In der Altenpflege bewegt sich etwas: „Die neue Personalbemessung wertet die einjährige Ausbildung zu Altenpflegehelfern deutlich auf“, sagt Anja Becker, Einrichtungsleiterin der Königsberger Diakonie in Wetzlar. Auch Dirk Köhler vom Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit Wetzlar begrüßt die neue Vorgabe, die bislang kaum öffentliche Beachtung fand. Das reformierte Schlüsselsystem sei ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Pflegeberufe und zur langfristigen Sicherung der Versorgungsqualität.
Mit der Einführung eines eigenen Pflegeschlüssels für einjährig ausgebildete Pflegekräfte wird die starre 50:50-Regelung zwischen examiniertem und angelerntem Personal jetzt aufgebrochen. Einrichtungen können so flexibler planen, insbesondere dort, wo der Pflegebedarf der Bewohner geringer ist. „Unsere examinierten Fachkräfte können gezielter für komplexe Aufgaben eingesetzt werden – das entlastet sie spürbar und verbessert gleichzeitig die Betreuung“, erklärt Anja Becker. Die Aufwertung der Helferausbildung bedeute aber auch: Die Erwartungen an die einjährig Ausgebildeten steigen - die Anforderungen bezüglich Ausbildung und Prüfungen ebenso.
Neue Wege in der Fachkräftegewinnung
„Die Veränderungen eröffnen auch Chancen für bisher nicht formal qualifizierte Mitarbeitende“, betont die Pflegeexpertin. Viele von ihnen hätten sich in der Praxis bewährt – jetzt könnten sie durch gezielte Qualifizierung echte Fachkräfte werden. Die Arbeitsagentur unterstützt diesen Prozess aktiv. „Die Arbeitsagentur fördert die Weiterbildung geeigneter Beschäftigter zu einjährigen Altenpflegehelfern – während der Maßnahme übernehmen wir 50 Prozent der Lohnkosten und finanzieren die Lehrgangskosten vollständig“, erläutert Dirk Köhler. Zwölf Mitarbeitende der Königsberger Diakonie profitieren derzeit von dieser Förderung. Sie erhalten ihr bisheriges Gehalt weiter und können gleichzeitig beruflich aufsteigen – ein Modell, das vor allem jenen zugutekommt, die sich eine Ausbildung mit klassischer Ausbildungsvergütung finanziell nicht leisten konnten - ideal auch für Quereinsteiger nach der Kinder- oder Familienpause.
Ein Gewinn für Beschäftigte, Pflegeeinrichtungen und die Gesellschaft
Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Einrichtungen sichern sich bewährte Mitarbeitende, stärken die Bindung ans Unternehmen und bauen Fachwissen aus den eigenen Reihen auf. Die Beschäftigten erhalten eine neue Perspektive, ihr Risiko arbeitslos zu werden sinkt. Gleichzeitig profitieren die Pflegebedürftigen von mehr Stabilität und Qualität im Alltag. Auch für die Gesellschaft zahlt sich das Modell aus. Es reduziert den Bedarf an Leiharbeit und ausländischen Pflegekräften – deren Einsatz sei mitunter mit Sprachbarrieren und dem Wunsch nach vorzeitiger Rückkehr verbunden. „Mit gezielter Qualifizierung im Inland wirken wir dem Fachkräftemangel nachhaltig entgegen und entlasten die sozialen Sicherungssysteme“, betont Dirk Köhler.
Und Anja Becker fügt an: „Das neue Schlüsselsystem, kombiniert mit der Beschäftigtenförderung der Arbeitsagentur, zeigt: Pflegequalität entsteht nicht nur durch mehr Personal, sondern auch durch gezielte Entwicklung und faire Chancen für alle, die sie ergreifen wollen.“