Berufsorientierung ganz praktisch

Bei der Experimenta Heilbronn, dem größten Science Center Deutschlands, können Jugendliche mit Interesse an Naturwissenschaft und Technik ihre Stärken und Schwächen herausfinden. Eine beteiligte Berufsberaterin der Arbeitsagentur und eine Teilnehmerin berichten von dem Projekt zur Berufsorientierung.


05.06.2019 - Gunthild Kupitz -5 MinutenMitarbeiter finden

Seit 2017 kooperiert die Agentur für Arbeit Heilbronn mit der Experimenta, dem größten Science Center Deutschlands. Schwerpunkt der Zusammenarbeit ist die Berufsorientierung von Jugendlichen, junge Erwachsenen und Schülerinnen mit MINT-Interessen.

Seit der Erweiterung und Neueröffnung in diesem Jahr bietet die Experimenta den Besuchern über die naturwissenschaftlichen Lern- und Erlebniswelten hinaus auch die Möglichkeit, ein eigenes Talent-Profil zu erstellen. Entwickelt wurde das Konzept „Talentsuche“ von Mitarbeitern des Science Center in Zusammenarbeit mit dem Schulamt, der Universität Ulm sowie der örtlichen Agentur für Arbeit. Für die saß Beatrice Hommel, 52, bei den monatlichen Treffen mit am Tisch. Die Berufsberaterin betreut Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 1 bei ihrer Ausbildungswahl.

Berufsberaterin Beatrice Hommel 

„Präsenz von Mädchen in MINT-Berufen stärken“

Frau Hommel, wie kann die Talentsuche der Experimenta die Berufsberatung ergänzen und unterstützen?

Beatrice Hommel: Sie erweitert die klassische Beratung um einen hohen praktischen Anteil. Die Jugendlichen begeben sich dabei alleine oder im Klassenverband auf eine Art Reise. Ausgestattet mit einem digitalen Armband können sie dann entweder sämtliche 24 Stationen absolvieren oder – wenn sie schon wissen, welches Berufsfeld sie besonders interessiert – auch nur einen von insgesamt drei Pfaden.

Was passiert an den einzelnen Stationen?

Beatrice Hommel
© BA - Beatrice Hommel ist Berufsberaterin in Heilbronn

An einer geht es beispielsweise um Feinmotorik. Dort müssen die Schülerinnen und Schüler an einem Computer Finger über bestimmte Felder führen. Oder sie sitzen wie ein Baggerführer vor einem Bildschirm und bedienen mit einer Hand einen kleinen Knüppel, um Dinge von A nach B zu bringen – nach Möglichkeit ohne sie fallenzulassen. Dann gibt es Stationen, an denen sie Logikaufgaben lösen müssen. Oder Exponate, für die sie Fremdsprachenkenntnisse benötigen. Nach jeder Aufgabe wird das Ergebnis auf ihrem Armband gespeichert. Und am Ende der Tour gibt es eine wissenschaftlich fundierte Auswertung über ihre persönlichen Stärken. Sogar welche Berufsfelder zu ihnen passen könnten. Dieses Ergebnis bringen die Schülerinnen und Schüler dann zur Beratung mit.

Und wie geht es weiter? Es macht doch sich einen Unterschied, ob jemand mit einer feinmotorischen Begabung sich mehr zum Baggerfahrer eignet oder eher zum Zahntechniker.

Das ist richtig. Die Jugendlichen kommen nach wie vor nicht drum herum, Praktika zu machen. Trotzdem ist die Talentsuche an der Experimenta ein großer Gewinn – für die Berufsberatung, aber auch für die Schüler selbst. Es ist eine hundertprozentige Ergänzung zu den Programmen, die es vorher schon bei uns gab: zu den Tests, den Kurzfilmen, der Beratung. Die Talentsuche bietet einfach die Möglichkeit, noch tiefer in die Berufsorientierung einzutauchen.

Sie haben das Konzept dafür ja miterarbeitet. Was war Ihnen dabei als Vertreterin der Agentur besonders wichtig?

Für uns war es eine Riesenchance, dort einzusteigen. Wir wollten Exponate, mit denen sich Fähigkeiten zu bestimmten Berufsfeldern abfragen lassen. Das ist uns gelungen.
Seit diesem Jahr bietet die Experimenta zusammen in Kooperation mit der Schule und uns die GirlsDay Akademie an. Alle Mädchen ab Klasse acht, die sich dafür interessieren, haben die Möglichkeit, an Firmenbesuchen teilzunehmen oder ein Praktikumstag in einem großen Unternehmen zu machen. Von der zehnten Klasse an gibt es dann – in Kooperation mit der Hochschule, der Experimenta und der Agentur – das GirlsDay College, das sich an Schülerinnen mit MINT-Interessen wendet. Ihnen werden dann im Science Center halb- oder mehrtägige Laborkurse und Workshops angeboten. Wir wollen durch die praktischen Einblicke in technische und naturwissenschaftliche Bereiche die Präsenz von Mädchen in diesen Berufen stärken.

Hannah Bürgy

„Naturwissenschaft auf einem anderen Niveau als in der Schule“

Hannah Bürgy, 17, ist Oberstufenschülerin am Mönchsee Gymnasium in Heilbronn: „Nächstes Jahr werde ich mein Abitur machen und anschließend studieren. Vermutlich Physik. Das steht eigentlich schon seit zwei Jahren fest. Damals habe ich einen Astronomiekurs in der Deutschen Juniorakademie in Adelsheim besucht. Mein Schulleiter hatte mich empfohlen. Ich hatte gute Noten und im Jahr davor an der GirlsDay Akademie teilgenommen.

Wir waren etwa 25 Mädchen aus allen achten und neunten Klassen und trafen uns jeden Freitagnachmittag für drei Stunden: Es gab berufsorientierende Sachen und Teambuilding-Workshops, aber auch technische Kurse, in denen wir etwas gebaut haben und Firmenbesuche. Bei der Abschlussveranstaltung der GirlsDay Akademie waren dann ein paar Experimenta-Leute da, die uns dann für das College geworben haben.

Hannah Bürgy
© privat - Hannah Bürgy ist Schülerin in Heilbronn

Ich bin inzwischen im dritten Jahr und mir gefällt es wirklich gut. Einmal im Monat treffen wir uns in den Laboren der Experimenta. Dort finden Workshops zu allen möglichen Themen statt – technische, physikalische, biologische, chemische. Aber auch zu Softskills. Man bekommt dadurch ganz viel aus den verschiedenen Bereichen mit. Weil ich durch die Akademie, durch das College und die anderen Programme überall mal reinschauen durfte, habe ich gemerkt, dass ich nach der Schule unbedingt theoretische Physik und Astronomie machen will. Und auf keinen Fall einen Ingenieursstudiengang. Wahrscheinlich werde ich in Heidelberg studieren: Die Uni dort hat einen guten Astronomiezweig; ich war schon mal am Haus der Astronomie für ein einwöchiges Praktikum. Dass das College und die Akademie in meinem Lebenslauf standen, war bei der Bewerbung bestimmt nützlich. Und für diesen Sommer habe ich einen Platz im „International Astronomical Youth Camp“.

Orte wie die Experimenta finde ich wichtig – einfach, weil dort Naturwissenschaft auf einem ganz anderen Niveau als an der Schule stattfindet. Außerdem kann man dort viele praktische Dinge ausprobieren. Und die Ausstattung der Labore geht weit über das hinaus, was Schule bieten kann. Trotzdem bin ich froh, mich in der achten für das Musikprofil entschieden zu haben. Ich spiele seit der dritten Klasse Konzertharfe und übe nach Möglichkeit ein bis zwei Stunden am Tag. Es ist für mich ein Ausgleich. Aber vor allem macht es mir Spaß.“


Titelfoto: © Experimenta gGmbH