Die konjunkturelle Entwicklung schlägt sich 2023 auch auf dem Arbeitsmarkt im Kreis Gütersloh nieder

Agentur für Arbeit und das Jobcenter Kreis Gütersloh ziehen gemeinsam Bilanz zum Arbeitsmarkt 2023: Die Auswirkungen des Angriffskriegs Russland auf die Ukraine, die großen Preissteigerungen (Inflation) und die weltwirtschaftliche Situation hinterlassen Spuren, wobei sich der Arbeitsmarkt im Großen und Ganzen als stabil erweist.

12.01.2024 | Presseinfo Nr. 5

Im Kreis Gütersloh waren 2023 durchschnittlich 9.468 Menschen arbeitslos. Dies sind alle Personen, die Bürgergeld (SGB II) und Arbeitslosengeld (SGB III) beziehen, und zudem aktuell dem Arbeitsmarkt zu Verfügung stehen. Die Zahl ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 1.288 Personen (plus 15,7 Prozent) gestiegen. Dadurch steigt auch die durchschnittliche Arbeitslosenquote von 3,8 in 2022 auf 4,4 Prozent im Jahr 2023. „Die schwache konjunkturelle Entwicklung weltweit schlägt sich natürlich auch auf dem Arbeitsmarkt im Kreis Gütersloh nieder“, sagt Wolfgang Draeger, Leiter der Agentur für Arbeit Bielefeld/Gütersloh. In der Arbeitslosenversicherung ist dabei der Anstieg von 729 Personen (plus 21,8 Prozent) im Vergleich zu 2022 zu verzeichnen. „Das ist typisch für eine konjunkturelle Eintrübung der wirtschaftlichen Gesamtsituation, die sich immer zuerst in der Arbeitslosenversicherung abzeichnet“, so Draeger weiter.

Die Zahl der Bürgergeldbeziehenden ist um 559 (plus 11,6 Prozent) angestiegen. „Dies ist im Wesentlichen auf die Zuwanderung durch geflüchtete Menschen, Familiennachzug und durch den Wechsel aus dem Asylbereich ins Bürgergeld begründet“ erläutert Fred Kupczyk, Leiter des Jobcenters Kreis Gütersloh. 

Neben den aktuell dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Personen, werden in der sogenannten Unterbeschäftigung auch jene Kundinnen und Kunden mitgezählt, die ebenfalls erwerbslos sind, aus unterschiedlichen Gründen – durch Mutterschutz, eine Bildungsmaßnahme, einen Sprachkurs oder aus gesundheitlichen Gründen – derzeit allerdings keinen Job antreten können. Hier liegt der Jahresdurchschnitt 2023 im Kreis Gütersloh bei 12.647 Personen und die Quote bei 5,8 Prozent. Dies ist im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 1.593 Personen bzw. 0,7 Prozentpunkte.

Besondere Herausforderungen ergeben sich für die Integrationsfachkräfte im Jobcenter insbesondere dadurch, dass bei den zugewanderten Menschen häufig keine klassischen Berufsabschlüsse vorliegen und neben Spracherwerb auch Kinderbetreuungsfragen zu klären sind. Dennoch weisen die Bewegungen innerhalb dieser Personengruppen darauf hin, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder gelungen ist, zahlreiche Migranten in den hiesigen Arbeitsmarkt zu bringen – so sind beispielsweise in der Junistatistik bereits knapp 900 Menschen aus der Ukraine als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort Gütersloh ausgewiesen.

 

In den Statistikzahlen zur Jugendarbeitslosigkeit werden alle Personen zwischen 15 und 25 Jahren geführt, die aktuell ohne Job, Ausbildungsstelle oder Studium sind. Binnen Jahresfrist erhöht sich die Zahl um 151 auf 885 Personen. Diese Zunahme teilt sich dabei mit 116 Personen (plus 30,1 Prozent) auf die Arbeitslosenversicherung und 35 Personen (plus 10,1 Prozent) im Bereich des Bürgergelds auf. „Auch hier schlägt sich also der Anstieg in der Arbeitslosenversicherung nieder“, sagt Marc Traphöner, Geschäftsstellenleiter Gütersloh der Agentur für Arbeit.

Die aktuelle wirtschaftliche Situation im Kreis Gütersloh spiegelt sich besonders in den neu gemeldeten offenen Arbeitsstellen wider. Diese sind von Dezember 2022 zu Dezember 2023 um 28,6 Prozent gesunken. „Aktuell ist eine zurückhaltende Haltung bei neuen Einstellungen zu verzeichnen. Wir sehen aber auch: Die Arbeitgeber halten nach wie vor an ihren Mitarbeitenden fest und es gab im Jahr 2023 keine umfangreichen Freistellungen. Das ist nachbetrachtend bei der aktuellen konjunkturellen Situation beachtlich“, unterstreicht Traphöner. Auch der Bestand an ausgeschriebenen offenen Arbeitsplätzen ist innerhalb des letzten Jahres um 248 Stellen gesunken (minus 5,7 Prozent). „Trotz des Rückgangs haben wir immer noch durchschnittlich 4.067 zu besetzende Stellen im Bestand; dies sind rund 400 Stellen mehr als 2021 und sogar über 1.200 mehr als 2019 vor der Pandemie“, so Traphöner.

Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird statistisch immer quartalsweise und wegen möglicher Nachmeldungen der Beschäftigten durch ihre Arbeitgeber auch verzögert erhoben. Die letzten Zahlen sind somit aus Juni 2023 und mit 185.537 Personen um 1,351 sozialversicherungspflichtigen Stellen niedriger als im Juni 2022. „Aufgrund des hohen produzierenden Gewerbes war der Kreis Gütersloh bereits früher als andere Kreise von einem Rückgang betroffen. Insbesondere ist die Beschäftigung in der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln sowie dem Gesundheitswesen zurückgegangen“, so Traphöner.

Bei der Erhebung der Kurzarbeit besteht ein entscheidender Unterschied zwischen der angezeigten und der realisierten Kurzarbeit. Alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber können – wenn sie die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllen – Kurzarbeit für ihre Beschäftigten anmelden. Eine Verpflichtung, diese dann auch umzusetzen, besteht jedoch nicht. „Die Anzeigen und die realisierte Kurzarbeit hatten – was die betroffenen Personen angeht – ein extremes Hoch im Februar 2023“, erläutert Wolfgang Draeger. Und tatsächlich steig auch die realisierte Kurzarbeit im Februar auf 362 Betriebe und 4.441 Personen an.

Bei der realisierten Kurarbeit kommt es aufgrund der Nachmeldungen der Arbeitgeber für ihre Beschäftigten ebenfalls zu einer verzögerten Erhebung wie bei der sozialversicherungspflichten Beschäftigung. Die aktuellsten Zahlen gibt es deshalb aus Juli 2023. Hier arbeiteten 2.192 Personen in 81 Betrieben kurz. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor waren es noch 603 Menschen in 44 Betrieben. „Somit hat sich im zweiten Quartal 2023 die Anzahl der Personen, die Kurzarbeitergeld im Kreis Gütersloh beziehen, halbiert. Im Jahresvergleich hat sich die Zahl der Betriebe von 208 im Juni 2022 auf 84 im Juni 2023 deutlich verringert, die Zahl der Kurzarbeiter*innen aber von 1.532 auf 2.256 erhöht. Dies zeigt, dass auch größere Betriebe als noch vor einem Jahr in Kurzarbeit waren“, so Draeger.

„Der Fachkräftebedarf bestimmt weiterhin die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt“, so Agenturchef Draeger. Der Schlüssel liegt für ihn dabei in der beruflichen Qualifizierung. Die verfügbaren Arbeitskräfte reichen nicht aus, um den Bedarf zu decken. So hat allein die Arbeitsagentur in diesem Jahr mehr rund 1.000 berufliche Weiterbildungen im Kreis Gütersloh finanziell unterstützt. Seit 1. Januar 2024 ist mit „Mein NOW“ nun ein nationales Portal online, auf dem Weiterbildungsangebote, Beratungs- und Fördermöglichkeiten sowie Tests zur beruflichen Orientierung gebündelt werden. „Zielgruppe sind hier alle, die an beruflicher Weiterbildung interessiert sind – egal ob aktuell im Job oder arbeitslos“, sagt Draeger. 

Abschließend erklärt Fred Kupczyk mit Blick auf 2024: „Auch vor dem Hintergrund noch fehlender Planungssicherheit bezüglich des Bundeshaushaltes wird es ein herausforderndes Jahr. Und deshalb werden wir den steigenden Fallzahlen anstelle weniger teurer Fördermaßnahmen mit zahlreichen kurzen und knackigen Angeboten begegnen.“

Voraussagen für den Arbeitsmarkt 2024 zu treffen fällt auch Agenturchef Draeger schwer: „Der Arbeitsmarkt wird durch die weltpolitischen Unsicherheiten einerseits und den nach wie vor erhöhten Energiepreisen sowie dem anhaltenden wirtschaftlichen Abschwung beeinträchtigt. Vorerst erwarten wir im Hinblick auf den Beschäftigungsmarkt im Kreis Gütersloh daher auch keine Entspannung im ersten Quartal 2024.“ Fest steht für ihn aber auch: „Gemessen an der mäßigen Konjunktur hält sich der Arbeitsmarkt im Kreis Gütersloh aber vergleichsweise gut. Und die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich verbessert, der Pessimismus bei den Erwartungen für die kommenden Monate nimmt ab. Die Unternehmen halten vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ihre eingearbeiteten Mitarbeitenden. Somit kann insgesamt trotz alledem bei uns von einem robusten Arbeitsmarkt gesprochen werden, der aber auch Flexibilität von Arbeitgebern und Unternehmungen sowie von den Beschäftigten verlangen wird.“ Gleichwohl rät Draeger die sich bietenden Chancen jetzt zu nutzen.