„Die schwierige konjunkturelle Lage macht sich inzwischen auch am Ausbildungsmarkt bemerkbar. Die Lücke zwischen der Zahl an Bewerberinnen und Bewerbern und der Zahl an Ausbildungsstellen – also den beiden Marktseiten – ist in unserem Agenturbezirk das zweite Jahr in Folge kleiner geworden. Positiv ist, dass sich viele Unternehmen weiterhin aktiv für ihren Fachkräftenachwuchs einsetzen und dies als wertvolle Investition in die Zukunft betrachten“, fasst Gunnar Schwab, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Stuttgart, zusammen.
Erfreulich sei zudem, dass es in den Entlassklassen kaum mehr Schülerinnen und Schüler gebe, die keine Praktika vorweisen können. Beigetragen habe dazu auch die mittlerweile gut etablierte Initiative „Praktikumswochen Baden-Württemberg“, betont Schwab: „Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir ein praxisnahes Format entwickelt, das unkompliziert online genutzt werden kann. So unterstützen wir Jugendliche bei ihrer beruflichen Orientierung und erleichtern das so wichtige Matching zwischen jungen Talenten und Betrieben.“
Die Vermittlungsplattform der Praktikumswochen Baden-Württemberg hilft landesweit jungen Menschen ab der achten Klasse bei der Suche nach Tagespraktika in verschiedenen Branchen. Die Teilnahme steht auch Jugendlichen offen, die nicht mehr die Schule besuchen. Die Praktika sind ein unkomplizierter Weg, um erste berufliche Kontakte zu knüpfen und daran längere Praktika sowie Ausbildungsverhältnisse anzuschließen.
Schwab weist auf die zunehmenden Herausforderungen auf dem Ausbildungsmarkt hin: „Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt, während gleichzeitig immer weniger junge Menschen eine Ausbildung aufnehmen oder erfolgreich abschließen. Diese Entwicklung gefährdet die langfristige Sicherung von Fachkräften, da zu wenig Nachwuchs in qualifizierte Beschäftigung nachrückt. Sie trägt zudem zu steigender Jugendarbeitslosigkeit bei und ist vor dem Hintergrund der alternden Erwerbsbevölkerung besonders kritisch. Positiv ist jedoch, dass die Übernahme-quote auf einem hohen Niveau liegt und die Betriebe ihren Fachkräftenachwuchs langfristig an sich binden.“
„Betriebe sollten sich noch stärker öffnen und Jugendliche gezielt unterstützen, während junge Menschen frühzeitig praktische Erfahrungen sammeln sollten – intensiv begleitet von unserer Berufsberatung“, appelliert Schwab.
Im Berufsberatungsjahr 2024/25 lag die Zahl der Ausbildungsstellen im Bezirk der Agentur für Arbeit bei 5.474 (Landeshauptstadt Stuttgart: 3.027; Landkreis Böblingen: 2.447) und damit um 243 niedriger als 2023/24. Insgesamt 4.815 Bewerberinnen und Bewerber (LHS: 2.520; Landkreis: 2.295) hatten sich für eine Ausbildungsvermittlung registrieren lassen – 203 mehr als im Vorjahreszeitraum.
„In unserem Agenturbezirk sprechen wir weiter von einem sogenannten Bewerbermarkt, d.h. wir haben rechnerisch immer noch mehr Ausbildungsstellen als Bewerberinnen und Bewerber“, stellt Schwab fest. In der Landeshauptstadt Stuttgart ist diese Situation mit 88 Bewerbern pro 100 Stellen ausgeprägter als im Landkreis Böblingen, wo auf 100 Ausbildungsplätze 95 Bewerberinnen und Bewerber kommen. Allerdings gleiche sich dies weitgehend aus, da viele aus dem Landkreis Böblingen für ihre Ausbildung nach Stuttgart pendelten.
Erfolgreiche Ausbildungsaufnahmen
Bis Ende September 2025 haben insgesamt 1.879 Personen (LHS: 914; Landkreis: 965) eine Berufsausbildung begonnen. Das sind 80 weniger sind als im Vorjahr (LHS: minus 71; Landkreis: minus 9). Diese Zahl umfasst sowohl Ausbildungsaufnahmen, die bis zu einem Jahr vor dem Beginn vertraglich abgeschlossen wurden, als auch kurzfristig abgeschlossene Verträge am Ende der Sommerferien. Auch im Oktober gab es zahlreiche Ausbildungsaufnahmen, deutlich mehr als in den gleichen Monaten der Vorjahre. „Auch nach den Hauptmonaten August und September besteht die Möglichkeit, eine Ausbildung zu beginnen – unser dahingehender Appell zeigt Wirkung. Das verdeutlicht auch die überaus erfolgreiche Nach-vermittlungsaktion, die wir gemeinsam mit HWK und IHK Region Stuttgart in der Agentur für Arbeit Stuttgart durchgeführt haben und von der sowohl Jugendliche als auch Unternehmen profitiert haben“, sagt Schwab. Die ab Oktober getätigten Vertragsabschlüsse sind allerdings nicht mehr in die aktuelle Bilanz eingeflossen, sondern werden erst im nun gestarteten Berufsberatungsjahr 2025/2026 berücksichtigt.
Die unterschiedlichen Wege zu erfolgreich abgeschlossenen Ausbildungsverträgen wurden von den Berufsberaterinnen und -beratern der Agentur für Arbeit Stuttgart auf vielfältige Art und Weise unterstützt. So gab es neben regelmäßiger Beratung und zahlreichen Orientierungsangeboten an Schulen auch Aktivitäten in Einrichtungen wie Jugendhäusern oder am Ausbildungscampus, um zum Beispiel auch die sogenannten NEETs (Not in Education, Employment or Training) zu erreichen. Die Berufsberatung vermittelt den Jugendlichen die Bedeutung und Vorteile einer Ausbildung und regt sie dazu an, Alternativberufe in Betracht zu ziehen, falls der gewünschte Beruf nicht realisierbar ist. „Jugendliche mit schlechten Startbedingungen stehen ganz besonders im Fokus unserer Unterstützung. Während die Öffentlichkeit vor allem über Fachkräftemangel und unbesetzte Ausbildungsplätze spricht, bleiben viele junge Menschen ohne Ausbildungsplatz – und die Zahl der Ungelernten wächst von Jahr zu Jahr. Das dürfen wir uns nicht leisten“, so Schwab. Ziel ist deshalb, die Gruppe der jungen Menschen, die sich weder in Schule noch in Beschäftigung, Ausbildung oder Studium befinden (s.o.) besser zu erreichen. Die Agentur für Arbeit Böblingen hat deshalb Anfang 2025 ein weiteres aufsuchendes Angebot in der Berufsberatung über die Schulen hinaus erfolgreich gestartet. Vorbild dafür war hier die Berufsberatung in Stuttgart, die NEETs bereits seit 2021 gezielt betreut.
Für diejenigen, die nicht direkt in eine Ausbildung starten können, gibt es passende von der Agentur für Arbeit Stuttgart geförderte Maßnahmen, wie etwa Orientierungspraktika – z.B. während einer Berufsvorbereitenden Bildungs-maßnahme (BvB) oder die Einstiegsqualifizierung (EQ). Diese Angebote bereiten die Jugendlichen optimal auf ihre spätere Ausbildung vor. Beispielhaft sei hier das Freiwillige Berufsorientierungsjahr genannt, initiiert als Pilotprojekt der Kreishandwerkerschaft Landkreis Böblingen mit der Zielsetzung eine Berufsorientierung durch mehrere Langzeitpraktika im Vorfeld der Berufsausbildung zu bieten, um damit Ausbildungslösungs- und/oder Abbrecherquoten zu minimieren.
„Selbst während der Ausbildung stehen wir den Jugendlichen unterstützend zur Seite – insbesondere für die wachsende Zahl derer, die leistungsschwächer ist. Mit unserem arbeitsmarktpolitischen Instrument ‚Assistierte Ausbildung (AsA)‘ können schulische Defizite ausgeglichen oder soziale Probleme gezielt angegangen werden“, erläutert Schwab und verweist auf die vielfältigen Hilfen der Agentur für Arbeit. Zudem können Unternehmen diese Förderungen in Anspruch nehmen, indem sie ihre Auszubildenden für die Unterstützung anmelden. „Wir schaffen so beiderseitigen Nutzen“, ist Schwab überzeugt.
Bewerber und Ausbildungsstellen passen nicht immer zusammen
Die Berufswünsche der Jugendlichen passen oft nicht mit den angebotenen Berufen zusammen. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. So interessieren sich viele Bewerberinnen und Bewerber z. B. für Kfz-, Verwaltungs- oder Büroberufe. Ausbildungsstellen für Berufe mit Lebensmitteln, im Hotel- und Gaststättenbereich oder in Handwerksberufen sind dagegen weniger beliebt und bleiben häufig unbesetzt. Hier zeigt die Berufsberatung den Jugendlichen Möglichkeiten und Alternativen jenseits des „Traumberufes“ auf.
Die Liste der TOP-10-Berufe hat sich auch dieses Jahr nur wenig verändert. Für die männlichen Bewerbern nach wie vor mit großem Abstand klar auf Platz 1: der „Kfz-Mechatroniker“. Der „Anlagenmechaniker Sanitär-/Heizungs- und Klimatechnik“ ist auf den zweiten Platz gestiegen. Auch der Fachinformatiker ist weiter hoch im Kurs. Er ist in der Rangliste in der oberen Hälfte mit beiden Fachrichtungen (Anwendungsentwicklung und Systemintegration) vertreten.
Bei den weiblichen Bewerberinnen taucht die „Fachinformatikerin“ dagegen unter den zehn beliebtesten Berufen gar nicht auf. Diese geben als ersten Berufswunsch die „Kauffrau für Büromanagement“ an. Die „Medizinische Fachangestellte“ bleibt weiter auf dem zweiten Platz. Ein weiter erhöhtes Interesse besteht an Ausbildungen im Öffentlichen Dienst. Der im vorletzten Jahr neu auf der TOP-10-Liste erschienene Berufswunsch der „Verwaltungsfachangestellten“ blieb so auch in diesem Berichtsjahr sehr beliebt. Das deckt sich mit den Erfahrungen der Berufsberatung in den Einzelgesprächen und Kontakten bei Ausbildungsmessen.
Dem gegenüber stehen diese gemeldeten Stellen der Unternehmen:
„Wer den Beruf findet, der wirklich zu ihm passt, entwickelt stärkere Motivation und höhere Leistungsbereitschaft“, sagt Schwab. „Eine abgeschlossene Ausbildung ist der erste wichtige Schritt ins Berufsleben und eröffnet vielfältige Möglichkeiten zur Weiterbildung und beruflichen Entwicklung. Davon profitieren sowohl die Auszubildenden als auch die Unternehmen, denn gut qualifizierte Fachkräfte werden dringend benötigt. Gleichzeitig bleibt die Besetzung vieler Ausbildungsplätze eine Herausforderung, die eine langfristige Fachkräftesicherung erschwert.“
Leider passen die Ausbildungsangebote und die Nachfrage oft nicht zusammen. Ein Grund ist, dass die Schülerinnen und Schüler beim Erreichen ihres Abschlusses in den letzten Jahren tendenziell jünger geworden sind. Dies hängt zum Teil mit einem erweiterten Altersbereich bei den Einschulungen sowie noch mit der Verkürzung der Schulzeit von G9 auf G8 zusammen. Abzuwarten bleibt, wie und wann sich in Baden-Württemberg die Auswirkungen der Wiedereinführung des G9-Systems ab dem Schuljahr 2025/26 in den Klassenstufen 5 und 6 bemerkbar machen werden. Das Erreichen der Volljährigkeit ist in vielen Branchen, die bereits an Nachwuchsmangel leiden, ein zusätzliches Hindernis bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen. Zu diesen Branchen zählen unter anderem die Hotellerie und Gastronomie, die Berufskraftfahrerinnen und -kraftfahrer für Busse und Bahnen sowie der Bereich Pflege, in denen das Mindestalter für den Einstieg bei 17 Jahren liegt.
Alternativen der Bewerber für eine Ausbildung
Obgleich es rein rechnerisch für jeden Ausbildungssuchenden einen Ausbildungsplatz gibt, konnten Unternehmen und Betriebe auch 2024/25 nicht alle Ausbildungsstellen erfolgreich besetzen: Insgesamt 824 (LHS: 444; Landkreis: 380) blieben unbesetzt. Zeitgleich waren 108 (LHS: 54; Landkreis: 54) Bewerberinnen und Bewerber noch unversorgt – deutlich mehr wie im vergangenen Jahr (62).
Die Dringlichkeit, offene Ausbildungsstellen zu besetzen oder – bewerberseitig - eine Ausbildungsstelle zu finden, ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Betriebe brauchen zwar Nachwuchs, sind aber zum Teil auch zurückhaltender, wenn die Rahmenbedingungen schlechter sind wie in den vergangenen Jahren. Auf der anderen Seite wählen Jugendliche verstärkt Alternativen zum Einstieg in die duale Ausbildung. So sind 2024/25 insgesamt 611 Bewerberinnen und Bewerbern (plus 154) zum 30. September in eine solche Alternative eingemündet (LHS: 407; Landkreis: 204). Dazu gehören beispielsweise ein Bundes- oder Jugendfreiwilligendienst.
Hoch im Kurs standen in diesem Jahr auch die Fördermaßnahmen der Berufsberatung, die von deutlich mehr Menschen unter 25 Jahren in Anspruch genommen wurden. Gleichzeitig haben diese jungen Menschen ihren Vermittlungswunsch in eine duale Ausbildung für das kommende Ausbildungsjahr aufrechterhalten.
Im Gegensatz zum vergangenen Jahr ist die Zahl derjenigen gestiegen, die ein Studium aufnehmen (plus 14,5 Prozent). Deutlich mehr als 2023/24 besuchen eine weiterführende Schule (plus 12,0 Prozent). 214 Ausbildungssuchende haben sich arbeitslos gemeldet. Von 654 Bewerberinnen und Bewerber liegt keine Rückmeldung zu deren Verbleib vor, trotz wiederholter Beratungsangebote und Kontaktversuche. Die Zahl ist um 5,9 Prozent niedriger als im Vorjahr.
Um auch jetzt noch unversorgte Bewerberinnen und Bewerber mit unbesetzten Ausbildungsstellen zusammenzubringen, werden die Vermittlungsaktivitäten bis mindestens Ende des Jahres fortgesetzt. Außerdem melden sich in den nächsten Wochen erfahrungsgemäß noch junge Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen (wieder) auf der Suche nach einer Ausbildung sind. Auch Betriebe melden Ausbildungsstellen, die (wieder) frei geworden sind.