Im Spätsommer 2024 startete Marie Erlenkämper aus Herford in eine Tätigkeit bei der Lebenshilfe Minden. Vermittelt wurde sie durch die Arbeitsagentur. Die gelernte Fachpraktikerin Hauswirtschaft zeigt, dass auch Menschen mit Handicap einen wertvollen Beitrag in der Arbeitswelt leisten können.
Nach Abschluss ihrer Ausbildung war Marie Erlenkämper auf Jobsuche. Miriam Böckstiegel, Spezialistin für Berufliche Rehabilitation und Teilhabe der Arbeitsagentur Herford, wurde aktiv und konnte ein Vorstellungsgespräch bei der Lebenshilfe Minden vermitteln. „Ich habe dann drei Wochen Praktikum gemacht, und konnte dann hier anfangen“, erzählt sie. Das war aber nur aufgrund der Offenheit der 22-Jährigen möglich. Denn: Marie Erlenkämper hat eine Lernschwäche.
Efkan Ateş, Bereichsleiter bei der Lebenshilfe Minden, erinnert sich noch gut an das Vorstellungsgespräch und die entscheidende Offenheit der jungen Frau: „Da unsere Stellen vom LWL gefördert werden, ist es erforderlich, dass unsere Angestellten mit Handicap auch offiziell ihren Grad der Behinderung feststellen lassen. Sonst ist die Förderung nicht möglich, auf die wir aufgrund der geringeren Vergütung durch unsere Unternehmens-Kunden angewiesen sind. Viele Menschen schrecken aber aus Sorge vor Stigmatisierung vor genau diesem Schritt – der Anerkennung der Behinderung – zurück, da er die Einschränkung sozusagen offiziell macht. Aber Frau Erlenkämper war da mutig und offen und ist diesen Schritt gegangen.“
Zu Offenheit rät die Herforderin auch anderen gehandicapten Menschen: „Mir fällt es schwerer als anderen Menschen, neue Aufgaben zu verstehen oder mir Dinge zu merken. Ich kann mir dabei aber helfen, zum Beispiel wenn ich einen Notizblock habe und mir Sachen aufschreiben darf. Manchmal frage ich auch, ob ich Fotos machen darf, um sie mir später noch einmal anzusehen. Einmal habe ich zum Beispiel einen Tisch eingedeckt. Damit ich beim nächsten Mal noch weiß, was wo liegen musste, habe ich mir vom eingedeckten Tisch dann ein Foto gemacht.“
Dieser offene Umgang mit den Schwierigkeiten und Herausforderungen ihrer Einschränkung öffnet viele Türen und räumt mit Vorurteilen auf. Denn Miriam Böckstiegel weiß: „Viele Arbeitgeber denken bei dem Wort „Behinderung“ an den typischen Rollstuhlfahrer und machen sich dann um das nicht barrierefreie WC Gedanken. Wenn sie aber mit einem Menschen wie Marie Erlenkämper sprechen würden, wüssten sie, dass ein barrierefreies WC für sie gar nicht notwendig ist. Das Wichtigste ist immer: Sprechen und herausfinden, was die Person wirklich braucht.“ Nicht zuletzt wüssten viele Arbeitgeber auch nicht, welche Kenntnisse Menschen mit einer Fachpraktiker-Ausbildung mitbringen – dabei sei es nur eine theoriereduzierte Ausbildung, die aber alle praktischen Kenntnisse vermittelt.
Marie Erlenkämper arbeitet jetzt seit einem halben Jahr in der Küche des Herz- und Diabeteszentrums Bad Oeynhausen. Dort bereitet sie die Essenswagen vor und bestückt diese mit den Essens-Tabletts und reinigt diese nach der Mittagszeit auch wieder. Die Arbeit dort macht ihr Spaß, die Kolleginnen und Kollegen haben sie gut in das Team integriert. Angestellt bleibt sie bei der Lebenshilfe Minden, die auch regelmäßig nach Bad Oeynhausen fährt, um bei Anliegen zu unterstützen.
Durch die lange Zusammenarbeit mit dem Herz- und Diabeteszentrum hat sich der Alltag mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Lebenshilfe dort gut eingespielt. Das ist leider nicht bei allen Unternehmen so, weshalb die Lebenshilfe immer sehr genau darauf achtet, dass die eigenen Beschäftigten einen respektvollen Umgang erfahren. Nicht zuletzt auch, weil sie einen wertvollen Beitrag leisten: „In Zeiten des Fachkräftemangels können unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leichtere Aufgaben übernehmen, damit das Fachpersonal wieder Zeit für die eigentlichen Fachkrafttätigkeiten hat“, so Robert Pavlista, ebenfalls Bereichsleiter bei der Lebenshilfe Minden.
Der Lebenshilfe sei es ein Anliegen, mit Vorurteilen über Menschen mit Behinderung aufzuräumen, so Geschäftsführer Jochen Rogmann. Dies versuchen sie täglich mit ihren rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – rund 30 davon mit Handicap. Dennoch erkennt er auch die Herausforderungen der Betriebe: „Die Bürokratie ist natürlich immer ein Thema. Aber zusätzlich müssen Arbeitgeber gegebenenfalls ihre Personalplanung etwas umstrukturieren, denn Arbeitsplätze haben heutzutage oft umfangreiche Anforderungen. Es muss also ein neuer Arbeitsbereich definiert werden, Aufgaben neu verteilt werden. Das ist Aufwand, dem ein Unternehmen sich vorab stellen muss.“ Dennoch betont er, dass es sich lohnt, denn: „Wenn das erfolgt ist, dann kommen wir mit unseren Mitarbeitern und können diesen Bedarf füllen. Und dadurch hat dann Fachpersonal mehr Zeit für komplexe Tätigkeiten.“
In ihrer täglichen Arbeit reichen sich Lebenshilfe und Agentur für Arbeit die Hand. „Unser Rekrutierungsprozess läuft hier ja auch etwas anders ab, als bei anderen Unternehmen. Dennoch ist die Zusammenarbeit immer unkompliziert und trägt Früchte. Sowas bringt dann weiter.“
Betrieben, die weitere Beratung oder Unterstützung zur Einstellung von Menschen mit Behinderung benötigen, steht Miriam Böckstiegel natürlich ebenfalls gerne zur Verfügung: Unter 05221 985 264 oder Herford.161-Reha@arbeitsagentur.de ist sie direkte Ansprechpartnerin für Fragen. Menschen und Unternehmen, die interessiert sind, für beziehungsweise mit der Lebenshilfe Minden zu arbeiten, können sich unter arbeit@lebenshilfe-minden.de oder 0571 97405025 melden.