Von MINT zu MINKT: Mit Kunst zu neuen Fachkräften

Interdisziplinarität schafft Chancen für Fachkräftesicherung und Produktentwicklung. Nicht nur in der Pädagogik sollte MINKT eine Rolle spielen.


29.08.2023 - Matthias Haft -6 MinutenArbeitswelt gestalten

Der Fachkräftebedarf in den MINT-Berufen ist ungebrochen hoch. Wie Kunst, Musik und die Geisteswissenschaften dabei helfen können, Mitarbeitende für technische Berufe zu gewinnen, und wie die Qualität von technischen Innovationen durch Quereinsteigende verbessert werden kann, erfahren Sie im Beitrag.

In den vergangenen Jahren ist im Bereich der MINT-Berufe viel geschehen. Förderungen auf allen Ebenen haben auf dem Arbeitsmarkt zumindest punktuell für personelle Verbesserungen in technischen und naturwissenschaftlichen Berufsfeldern gesorgt: Der Anteil von Frauen in MINT-Berufen etwa konnte innerhalb eines Jahrzehnts immerhin von 13,8 auf 16 Prozent gesteigert werden. Außerdem konnten vermehrt ältere Beschäftigte und ausländische Fachkräfte für MINT gewonnen werden. 

Doch diese Erfolge sind nur wenige Tropfen auf einen großen heißen Stein. Und so ist die MINT-Fachkräftelücke auch 2023 auf einem konstant hohen Niveau, wie aus dem MINT-Frühjahrsreport des Instituts der Deutschen Wirtschaft hervorgeht. Und die Lage dürfte sich weiter verschärfen: Die Herausforderungen des Klimaschutzes und der Digitalisierung erfordern nicht nur, aber auch technische Lösungen. Der Bedarf an Fachkräften in diesen Bereichen wird also weiter steigen. 

Definition MINKT: MINT plus Kunst

„MINT“ ist in den vergangenen Jahren bereits zu einem gebräuchlichen Begriff geworden. „MINKT“ hingegen ist jenseits von Pädagogik und Didaktik weit weniger bekannt. Tatsächlich werden hierbei Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik lediglich um eine weitere Komponente ergänzt: die Kunst. Eine Disziplin also, die so gar nicht in die Reihe zu passen scheint. Die Idee dahinter: Über den künstlerischen Zugang sollen zum einen Einstiegshürden bei den naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen gesenkt und zum anderen die Potentiale dieser Disziplinen noch stärker genutzt werden. Während „MINT“ also einfach ein Sammelbegriff für verwandte Disziplinen ist, verbirgt sich hinter MINKT ein pädagogischer Ansatz.

Dabei spielt nicht nur Kunst eine Rolle, sondern auch die Fächer der Geistes- und Sozialwissenschaften. Deswegen wird statt „MINKT“ auch der Begriff „MINT+“ verwendet. Ob nun MINT+ oder MINKT – mit dem Ansatz verbindet sich der Wunsch nach mehr Wissenstransfer zwischen den Disziplinen. Außerdem können durch die Verbindung der Disziplinen politische, sozioökonomische und kulturelle Fragen stärker in die Entwicklung und Gestaltung von Technik und Wirtschaft einbezogen werden.

MINKT in der Pädagogik

Kunst und freies Spiel fördern die Kreativität im Kindesalter. Und Kreativität ist – neben anderen Soft Skills – eine wichtige Zutat für die Entwicklung von Innovationen. Basteln, Malen und Bauen sind Tätigkeiten, mit denen sich Kinder schon früh beschäftigen. Das läuft mal nach Plan, mal frei und assoziativ. Und wenn der Turm aus Bauklötzen mal einstürzt, bekommen Kinder ganz nebenbei ein Gefühl für naturwissenschaftliche Zusammenhänge. Spaß, Staunen und Lernen gehen hier Hand in Hand.

MINKT ist ein pädagogischer Ansatz, der dieser Dynamik Rechnung trägt. Disziplinen werden dabei nicht getrennt gedacht. Sie bilden vielmehr einen fachlichen Zusammenhang, in dem ein beständiger Wissenstransfer stattfindet. Dieser Transfer sollte in der Schulbildung ermöglicht und aufrechterhalten werden. Doch auch jenseits der Schule können Kreativität, naturwissenschaftliches Wissen und Technikbegeisterung in einem Zug gefördert werden. So verfügen viele Museen heute über Maker Spaces oder Kreativlabore, in denen Kinder Natur, Technik sowie Kunst entdecken und erfahren können.  

MINKT auf dem Arbeitsmarkt

MINT-Initiativen gibt es mittlerweile sehr viele. Es gibt Fördermaßnahmen und Netzwerke, die zum Ziel haben, dem Fachkräftemangel in naturwissenschaftlich-technischen Berufen etwas entgegenzusetzen. Die Institutionalisierung von MINKT ist hingegen wenig fortgeschritten: Förderprogramme sind rar, größere Initiativen nur vereinzelt vorhanden. Das mag zwar auch daran liegen, dass Soft Skills, wie Sie etwa über musisch-künstlerische Beschäftigungen etabliert werden, in MINT-Fächern ja nicht zwangsläufig fehlen, nur weil Kunst nicht mitgedacht wird. Doch die aktuelle Lernlandschaft zeigt schon, dass MINKT über die Grenzen der Pädagogik hinaus bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren hat.

5 Potentiale von MINKT für den Arbeitsmarkt

  1. Technik und Gesellschaft gestalten: Technik ist gesellschaftlich geprägt und prägt die Gesellschaft. Die Reflexion darüber, was der Einsatz einer bestimmten Technologie sozial und kulturell bedeutet, ist ein unverzichtbarer Bestandteil, wenn eine technische Innovation nachhaltig, wertvoll und erfolgreich sein soll. Fachkräfte mit geistes- und sozialwissenschaftlichem Hintergrund können dabei helfen, die Tragweite einer Technologie bereits in ihrer Entstehung besser einschätzen zu können. Ein Beispiel: Die Automatisierung hat einen großen Einfluss auf Wirtschaft und Arbeitsleben. Mit der Human Friendly Automation wird daher versucht, Automatisierung so zu gestalten, dass sie dem Menschen nützt und nicht ungewollt schadet. Konzepte wie diese leben von interdisziplinärem Denken, das über die Kernbereiche der MINT-Fächer hinausgeht.
  2. Potentiale aus Quereinstiegen nutzen: Quereinsteigende in technische Berufe bringen nicht-technische Qualifikationen mit sich. Oft rekrutieren sie sich aus künstlerisch oder geisteswissenschaftlich geprägten Berufen mit entsprechender Ausbildung. Das „K“ in „MINKT“ bringen sie also in der Regel schon mit. Technisch orientierte Unternehmen, die Wert auf eine umfassende Qualifizierung ihrer Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger legen, können also echte MINKT-Fachkräfte erschaffen. 
  3. Fachliche Diversität im Unternehmen herstellen: Die Potentiale des Quereinstiegs im Speziellen und fachlich divers aufgestellten Unternehmen im Allgemeinen zeigen sich auch in der Produktentwicklung: Crossfunktionale und interdisziplinäre Teams sind fachlich so komplex zusammengesetzt wie das Produkt und die Gesellschaft, für die es hergestellt wird. So können z. B. mögliche Probleme des Produkts oder zusätzliche Anwendungsfelder einfacher identifiziert werden. 
  4. Raum und Zeit für Kreativität bieten: Selbst Google schwört auf Kreativ-Sessions mit LEGO. Vielleicht zündet die nächste Konstruktionsidee ja beim Bauklötzchenstapeln im Maker Space eines Technikmuseums. Was wohl dabei rauskommt, wenn eine Bauingenieurin und ein Kunstgeschichtler gemeinsam tüfteln?
  5. MINT-Fachkräfte in sozialen Berufen: Nicht nur in naturwissenschaftlich-technischen Berufen werden Fachkräfte gesucht, sondern auch in sozialen Berufsfeldern, etwa in der Pflege  oder Pädagogik. Der Wissenstransfer im Konzept MINKT funktioniert in alle Richtungen. Und so können umgekehrt etwa auch Pflegeeinrichtungen und Kindertagesstätten von den fachlichen Kompetenzen eines Naturwissenschaftlers oder einer Informatikerin profitieren.  
     

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