Gemeinsame Bilanz am NRW-Arbeitsmarkt Keine Entwarnung am Arbeitsmarkt in Sicht: Umbrüche stellen Partner 2026 vor große Herausforderungen

Der Arbeitsmarkt in NRW steht zum Jahreswechsel 2025 auf 2026 weiter unter Druck. Zwar blieb im zurückliegenden Jahr die Gesamtzahl der Beschäftigten stabil und nach einem Spitzenwert im August ging zuletzt die Zahl der Arbeitslosen wieder zurück. Doch der genaue Blick verrät: Insbesondere in der Industrie und anderen verarbeitenden Branchen sank die Zahl der Stellen und damit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich. Weiterhin werden Monat für Monat zu wenig neue Stellen geschaffen, um eine Trendwende am Arbeitsmarkt einzuleiten.

Heute diskutierten in einer gemeinsamen Pressekonferenz die Bundesagentur für Arbeit, DGB NRW und unternehmer nrw die Entwicklungen am Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen 2025 sowie die Herausforderungen für 2026.

18.12.2025 | Presseinfo Nr. 26

Der negative Höhepunkt am Arbeitsmarkt war im August erreicht: Die Grenze von 800.000 arbeitslos gemeldeten Menschen wurde erstmals seit 2010 wieder überschritten. Im Jahresdurchschnitt lag die Arbeitslosigkeit bei 7,8 Prozent und damit auf dem höchsten Wert seit 2015. Wenig positive Botschaften bot auch Stellenmarkt: Von Dezember 2024 bis Ende November 2025 wurden nur etwas mehr als 278.000 Arbeitsstellen gemeldet. Das waren rund 212.000 Stellen weniger als etwa im konjunkturellen Boomjahr 2018. Das Missverhältnis verdeutlichen auch folgende Zahlen: 2025 legte die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen um 4,8 Prozent zu, gleichzeitig sank die Zahl der gemeldeten Stellen um 4,5 Prozent.

Es gibt noch eine weitere große Herausforderung am Arbeitsmarkt: die der Fachkräftesicherung. Unter den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fällt es Unternehmen nicht leicht, zukunftsorientiert in die technische Modernisierung durch Automatisierung, Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz sowie ausreichend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren. Das verstärkt den Druck auf Wirtschaft und Unternehmen zusätzlich. Wichtige Themen sind dabei Weiterbildung, die Potenziale arbeitsloser Menschen sowie die Ausbildung des Nachwuchses.

Roland Schüßler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit:

„NRW steht vor einer doppelten Herausforderung: Seit nun schon drei Jahren dauert eine konjunkturelle Krise an, die nicht nur viele Arbeitsplätze gefährdet, sondern aktuell dazu führt, dass arbeitslose Menschen aufgrund fehlender Angebote den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt nur schwer schaffen. Die Konsequenz ist, dass wir in diesem Jahr mit 7,8 Prozent Arbeitslosigkeit die höchste Quote seit 2015 haben.

Auf der anderen Seite bewegen wir uns auf eine Transformations- oder Erneuerungskrise zu. Trotz der schwierigen Lage am Arbeitsmarkt sehen wir in derzeit 45 Berufen deutliche Fachkräfteengpässe, in weiteren stehen wir kurz davor. Das gefährdet nicht nur den geschäftlichen Erfolg betroffener Unternehmen erheblich, sondern mittelfristig auch Arbeitsplätze. Auf der einen Seite fehlen also die Arbeitsangebote, auf der anderen die Mitarbeitenden.

Die Aufgabe für das kommende Jahr 2026 ist es, hier den Ausgleich in Gang zu bringen. Die Arbeitsagenturen können neben Beratung die Förderung von Qualifizierungen beisteuern. Zudem können sie Menschen unterstützen, gar nicht erst arbeitslos zu werden, sondern zum Beispiel in Unternehmen mit Engpassberufe zu wechseln. Möglich ist auch die Initiierung und Beteiligung an Kooperationsmodellen wie etwa Jugendberufsagenturen. Und eine Verbesserung des Datenaustausches wäre zudem sehr hilfreich.

Solche Vorschläge sind nicht so einfach umzusetzen, und vor allem nicht alleine. Was wir dafür brauchen ist eine enge Kooperation zwischen Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften sowie Arbeitsagenturen und Jobcentern. Ich bin davon überzeugt, dass eine zwar eingespielte, mit der Zeit aber in die Jahre kommende Arbeitsmarktpolitik nicht die alleinige Antwort auf die komplexe Situation sein kann. In einer gemeinsamen Anstrengung aller Arbeitsmarkt-Partner können wir die Trendwende hinbekommen.“

Arndt G. Kirchhoff, Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen e.V. (unternehmer nrw):

„Der Arbeitsmarkt hat lange der strukturellen Wirtschaftskrise getrotzt. Auch deshalb, weil die Betriebe um die große Bedeutung der Arbeits- und Fachkräftesicherung wissen und ihre Stammbelegschaften so lange wie möglich halten wollen. Doch die anhaltend schwierige Wirtschaftslage geht mittlerweile bei vielen Betrieben massiv an die Substanz und schlägt sich damit auch zwangsläufig am Arbeitsmarkt nieder. Ein drittes Jahr ohne Wachstum, in manchen Branchen erhebliche Produktionseinbrüche, dazu rekordverdächtige Insolvenzzahlen – es kann nicht überraschen, dass dies nicht spurlos am Arbeitsmarkt vorübergeht. Allein in der Metall- und Elektroindustrie gehen aktuell in Nordrhein-Westfalen jeden Monat rund 2.100 Arbeitsplätze verloren.

Gerade die Entwicklung des Arbeitsmarktes zeigt deutlich, warum nun tiefgreifende Strukturreformen in vielen Bereichen kommen müssen, um unseren Wirtschaftsstandort wieder international wettbewerbsfähig zu machen. Die Zeit dafür drängt. Denn nur mit einem konkurrenzfähigen Standort haben wir eine starke Wirtschaft als Voraussetzung für einen stabilen Arbeitsmarkt. Viel mehr passieren muss jetzt insbesondere bei den Sozialversicherungen. Die steigenden Lohnzusatzkosten machen Arbeit hierzulande schlicht noch teurer und Arbeitsplätze damit immer weniger wettbewerbsfähig. Deshalb müssen nun echte Reformen dafür sorgen, dass der Anstieg der Sozialbeiträge zunächst gestoppt und sie dann wieder auf 40 Prozent begrenzt werden. Konkrete Schritte hin zu diesem Ziel wären ein starkes Signal, das der Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen so dringend braucht."

Thorben Albrecht, Vorsitzende Deutscher Gewerkschaftsbund NRW:

„Die größte Herausforderung für den NRW-Arbeitsmarkt ist sicherlich die schwierige Lage unserer Industrie. Wir müssen alle an einem Strang ziehen, um den Abbau von Industriearbeitsplätzen zu stoppen und den Übergang in ein grünes Zeitalter zu gestalten. Dazu brauchen wir eine Politik, die entschlossen die notwendigen Rahmenbedingungen schafft und für bezahlbare Energiepreise, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und deutlich mehr Investitionen in unsere Infrastruktur sorgt. Tarifbindung muss dringend gestärkt werden, denn sie ist Voraussetzung für gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne. Daher ist das letzte Woche vorgelegte Tarifentgeltsicherungsgesetz für NRW ein absolut richtiger Schritt.

Gerade jetzt brauchen wir Arbeitgeber, die ihre Verantwortung annehmen, mutig in die Zukunft investieren und auf eine starke Sozialpartnerschaft setzen. Gegen den Fachkräftemangel hilft am besten eine größere Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen.  Derzeit bildet nur jedes fünfte Unternehmen in NRW aus, die Zahl der angebotenen Stellen ist in diesem Jahr weiter gesunken. Das können wir uns schlicht nicht leisten.

Was absolut nicht hilft, sind Attacken auf unseren Sozialstaat, auf die Mitbestimmung oder Arbeitnehmerrechte, wie den 8-Stunden-Tag. Dadurch wird kein einziger Arbeitsplatz erhalten oder geschaffen, aber das gesellschaftliche Klima weiter vergiftet. Gerade in unsicheren Zeiten brauchen die Menschen Verlässlichkeit und soziale Sicherheit.“

Weitere Informationen:

Weitere Zahlen, Daten und Fakten zum NRW-Arbeitsmarkt lesen Sie hier.

Zahlen und Daten zum Arbeitsmarkt in NRW 2025 finden Sie zudem in den interaktiven Statistiken der Bundesagentur für Arbeit: Interaktive Statistiken.

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