifft unsere Region, als wichtiger Standort der Automobilwirtschaft, natürlich besonders. Die Chancen in der Ausbildung sind allerdings dennoch weiterhin hoch. Denn der sich zunehmend auftuenden Fachkräftelücke sind sich die Unternehmen bewusst. Und sie wissen, dass sie vor allem beruflich qualifizierte Fachkräfte betreffen wird. Wer sich für eine duale Ausbildung entscheidet, hat entsprechend weiterhin gute Karrierechancen. Wer dicht an der Praxis lernen will, findet in den rund 300 dualen Ausbildungsberufen in Industrie, Handel, Dienstleistungen, Pflege und Handwerke viele Möglichkeiten”, sagt Sönke Feldhusen: “Und danach ist alles offen: ob klassisches oder duales Studium oder auch das Erreichen von Bachelor- oder Masterniveau über berufsbegleitende IHK-Fortbildungen. Die Karriereoptionen sind zeitlich und inhaltlich unbegrenzt. Eine Ausbildung ist somit eine hervorragende Grundlage für weitere Schritte auf der Karriereleiter.“
Aus Sicht der IHK Braunschweig wird die duale Ausbildung in Deutschland zudem weltweit bewundert und hat großen Vorbildcharakter. Die Herausforderungen für Ausbildungsbetriebe seien dennoch groß und vielfältiger denn je. Laut der DIHK-Ausbildungsumfrage plante zwar knapp über die Hälfte der Ausbildungsunternehmen 2025 gleich viele Ausbildungsplätze anzubieten wie in 2024, jedoch tragen auch wirtschaftliche und personelle Herausforderungen zu einer Unsicherheit bei.
„Dennoch sind viele Unternehmen nach wie vor vom System der dualen Berufsausbildung überzeugt“, sagt Dr. Kirsten van Elten, Abteilungsleiterin Beruf & Bildung und stellv. Hauptgeschäftsführerin der IHK Braunschweig.
Schwierig sei es, dass viele junge Menschen oftmals wenig über die Vorteile einer dualen Ausbildung wissen und bei der Vielzahl an Möglichkeiten durchaus der Überblick verloren gehen kann.
„Deshalb ist es auch unser Auftrag, Karriereperspektiven, Chancen und Vorteile der Beruflichen Bildung sichtbar zu machen. Die bundesweite Ausbildungskampagne jetzt #könnenlernen tut dies zielgruppengerecht und erreicht so viele Jugendliche. Auch die Plattform ´Meine Ausbildung in Niedersachsen´ hat gute Angebote im Bereich der Berufsorientierung und gibt einen Überblick bei dem doch vielfältigen Ausbildungsangebot. Besonders die neue Plattform für Ausbildungsplätze der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern ist ein weiterer Meilenstein in der Fachkräftesicherung und erhöht die Karrierechancen junger Menschen. Das Angebot ist niedrigschwellig und für Jugendliche gut zu erreichen, da die Website mit wenigen Klicks die Ausbildungsplatzangebote unserer Region zusammenfasst,“ berichtet van Elten. „Berufe praktisch zu erfahren, ist bei allen Informationsmöglichkeiten eine nicht zu vernachlässigende Größe“, so van Elten weiter. „Im Rahmen von Praktika können erste Erfahrungen gesammelt werden, Schülerinnen und Schüler können sich ausprobieren und so noch besser herausfinden in welche Richtung es für sie nach der Schule gehen soll.“ Viele Unternehmen setzten bereits auf Praktika und fänden auf diesem Wege auch spätere Auszubildende. „Die Herausforderungen der Ausbildungsunternehmen zeigen sich auch in den Schwankungen der Ausbildungsvertragszahlen“, sagt die stellv. Hauptgeschäftsführerin. Insgesamt wurden bei der IHK Braunschweig bis zum 30. September 2.270 Ausbildungsverträge eingetragen – 3,7 Prozent weniger als im Vorjahr. Im Landkreis Helmstedt sank die Zahl der eingetragenen Ausbildungsverhältnisse um 21 Prozent auf 105 neu eingetragene Ausbildungsverträge.
Ein Überblick über die bisher verfügbaren Zahlen der Region:
| Agenturbezirk Helmstedt | Landkreis Helmstedt | Landkreis Gifhorn | Stadt Wolfsburg | |
|---|---|---|---|---|
| Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen | 2.150 (-205) | 371 (+8) | 733 (-45) | 1.046 (-168) |
| Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen | 143 (-75) | 25 (-15) | 92 (-31) | 26 (-29) |
| Zahl der gemeldeten Ausbildungsbewerber | 1.921 (+217) | 453 (-14) | 797 (+111) | 671 (+120) |
| Zahl der unversorgten Ausbildungsbewerber | 112 (+54) | 29 (+12) | 45 (+20) | 38 (+22) |
| Abgeschlossene Ausbildungsverträge der zuständigen IHK | 1.039 (-168) | 105 (-28) | 300 (-83) | 634 (-57) |
| Abgeschlossene Ausbildungsverträge in der Zuständigkeit der HWK | Veröffentlichung der Zahlen erst Anfang 2026 | |||