Wie das Jobcenter den Job-Turbo im Landkreis Lörrach zündet

Seit Beginn des Krieges vor knapp zwei Jahren sind mehr als 2000 geflüchtete Menschen aus der Ukraine in den Landkreis Lörrach gekommen. Viele von ihnen können sich einen längeren Aufenthalt vorstellen, wollen vielleicht sogar für immer bleiben. Dem gegenüber stehen Unternehmen, die dringend Arbeits- und Fachkräfte benötigen. Eine hohe Zahl der hier lebenden Geflüchteten verfügt inzwischen über Basis-Deutschkenntnisse. Für eine gute Integration dieser Menschen ist nun der Einstieg in den Arbeitsmarkt von zentraler Bedeutung. Für Unternehmen eröffnet sich damit die Möglichkeit, vielfältige und talentierte neue Mitarbeitende zu gewinnen.

14.02.2024 | Presseinfo Nr. 19

Zu denen, die gerne bleiben möchten, gehört Yuliya Biretska. Sie floh im Februar 2022 mit ihren beiden Kindern aus ihrer Heimat Lviv. Fast zwei Tage dauerte die Odysee bis sie endlich in Südbaden ankamen. Deutschland war ihr nicht fremd, in Bielefeld absolvierte sie ihr Studium und lebte einige Jahre in Deutschland. Ein großer Vorteil, der ihr den Start und die Integration vereinfachte. Für sie war klar, dass sie auf eigenen Füßen stehen, unabhängig sein möchte – und das so schnell wie möglich. Bereits im Sommer 2022 bewarb sie sich im Jobcenter Landkreis Lörrach und wurde kurz darauf eingestellt. Zu Beginn als Dolmetscherin, etwas später gelang der Wechsel als Arbeitsvermittlerin.

Biretska möchte ein Vorbild sein, nicht nur für ihre Kinder, denen sie vermittelt, dass sich der Blick nach vorne lohne und man nicht zu sehr in der Vergangenheit leben darf. „Diese Einstellung möchte ich auch meinen Landsleuten mitgeben. Als Vermittlerin ist es mir möglich, sie auf diesem Weg zu unterstützen.“, erklärt Biretska. Immerhin ist jetzt die Existenz durch eigene Mittel gesichert. Der nächste wichtige Schritt ist weiter an der deutschen Sprache zu arbeiten. Danach kommen weitere Qualifizierungen im Beruf, um dauerhaft integriert zu bleiben.

 

Erfolg durch Ansprache auf Augenhöhe

Für die Arbeit des Job-Turbo-Teams, welches zum Jahresbeginn startete, ist eine Kollegin mit ukrainischen Sprachkenntnissen eine echte Bereicherung, erklärt Luca Bothe, der das Team koordiniert. „Ich erlebe, dass die Ansprache unserer Kundinnen und Kunden durch Frau Biretska offensiver und direkter ist, dass sie Verbindlichkeit schafft. Sie hat alles selbst erlebt, kennt die Hintergründe und bekommt dadurch einen ganz anderen Zugang zu den Menschen.“

 

Der Motor läuft

Die Vermittlungsfachkräfte um Luca Bothe haben derzeit alle Hände voll zu tun. Aktuell werden fast täglich Infoveranstaltungen durchgeführt, die geflüchtete Menschen über Angebote und Dienstleistungen informieren, einen Überblick über offene Stellen geben und mögliche berufliche Perspektiven öffnen.

 

Auch sogenannte Bewerbertage sind ein gern genutztes Format, um Menschen mit interessierten Arbeitgebern zusammenzubringen. Unbürokratisch, niederschwellig und unverbindlich bekommen Interessierte hierbei die Möglichkeit, das jeweilige Unternehmen kennenzulernen.

Von ihrer erfolgreichen Einstellung berichteten zwei Ukrainerinnen beim letzten Bewerbertag, der gemeinsam mit der Firma Hieber durchgeführt wurde. Marina Kozak und Viktoria Prokopenko kamen ebenfalls zu Beginn des Kriegsgeschehen in die Region. Nach abgeschlossenem Integrationskurs wurden beide vom Jobcenter in Lörrach betreut, nahmen kurze Zeit später eine Beschäftigung bei Hieber auf. „Wir sind wirklich zufrieden, die Arbeit macht uns Spaß. Hier sind wir unter Menschen, hier können wir uns einbringen.“, sind sich beide einig.

Sie möchten mit ihrer Geschichte anderen Mut zu machen, ihnen zeigen, dass es keine perfekten Deutschkenntnisse braucht um, Geld zu verdienen und sich zu integrieren.

 

Einfach mal machen

Wie wichtig es ist, die ukrainische Community miteinzubinden, weiß auch Bothe, denn der Auftrag von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist klar formuliert: Menschen mit Bleibeperspektive sollen möglich nahtlos nach dem Integrationskurs Arbeit aufnehmen, Sprache soll berufsbegleitend verfestigt und weiterausgebaut werden.

Das ist kein Selbstläufer, da gilt es nicht nur Unsicherheiten bei Unternehmen auszuräumen, Menschen mit geringer Sprachkompetenz eine Chance zu geben. „Man müsse auch ehrlich sein“, so Bothe, „die richtige Arbeitseinstellung und Motivation ist erfolgsentscheidend.“ Wichtig sei, überhaupt den Schritt in die Beschäftigung zu wagen – auch wenn diese nicht dem gelernten oder ausgeübten Beruf in der Heimat entspricht.

„Aus der Arbeit heraus kann man sich dann weiterorientieren oder die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen durchlaufen. Gleichzeitig endet unsere Unterstützung dann nicht. Durch berufsbegleitende Sprachförderung und Beschäftigtenqualifizierung möchten wir in einem dritten Schritt Helfer zu Fachkräften machen“.

 

Sicherheit und Selbstbestimmung stehen im Vordergrund

Auch Yuliya Biretska übt nun eine Tätigkeit aus, die nichts mit ihrem letzten Beruf gemein hat und doch ist sie damit sehr zufrieden:

„Meine Arbeit ermöglicht mir und meinen Kindern ein planbares und selbstbestimmtes Leben. An meinen Aufgaben wachse ich jeden Tag, ich habe die Chance mich zu entwickeln. Und ich habe die Möglichkeit, anderen Geflüchteten beim Übergang in den Beruf zu helfen“, freut sich Biretska, die jüngst einen unbefristeten Arbeitsvertrag beim Jobcenter Landkreis Lörrach unterschrieb.

 

Zahlen, Daten, Fakten

Im Landkreis Lörrach beziehen rund 12.700 Männer und Frauen im erwerbsfähigen Alter Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II, das sogenannte Bürgergeld. Darunter sind rund 3.000 Geflüchtete. Die Ukrainer stellen hier mit 1.800 Bürgergeldbeziehern die größte Gruppe dar, dicht gefolgt von 1.200 Geflüchteten aus den Herkunftsländern Syrien, Irak, Iran, Eritrea, Afghanistan, Pakistan, Nigeria und Somalia

Durchschnittlich dauert ein Integrationskurs 6-8 Monate, rund 600 geflüchtete Menschen absolvierten diesen im Landkreis Lörrach erfolgreich und stehen dem Arbeitsmarkt faktisch zur Verfügung, weitere 600 beenden diesen in den nächsten Monaten.

Bisher haben rund 500 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen, weitere 100 üben einen Mini-Job aus.

 

Schneller einstellen mit dem „Job-Turbo“

Unter dem Titel „Job-Turbo“ wurde vom Bundesarbeitsministerium ein Aktionsplan zur Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt vorgestellt. Ziel ist es, die Kundinnen und Kunden aus den acht Asyl-Herkunftsländern und der Ukraine auch mit geringen Deutschkenntnissen eine Beschäftigung zu ermöglichen. Die Vertiefung der deutschen Sprache in Kombination mit ersten Arbeitserfahrungen und Qualifizierungen sollen dabei stärker Hand in Hand gehen.

 

Tipp:Aktionswoche „Job-Turbo“ vom 22. bis 26.04.24 im Jobcenter Lörrach

Neben verschiedenen Infoveranstaltungen findet auch erstmalig eine Speed-Dating-Jobmesse für geflüchtete Menschen statt. Im Rahmen von Kurzinterviews können Teilnehmende verschiedene Unternehmen und deren Beschäftigungsmöglichkeiten kennenlernen.

 

Angebot der Agentur für Arbeit für Arbeitgeber

Für interessierte Arbeitgeber, die Geflüchteten eine Chance zum Einstieg in ihrem Betrieb geben möchten, findet am 12.03.2024 um 11 Uhr eine Infoveranstaltung mit Experten des Arbeitgeber-Service statt. 

Unter der kostenfreien Hotline 0800 4 5555 20 berät der Arbeitgeber-Service generell zum Thema Job-Turbo und allen damit verbundenen Fragen.