Sprungbrett: Hotel- und Gastronomiebranche

Die Hotel- und Gaststättenbranche hat durch die Corona Pandemie stark gelitten. Viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben die in Corona Zeiten unsichere Branche für immer verlassen. Jetzt, wo sich Baden-Württemberg wieder öffnet, das Wetter besser wird und die Branche durchstarten könnte, fehlen diese Kräfte immens.

26.04.2022 | Presseinfo Nr. 10

In Baden-Württemberg haben sich mehr als die Hälfte, die durch die Corona Pandemie arbeitslos geworden sind und im Bereich Hotel und Gaststätten (HoGa) zuvor beschäftigt waren, neu orientiert und sind in eine andere Branche gewechselt. Die Branche steht nun vor der riesigen Herausforderung, Personal zu finden. 

Die richtige Einstellung
Das Hotel- und Gaststättengewerbe fordert für die Einstiegspositionen in der Regel wenig spezifische Anforderungen und kann sich somit an viele Bewerbergruppen wenden. So kann für jemanden, der eine Tätigkeit zu Randzeiten sucht, z.B. ausschließlich früh morgens oder nachts, diese Branche genau das Passende sein. Oder jemand, der noch besser Deutsch lernen möchte, kann von der Küche bis hin zur Haustechnik eine neue Aufgabe finden. In der HoGa ist das wichtigste Einstellungskriterium der richtige Service- und Teamgedanke.

Christian Rauch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit (BA), sieht genau in diesem Anforderungsprofil die Chance der Hotel- und Gaststättenbranche: „Viele Menschen, die keinen aalglatten Lebenslauf vorzuweisen haben, möchten gern in einem ansprechenden Umfeld arbeiten und Teil eines Teams sein. An der richtigen Motivation scheitert es eher selten. Wenn bei einer Einstellung dann Qualifikationsbedarf erkannt wird, sind wir als Bundesagentur für Arbeit gern behilflich. Ein Eingliederungszuschuss für den Arbeitgeber sowie eine Teilzeitqualifikation können mögliche Unterstützungsinstrumente sein, um die beiden wichtigsten zu nennen.“ 

So nutzte beispielsweise die Arbeitsagentur Heilbronn die Zeit der Kurzarbeit, um speziell die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HoGa-Branche in Teilzeit weiter zu qualifizieren. Rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten bereits an dem Projekt teilnehmen. Dieser Erfolg ist natürlich nur mit der Unterstützung der HoGa-Betriebe möglich.   
 
Die Ausbildung kann in eine Sternen-prämierte Küche sowie in das ferne Ausland führen
Die Branche hat bereits während der Corona-Pandemie gezeigt, dass sie bei Problemen nicht auf Dritte wartet, sondern hat sich stets schnell und effizient den neusten Verordnungen angepasst. Dieses unermüdliche Engagement ist auch in Bezug auf die Gewinnung von Personal deutlich zu spüren. So hat sich beispielsweise im Agenturbezirk Waiblingen ein Arbeitskreis aus HoGa-Betrieben, einer berufsbildenden Schule, IHK sowie die Berufsberatung der ortsansässigen Agentur gebildet. Das Ziel dieses Arbeitskreises ist nicht nur die Gewinnung junger Menschen für diese abwechslungsreiche Branche, sondern auch das Vermeiden der Ausbildungsabbrüche.

Wir haben NACHGEFRAGT bei Manuela Weinschenk-Pirke und Rita Richter, Initiatoren des Arbeitskreises und Lehrerinnen an der Maria-Merian-Schule in Waiblingen: Was macht die HoGa-Branche mit ihren Eigenschaften als Start ins Berufsleben so wertvoll?
„Die Branche bietet sieben Berufsbilder inklusiver zahlreicher Berufsfelder, dadurch ermöglicht sie vielfältige spätere Einsatzmöglichkeiten: Eine internationale Karriere ist genauso denkbar wie eine Weiterbildung im Bereich Wein oder Betriebswirtschaft, um nur zwei zu nennen. Das macht die Branche sehr abwechslungsreich, da kommt wenig Routine auf.“ 

Frau Ute Aigner, Berufsberaterin der Arbeitsagentur Waiblingen, ergänzt:
„Die HoGa-Branche ist unheimlich facettenreich und Kreativität ist gefragt. Wenn mir auffällt, dass eine Kundin oder ein Kunde gern mit Menschen und zugleich mit Lebensmitteln arbeiten möchte und die Kommunikation und Interaktion sucht, stelle ich die Branche mit all ihren Aspekten vor und ermutige zu einem Praktikum. Gerade für Jüngere, die noch unsicher sind, wo es beruflich hingehen könnte, ist die HoGa-Branche eine sehr gute Option. Die Einstiegshürden sind gering und die späteren Möglichkeiten sehr groß.“
   
Was tun Sie zur Prävention von Ausbildungsabbrüchen, Frau Weinschenk-Pirke und Frau Richter?
„Hier ist der aktive und enge Kontakt zu den Ausbildungsbetrieben entscheidend, den wir auch mit Hilfe des Arbeitskreises pflegen. Falls ein Abbruch droht, können wir der/ dem Auszubildenden z.B. einen neuen Betrieb vermitteln oder, dank der guten Zusammenarbeit mit der IHK, das Ausbildungsverhältnis z.B. vom Ausbildungsziel Köchin/ Koch (dreijährig) zur Fachkraft Küche (zweijährig) abändern.“

Frau Aigner, welche Präventionsmöglichkeiten hat die BA?
„Wir haben eine konkrete Fördermöglichkeit durch die assistierte Ausbildung (AsA). Dieses Instrument kann jederzeit, auch noch acht Wochen vor der Abschlussprüfung, in Anspruch genommen werden. Die AsA gewährleistet Nachhilfe individuell auf den Betroffenen zugeschnitten. Wir benötigen lediglich einen Hinweis des Auszubildenden oder der Eltern. Auch hier ist der Arbeitskreis sehr nützlich, denn die Maria-Merian-Schule lädt uns regelmäßig ein, um das Instrument AsA den Schülern vorzustellen.“

Die Branche sucht aber nicht ausschließlich Auszubildenden, sondern auch Fachkräfte. 

Wir haben NACHGEFARAGT bei Nicolai Wiedmer von der Wio-Hotelgroup aus dem Agenturbezirk Lörrach. Die Wio-Group umfasst sechs Betriebe – vom Michelin-Sterne-Restaurant bis zur Eisdiele – und beschäftigt ca. 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Herr Wiedmer, was haben Sie bereits versucht, um auf sich als Arbeitgeber aufmerksam zu machen?
„Neben der Zusammenarbeit mit der BA annoncieren wir unsere freien Stellen auch auf der HoGa-üblichen Seite Hotelcareer.de. Zudem beteiligen wir uns an den Messen in der Region, wo wir gern die Branche erlebbar machen, indem wir z.B. live einen Tisch gemeinsam mit den Interessierten eindecken oder etwas Kleines in der Küche herstellen. Darüber hinaus haben wir eine Kooperation mit der Berufsakademie Lörrach, in der wir betriebliche Ausbildungsstätte für duale Studenten sind. Betriebspraktika sind bei uns jederzeit möglich. Im Ausland haben wir uns auch umgeschaut. Seit 2021 sind neun Frauen und Männer aus Marokko bei uns beschäftigt.“

Herr Wiedmer, was tun Sie für eine gute Mitarbeiterbindung und für ein langfristiges Arbeitsverhältnis?
„Wir stellen zwölf eigene Mitarbeiterzimmer zur Verfügung und sind auch sonst, nicht nur bei der Suche nach einer Wohnung, behilflich. Wir pflegen hier einen sehr familiären Umgang und achten aufeinander. Selbst nach langen Arbeitstagen setzten wir uns zusammen und trinken noch etwas oder gehen sogar feiern. Dieses Teamgefühl gibt es so, denke ich, in keiner anderen Branche. 
Zudem organisieren wir in der Regel zwei Mitarbeiterfeiern im Jahr und Ausflüge, wie z.B. zu ortsansässigen Weingütern. Wir haben einen Fitnessraum für unsere Mitarbeitenden, und den Gästepool dürfen sie zu bestimmten Zeiten auch nutzen. Zusätzlich unterstützen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ihren Entwicklungspfaden. Nicht nur in anderen Bereichen oder weiteren Wio-Betrieben kann die Mitarbeiterin/ der Mitarbeiter neue Erfahrungen sammeln, sondern auch eine Weiterbildung z.B. zur Sommelière/ zum Sommelier oder als Ausbilderin/ Ausbilder unterstützen wir.“

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