Ausbildungsmarktbilanz: Wirtschaftliche Situation und Passungsprobleme hinterlassen Spuren

- Leicht rückläufiges Ausbildungsstellenangebot

- Bewerbersituation stabil

- Unterschiede in den Landkreisen Neuwied und Altenkirchen

10.11.2025 | Presseinfo Nr. 44

Zum Abschluss des Ausbildungsjahres (Oktober 2024 bis September 2025) zieht die Arbeitsagentur Neuwied Bilanz. 1.548 junge Menschen nahmen in diesem Zeitraum die Dienstleistungen der Berufsberatung in Anspruch und bekundeten ihr Interesse für eine Ausbildung. Das sind 46 Personen weniger als im vorherigen Ausbildungsjahr. Zugleich meldeten die Betriebe im Agenturbezirk, der die Kreise Neuwied und Altenkirchen umfasst, 2.022 Ausbildungsstellen –hier gibt es ein Minus von 241 Stellen (-10,6 Prozent).

„Die aktuelle konjunkturelle Stimmung hinterlässt inzwischen auch Spuren auf dem Ausbildungsmarkt“, sagt Stefanie Adam, Vorsitzende der Geschäftsführung der Neuwieder Arbeitsagentur. „Die regionalen Betriebe haben lange eine ungebrochen hohe und steigende Ausbildungsbereitschaft gezeigt. Im aktuellen Jahr ist allerdings erstmals ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen.“ Dadurch nähern sich Angebot und Nachfrage, die seit 2019 immer weiter auseinanderdrifteten, im Ausbildungsjahr 2024/25 wieder etwas an.

„Doch wirtschaftliche Unsicherheiten allein erklären diese Entwicklung nicht vollständig. Hinter der verhaltenen Meldung neuer Ausbildungsstellen können verschiedene Ursachen stehen“, beschreibt Stefanie Adam die Situation. „Manche Betriebe haben ihre Ausbildungsplätze bereits aus vergangenen Auswahlverfahren oder durch Initiativbewerbungen besetzen können und sahen deshalb keinen Bedarf, erneut Stellen auszuschreiben. Andere gehen inzwischen alternative Wege bei der Nachwuchsgewinnung – etwa durch direkte Übernahme aus Praktika, schulische Kooperationen oder durch interne Qualifizierungsprogramme. Insgesamt zeigt sich: Der Ausbildungsmarkt bleibt in Bewegung. Nicht allein die Konjunktur, sondern auch betriebliche Strategien, strukturelle Veränderungen und langfristige Personalplanungen prägen das aktuelle Bild.“

Kristina Kutting, IHK-Regionalgeschäftsführerin Altenkirchen und Neuwied, kann diese Entwicklung bestätigen: „Die Zahl der neu eingetragenen IHK-Ausbildungsstellen in den Landkreisen Altenkirchen und Neuwied zeigt in diesem Jahr größere Schwankungen im Vergleich zum Kammerbezirk Koblenz. Diese Schwankungen sind vor allem auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen in den jeweiligen Regionen zurückzuführen.“ Die IHK ist für die Ausbildungsstellen in den kaufmännischen und gewerblichen Berufen zuständig.

Dies wird beim Blick auf die Zahlen der einzelnen Landkreise verdeutlicht. Im Landkreis Neuwied meldeten 868 BewerberInnen ihr Interesse an einer betrieblichen Ausbildung. 1.375 Berufsausbildungsstellen wurden hingegen von den Betrieben ausgeschrieben. 

Im Landkreis Altenkirchen konnten 680 BewerberInnen gezählt werden, während die Betriebe 647 Ausbildungsstellen meldeten. Erstmalig seit 2019 sind hier mehr Ausbildungssuchende als Ausbildungsstellen zu verzeichnen.

„Im Landkreis Altenkirchen hat sich die Anzahl der Ausbildungsstellen in den letzten Jahren relativ stabil gezeigt. In diesem Jahr sind jedoch zum jetzigen Zeitpunkt signifikante Rückgänge zu verzeichnen. Diese Entwicklung stellt einen markanten Unterschied zu den vorherigen Jahren dar, in denen die Zahlen konstant auf einem höheren Niveau lagen. In Neuwied sind im Jahr 2023 sowie im ersten Halbjahr 2024 größere Zuwächse bei den Ausbildungsplätzen zu verzeichnen. Jedoch nähern sich die Zahlen aktuell wieder dem Niveau des Jahres 2020 an, was auf eine gewisse Stabilisierung hinweist“, erläutert Kristina Kutting.

Im Gegensatz zu den gemeldeten Ausbildungsstellen zeigt sich die BewerberInnensituation stabil. Hier ist lediglich ein Rückgang von 2,9 Prozent zu verzeichnen. Die Zahl der Ausbildungssuchenden, die einen Migrationshintergrund haben, steigt im Vorjahresvergleich um 38 auf 275 Personen. Während es im Ausbildungsjahr 2023/24 einen Anstieg von BewerberInnen mit Mittlerer Reife gab, hat sich diese Entwicklung im aktuellen Ausbildungsjahr nicht fortgesetzt. 535 BewerberInnen (-42) haben Mittlere Reife, 498 (-10) einen Hauptschulabschluss und 414 (+18) die (Fach-)Hochschulreife.

Rein quantitativ betrachtet war für alle Ausbildungsinteressierten ein Ausbildungsplatz in der Region vorhanden. Auf 100 betriebliche Ausbildungsstellen kamen lediglich 80 BewerberInnen. Diese Rechnung geht allerdings nicht ganz auf, weil sowohl die Berufswünsche der Schulabsolventen wie auch die betrieblichen Anforderungen nicht immer zueinander passen. 

Ende September waren noch 99 BewerberInnen unversorgt, an deren Ausbildungsvermittlung intensiv weitergearbeitet wird. „Diese Zahl hat sich bereits verringert und wird noch weiter sinken“, sagt Julia Flada, Teamleiterin der Berufsberatung der Arbeitsagentur Neuwied. „Anfang November sind noch 70 Jugendliche unversorgt. Auch wenn statistisch das Ausbildungsjahr mit dem September endet, finden weiterhin Nachvermittlungen statt.“ 

Manche Betriebe finden häufig trotz intensiver Bemühungen keinen passenden Nachwuchs. Von diesem Bewerbermangel betroffen sind insbesondere handwerkliche Berufe, Lebensmittelberufe wie z.B. Fleischer, Berufe im Hotel- und Gaststättengewerbe und die Pflege- und Erziehungsberufe. So waren zum Ende des Ausbildungsjahres noch 331 Ausbildungsstellen unbesetzt. Das sind 38 Stellen weniger als im Vorjahr. Dabei sind viele ArbeitgeberInnen inzwischen bereits kompromissbereiter, was Noten und den Schulabschluss betrifft: 50,5 Prozent der gemeldeten Stellenangebote setzen mindestens einen Hauptschulabschluss voraus, 34,7 Prozent einen Realschulabschluss und 10,4 Prozent die (Fach-)Hochschulreife. 

Bernd Hammes, Geschäftsführer Berufsbildung der Handwerkskammer (HwK) Koblenz, zeigt sich dennoch mit dem Ergebnis des Ausbildungsjahres zufrieden: „Das Handwerk der Kreise Neuwied und Altenkirchen wie auch der Stadt Neuwied schneidet bei der Nachwuchsgewinnung gut ab. Bei der jüngsten Erhebung neu eingetragener Lehrverträge zum 1. November sehen wir in beiden Regionen eine stabile Entwicklung, die im Fünfjahresvergleich leichte Zuwächse verzeichnen kann“, erläutert Bernd Hammes, Hintergründe. „Das ist die gute Botschaft. Viele offene Lehrstellen müssen noch besetzt werden – das ist die aktuelle Herausforderung. Wir gehen dabei neue, moderne Wege in der Ansprache Jugendlicher und sehen auch hier Erfolge. Insofern blicken wir optimistisch auf die Entwicklung wie auch die aktuellen Zahlen.“

„Unsere Berufsberaterinnen und Berufsberater merken, dass es weniger an fehlenden Ausbildungsplätzen liegt, denn trotz reduzierter Stellenmeldungen ist das Angebot nach wie vor hoch und umfangreich. Leider scheitert es oft an der richtigen Passung“, sagt Julia Flada. Daher empfiehlt sie für beide Seiten des Ausbildungsmarktes Praktika. „Berufliche Erprobungen schaffen eine wichtige Brücke zwischen Motivation und konkreter Chance. Sie geben jungen Menschen vor der ersten Ausbildung Orientierung, und unterstützen Arbeitgeber dabei, passende Talente zu entdecken“, sagt Julia Flada. Häufig reicht eine Bewerbung oder ein Vorstellungsgespräch nicht aus, um zu überzeugen. „Gerade zur Feststellung von überfachlichen Kompetenzen wie Motivation, Pünktlichkeit und Teamfähigkeit eignet sich ein Praktikum hervorragend“, so Flada. „Und die Jugendlichen können feststellen, ob der Arbeitsalltag im gewünschten Beruf tatsächlich ihren Vorstellungen entspricht, ebenso wie der Betrieb selbst. Dies wiederum verhindert Ausbildungsabbrüche.“

Informationen, Beratung und Vermittlung bekommen Jugendliche über die Berufsberatung (Neuwied.151-BBvE@arbeitsagentur.de) Telefon: 02631/891 891 oder Hotline: 0800 4 5555 00), Betriebe beim Arbeitgeberservice (Telefon: 0800 4 5555 20). Die Hotlines und das gesamte Angebot sind kostenfrei.  

Übersicht Ausbildungsmarkt 2023/24

2024/2025

Vorjahr 2023/2024

Veränderung zum Vorjahr

gesamter Agenturbezirk

Bewerber

1548

1594

-46

Davon noch unversorgt

99

75

24

Ausbildungsstellen

2022

2263

-241

Davon unbesetzt

331

369

-38

Landkreis Altenkirchen

 

 

 

Bewerber

680

719

-39

Davon noch unversorgt

40

17

23

Ausbildungsstellen

647

728

-81

Davon unbesetzt

142

116

26

Landkreis Neuwied

 

 

 

Bewerber

868

875

-7

Davon noch unversorgt

59

58

1

Ausbildungsstellen

1375

1535

-160

Davon unbesetzt

189

253

-64