Am 03. Dezember ist der Tag der Menschen mit Behinderung. Miriam Böckstiegel, Spezialistin für berufliche Rehabilitation und Teilhabe der Arbeitsagentur Herford, wirft einen Blick auf die Situation der Menschen mit Schwerbehinderung in den Kreisen Herford und Minden-Lübbecke und blickt besonders auf ihre Chancen am Arbeitsmarkt.
Die Fakten liegen auf dem Tisch: 9,5 Prozent aller Menschen im Kreis Herford und 8,6 Prozent aller Menschen im Kreis Minden-Lübbecke hatten mit Stand 2023 eine Schwerbehinderung. „Rein statistisch ist das jeder 10. bis 12. Mensch. Soll heißen: So gut wie jeder von uns kennt rein statistisch mindestens einen, wenn nicht sogar mehrere Menschen mit Behinderung“, so Miriam Böckstiegel, Spezialistin für berufliche Rehabilitation und Teilhabe der Herforder Arbeitsagentur.
Generell gelte: Je älter man ist, desto wahrscheinlicher ist es, eine Schwerbehinderung zu haben. „Dennoch ist der Anteil auch bei den Menschen im erwerbsfähigen Alter ziemlich hoch: Im Kreis Herford lag er 2023 bei 6,5 Prozent, im Kreis Minden-Lübbecke bei 6,1 Prozent“, so die Expertin.
Trotz dieser vorhandenen Allgegenwärtigkeit haben Menschen mit Schwerbehinderung es bei der Arbeitssuche oft schwerer. „Unternehmen, die im Jahresschnitt mindestens zwanzig Menschen anstellen, müssen eine Beschäftigungsquote für Menschen mit Schwerbehinderung erfüllen. Sie beläuft sich auf fünf Prozent der Arbeitsplätze – und ist damit nicht sehr hoch. Ein Unternehmen mit zwanzig Mitarbeitern müsste beispielsweise nur eine Person mit Schwerbehinderung einstellen“, so Böckstiegel. Doch trotzdem wird dieses Ziel meist nicht erreicht: Im Kreis Herford erfüllen nur 42,9 Prozent aller Arbeitgeber, die eine Beschäftigungsquote für Menschen mit Behinderung abdecken müssen, ihre Quote. Im Kreis Minden-Lübbecke sind es nur 39,7 Prozent.
Woran die Zurückhaltung bei den Unternehmen liegt, zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aus diesem Jahr, die Betriebe zu der Thematik befragt hat. Mehr als die Hälfte der Befragten Arbeitgeber gaben an, dass ein Mangel an geeigneten Tätigkeiten für die geringe Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung verantwortlich ist. Circa ein Viertel gaben einen zu hohen administrativen Aufwand oder zu hohe Ausstattungskosten an. Weitere oft zitierte Gründe waren die Nichterfüllung von Stellenanforderungen, die Sonderregelungen für Menschen mit Schwerbehinderung oder eine potenziell eingeschränkte Leistungsfähigkeit.
Alles Herausforderungen, denen Miriam Böckstiegel mit ihrer Arbeit begegnet: Sie berät Arbeitgeber zu Fragen rund um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung und vermittelt auch zwischen verschiedenen Unterstützungsstellen. Aus ihrer täglichen Arbeit weiß sie: „Zum einen herrscht ein ziemlich verzerrtes Bild von dem Konzept der Behinderung und was das im Arbeitsalltag bedeutet. Jemand, der vor kurzem eine Krebserkrankung überstanden hat, kann bereits einen Grad der Schwerbehinderung haben. Das bedeutet ja aber nicht zwingend, dass diese Person weniger geeignet ist für eine Tätigkeit als ein anderer Mensch. Behinderungen sind vielfältig. Es gibt nicht „die geeignete Tätigkeit“ für einen Menschen mit Behinderung. Das muss individuell beurteilt werden. Das versuche ich im Gespräch mit Unternehmen immer wieder zu erklären.“
Eine weitere Herausforderung sieht sie in dem Dschungel an Fördermöglichkeiten: „Die Arbeitsagentur zahlt unter anderem den Eingliederungszuschuss und kann auch den Arbeitsplatz behindertengerecht ausstatten, der Integrationsfachdienst hat weitere finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten wie zum Beispiel einen langfristigen Minderleistungsausgleich. Das sind nur einige von vielen Förderungen, die es gibt – und die alle zu kennen und die richtigen Ansprechpartner zu finden, ist nicht immer leicht. Da kann ich helfen, beraten oder Kontakt zu weiteren Ansprechpartnern herstellen.“
Miriam Böckstiegel versteht also, woher das verzerrte Bild der Arbeitgeber rührt. „Dass es bei der Komplexität eine gewisse Zurückhaltung gibt, ist verständlich. Aber genau deshalb hoffe ich, dass mehr Unternehmen sich mit dem Thema auseinandersetzen und feststellen: Auch bei uns können Menschen mit Behinderung ohne Probleme arbeiten.“
Unternehmen, die Fragen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung haben, können Miriam Böckstiegel unter 05221 985 264 oder
Herford.161-Reha@arbeitsagentur.de erreichen.
Hintergrund:
Studie des IAB: https://iab.de/publikationen/publikation/?id=15053689