Bilanz zum Ausbildungsmarkt in Essen

Interesse an dualer Ausbildung stabil, Betriebe melden weniger Stellen: Das richtige Matching zu finden, bleibt die zentrale Herausforderung

06.11.2025 | Presseinfo Nr. 25

Gemeinsam ziehen die Essener Partner am Ausbildungsmarkt – Agentur für Arbeit Essen, JobCenter Essen, die IHK zu Essen, DGB und Kreishandwerkerschaft Essen – Bilanz zum Ausbildungsjahr 2024/2025.

Das Interesse der Jugendlichen an einer Berufsausbildung ist leicht gestiegen. So waren im Bereich der Agentur für Arbeit Essen bis zum Abschluss des Ausbildungsmarktes insgesamt 3.949 Interessierte als Bewerber*innen für eine Ausbildungsstelle oder ein duales Studium bei der Berufsberatung gemeldet, darunter befanden sich 1.039 Jugendliche mit Migrationshintergrund.

Von den 3.949 Bewerber*innen waren zahlenmäßig 76 Personen (2 Prozent) mehr als im vergangenen Beratungsjahr gemeldet. Davon suchen aktuell noch 652 Bewerber*innen aktiv nach einer Ausbildung oder einem dualen Studium. Alle anderen Bewerber*innen haben sich bereits für ein Angebot entschieden oder eine andere Alternative für sich gefunden.

Es haben sich bislang 3.297 Jugendliche bei der Berufsberatung abgemeldet. Von ihnen begannen rund 38 Prozent eine Berufsausbildung bzw. ein duales Studium. 17 Prozent der abgemeldeten Jugendlichen besuchen eine weiterführende Schule. Weitere 3 Prozent starteten in ein Studium. 42 Prozent der Bewerber*innen nahmen eine Erwerbstätigkeit auf, begannen eine Fördermaßnahme zur Berufsvorbereitung oder leisten gemeinnützige/soziale Dienste.

36 Prozent der gemeldeten Bewerber*innen bewarben sich mit dem Realschulabschluss, 21 Prozent mit dem Hauptschulabschluss und 34 Prozent mit der Fach- oder Hochschulreife auf die offenen Stellen. 49 Prozent der Jugendlichen hat die Schule im aktuellen Berufsberatungsjahr beendet, die Übrigen schon vor längerer Zeit.

Die Top 10 der Berufswünsche der noch unversorgten Jugendlichen sind: Kaufmann/-frau Büromanagement (56), Anlagenmechaniker/in Sanitär-/Heizungs- und Klimatechnik (32), Medizinische/r Fachangestellte/r (29), Kraftfahrzeugmechatroniker PKW-Technik (27), Verkäufer/in (27), Fachinformatiker/in Anwendungsentwicklung (25), Elektroniker/in- Energie-/Gebäudetechnik (20), Kaufmann/-frau im Einzelhandel (20), Fachinformatiker/in Systemintegration (19) und Fachkraft Schutz und Sicherheit (14).

Das Ausbildungsplatzangebot im aktuellen Ausbildungsjahr liegt deutlich unter dem Niveau des Vorjahres. Die regionalen Unternehmen haben bisher 2.757 Ausbildungs- und duale Studienplätze gemeldet (351 Stellen bzw. 11 Prozent weniger als vor einem Jahr). Rein rechnerisch kommen damit auf 100 Stellen 154 Bewerber*innen.  Es blieben 306 Ausbildungs- und duale Studienplätze unbesetzt, vor allem in den Berufen Kaufmann/-frau im Einzelhandel (43), Verkäufer/in (30) und Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r (30).

Die Industrie- und Handelskammer verzeichnet zum 31. Oktober für Essen 2.005 neue Ausbildungsverträge, ein Minus von 8,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Sowohl die Zahl der kaufmännischen (-7,6 %) als auch der technischen Ausbildungen (-11,8 %) ist rückläufig.

Die Top 10 der gemeldeten Ausbildungsstellen (inkl. der dualen Studienplätze) waren: Kaufmann/-frau im Einzelhandel, Verkäufer/in, Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r, Kaufmann/-frau Büromanagement, Fachwirt/in Handel (Ausbildung), Medizinische/r Fachangestellte/r, Elektroniker/in- Energie-/Gebäudetechnik, Fachkraft Lagerlogistik, Kaufmann/-frau Groß/Außenhandelsmanagement/ Großhandel und Fachverkäufer/in Lebensmittelhandwerk Fleischerei. 

DIE STATEMENTS DER AUSBILDUNGSMARKTPARTNER

Andrea Demler, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Essen:

„In diesem Ausbildungsjahr zeigt sich deutlich: Während das Interesse der Jugendlichen an einer Ausbildung unverändert vorhanden und gegenüber dem Vorjahr sogar noch leicht gestiegen ist, haben die Essener Betriebe weniger Ausbildungsstellen gemeldet. Dabei gibt es für Suchende über alle Branchen hinweg noch Chancen, in eine duale Ausbildung zu starten. Gleichzeitig erleben wir ein Mismatch auf dem Ausbildungsmarkt – die angebotenen Stellen decken sich häufig nicht mit den Qualifikationen oder Interessen der Jugendlichen. 

Die Lösung kann nicht sein, nicht auszubilden und unbesetzte Plätze einfach leer zu lassen und darauf zu hoffen, im kommenden Jahr die oder den Richtigen zu finden. Wir müssen entschlossen die Wege gehen, die unseren dringend benötigten Nachwuchs wirklich in die berufliche Zukunft führen – über Praktika oder Einstiegsqualifizierungen können Jugendliche und Betrieb zusammenfinden. Aktuell suchen noch rund 650 junge Menschen nach einer Ausbildungsstelle, und genau ihnen wollen wir mit gezielten Praktikumsangeboten den Einstieg erleichtern. Auch für die noch suchenden Betriebe gilt: sie profitieren, wenn sie jungen Menschen eine Chance geben - daher: Praktikum jetzt!

Wir brauchen Betriebe, die sich auf diese Möglichkeiten einlassen und auch jungen Menschen eine Chance geben, die vielleicht nicht die idealen Voraussetzungen mitbringen. Das bedeutet Zeit und Engagement in der Betreuung, aber niemand steht damit allein da. Wir unterstützen aktiv und begleiten sowohl Jugendliche als auch Unternehmen. Unser Ziel ist klar: Wir wollen verhindern, dass Jugendliche ohne Perspektive bleiben, ihr Leben nicht auf eigene Beine stellen können und damit den Betrieben die so wichtigen Fachkräfte von morgen fehlen.

Gerade Betrieb, die heute an ihre Fachkräfte von morgen denken und etwa das kommende Ausbildungsjahr 2026 im Blick, sollten diese Chance schon jetzt nutzen. Eine Einstiegqualifizierung ist ein wertvolles Instrument, um Jugendlichen Struktur und Praxiserfahrung zu geben – und um sie gleichzeitig gezielt auf eine Ausbildung vorzubereiten. Denn klar ist: Ohne Praxiserfahrung gibt es keine Fachkräfte von morgen.

Mein dringender Appell lautet daher: Werden Sie Chancengeber – melden Sie uns Ihre Ausbildungsstellen!“

Dietmar Gutschmidt, Leiter JobCenter Essen:

„Die Anzahl der Bewerber*innen um Ausbildungsstellen ist gestiegen. Das Thema ‚Berufsausbildung‘ scheint bei Jugendlichen wieder mehr in den Fokus zu rücken. Aber unsere Mitarbeiter*innen in der Jugendberufsagentur stellen bei der Beratung auch fest: Viele haben sich mit den Themen ‚Ausbildung‘ und ‚meine berufliche Zukunft‘ noch nicht ausreichend beschäftigt. Sie schieben Entscheidungen auf; wollen erst mal arbeiten oder weiter zur Schule gehen, da dies ihnen als der einfachere Weg erscheint. Manche haben auch falsche Vorstellungen von der Ausbildung oder setzen sich nicht ausreichend mit den Berufen auseinander. In der Schulbetreuung, die JobCenter und Arbeitsagentur über die Jugendberufsagentur ja gemeinsam seit einiger Zeit an allen weiterführenden Schulen in Essen anbieten, stellen wir fest, dass es den Abgangsjahrgängen oft an der beruflichen Orientierung fehlt oder dass sich die Schüler*innen alternativlos auf einen bestimmten Ausbildungsberuf versteifen. 

Hier ist unsere gute Beratung und die Vernetzung in der Jugendberufsagentur gefragt. In den Schulen werden vermehrt Veranstaltungen zur Berufsorientierung angeboten, das heißt: Arbeitgeber stellen vor Ort ihre Ausbildungsangebote vor und nehmen dazu eigene Azubis mit, die den Jugendlichen aus der Praxis berichten können. Ausbildungsmessen, wie wir sie über die Jugendberufsagentur anbieten, werden von jungen Menschen auch gern besucht, da sie sich dort unkompliziert Berufsbilder anschauen können. In diese Richtung muss die Arbeit im Ausbildungskonsens mit der Jugendberufsagentur als koordinierendem Partner weitergehen: Wir brauchen mehr berufliche Orientierung in den Schulen und zugleich mehr Angebote für freiwillige Praktika in den Betrieben. Wir müssen niederschwellig Türen öffnen, damit junge Menschen Berufe kennen lernen, das System der dualen Ausbildung schätzen und Kontakte zu Arbeitgebern knüpfen können.“

Robert Schweizog, Leiter des Geschäftsfeldes Bildung und Prüfungen der IHK zu Essen:

„In Essen sehen wir – wie vielerorts – einen deutlichen Rückgang bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Besonders betroffen sind Elektroberufe sowie das Hotel- und Gaststättengewerbe, während sich Bau und Handel vergleichsweise stabil zeigen. 

Insgesamt müssen wir die Erwartungen der Betriebe und die Profile der jungen Generation in Zukunft besser zusammenbringen. Unternehmen legen weiterhin Wert auf solide Grundlagen in Mathematik und Deutsch sowie auf Zuverlässigkeit. Die Generation Z überzeugt dagegen mit Stärken in IT, Medien und Fremdsprachen und kann gut im Team arbeiten. Wenn Unternehmen diese Kompetenzen gezielt nutzen und junge Menschen zugleich ihre Basiskompetenzen festigen, gelingt das Matching auf dem Ausbildungsmarkt künftig deutlich besser.“

Nadine Sasek, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Essen:

„Der Ausbildungsmarkt im Essener Handwerk zeigt auch in diesem Jahr eine insgesamt stabile Entwicklung. Mit über 800 neu eingetragenen Lehrverträgen bewegen wir uns über dem Vorjahresniveau – ein ermutigendes Zeichen in einem weiterhin herausfordernden Umfeld.

Der Anteil weiblicher Auszubildender ist im Vergleich zum Vorjahr um knapp 3 Prozent gestiegen – eine erfreuliche Entwicklung, die zeigt, dass das Handwerk für junge Frauen an Attraktivität gewinnt. Besonders hervorzuheben ist das zunehmende Interesse auch in bislang unterrepräsentierten Bereichen. Wir fördern diesen Wandel nicht nur durch die Beratung von Ausbildungsbetrieben, sondern auch durch eine breite Informationsarbeit zu den vielfältigen Chancen im Handwerk.

Die Energiewende braucht das Handwerk – und das erkennen immer mehr junge Menschen: In klimarelevanten Gewerken wie Elektro, Dach oder SHK bleiben die Ausbildungszahlen stabil. Diese Berufe gewinnen weiter an Bedeutung und eröffnen konkrete Zukunftsperspektiven.

Gleichzeitig stellt der Fachkräftebedarf viele Betriebe weiterhin vor große Herausforderungen – nicht wegen mangelnder Ausbildungsbereitschaft, sondern weil es häufig an passenden Bewerbungen fehlt. Umso wichtiger ist es, frühzeitig Orientierung zu bieten und über starke Partnerschaften mit Schulen und Institutionen den Zugang zur Ausbildung zu erleichtern.

Das Handwerk ist bereit – und wir setzen uns weiterhin mit Nachdruck dafür ein, jungen Menschen den Weg in eine sinnstiftende und zukunftsfähige berufliche Laufbahn zu eröffnen.“

Jan Mrosek, DGB-Gewerkschaftssekretär Mülheim-Essen-Oberhausen (MEO):

„Wir als Deutscher Gewerkschaftsbund sehen den Rückgang der Ausbildungsstellen mit großer Sorge. Noch immer klafft eine deutliche Lücke zwischen den angebotenen Stellen und der Zahl der Bewerberinnen und Bewerber. Gleichzeitig zeigt sich ein Passungsproblem: Viele junge Menschen bleiben unversorgt, während Ausbildungsplätze unbesetzt sind. Um diesem Trend entgegenzuwirken, müssen wir gemeinsam noch mehr Anstrengungen in die Berufsorientierung stecken.

„Es ist wichtig zu sehen, dass die Mehrheit der jungen Menschen einen Ausbildungsplatz findet und erfolgreich in ihre Ausbildung startet. Das zeigt, dass die duale Ausbildung nach wie vor ein starkes Modell ist. Dennoch müssen wir weiter positive Werbung für die Ausbildung machen, bei den Betrieben ebenso wie bei jungen Menschen. Ausbildung ist der erste Schritt in ein selbstbestimmtes Leben und entscheidend, um dem Fachkräftebedarf zu begegnen.

Wer nicht ausbildet, darf sich nicht über fehlende Fachkräfte beschweren. Immer nur auf die angeblich mangelnde Qualität junger Menschen zu verweisen und sich deshalb aus der Ausbildung zurückzuziehen, kann nicht das Ziel sein. Es gibt viele begleitende Maßnahmen, die auch schwächeren Jugendlichen eine Chance geben. Man muss es nur wollen.“

Weiterführende Informationen:

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https://www.arbeitsagentur.de/bildung

Fragen? Willkommen bei der Berufsberatung:
https://www.arbeitsagentur.de/vor-ort/essen/deine-berufsberatung-informiert

Einstiegsqualifizierung leicht gemacht:
https://www.arbeitsagentur.de/datei/dok_ba033965.pdf

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