NRW-Arbeitsmarkt im Juli Zwar saisonüblicher Anstieg der Arbeitslosigkeit - aber konjunktureller Druck am Arbeitsmarkt wächst

Die Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen ist zum Beginn der Sommerferien wie in jedem Jahr gestiegen und liegt im Juli bei 799.196 Personen. Das sind 18.286 Menschen beziehungsweise 2,3 Prozent mehr als im Vormonat. Zum Ende des Monats laufen viele befristete Arbeitsverträge aus, außerdem beenden zahlreiche junge Menschen ihre dreijährige Ausbildung. Dies führt zu einem Anstieg insbesondere bei den jüngeren Arbeitslosen.
Die Arbeitslosenquote erhöhte sich im Vergleich zum Vormonat um 0,2 Prozentpunkte und beträgt nun 8,0 Prozent. Gegenüber dem Juli des vergangenen Jahres ist die Zahl der Arbeitslosen um 35.814 Personen oder 4,7 Prozent gestiegen. Damit erreicht die Arbeitslosigkeit in NRW den höchsten Stand seit April 2010. 
Für den kommenden Monat wird ein weiterer Anstieg erwartet. Im August könnte die Arbeitslosigkeit die Zahl von 800.000 Personen überschreiten.
Die Unterbeschäftigung - dazu zählen neben den Arbeitslosen auch Personen, die sich beispielsweise in Qualifizierungsmaßnahmen befinden - blieb annähernd auf Vorjahresniveau.
 

31.07.2025 | Presseinfo Nr. 15

„Zunächst einmal typisch für die Jahreszeit ist es, dass zur Mitte des Jahres viele befristete Arbeitsverträge auslaufen, zudem enden die dreijährigen Ausbildungsgänge. Gleichzeitig beobachten wir aber auch, dass die konjunkturellen Herausforderungen Spuren am Arbeitsmarkt hinterlassen“, sagte Roland Schüßler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit: „Besonders junge Menschen spüren die saisonübliche Entwicklung. Viele Absolventinnen und Absolventen melden sich nach ihrer Ausbildung für eine Übergangszeit zunächst arbeitslos. Im Juli ist daher die Jugendarbeitslosigkeit in NRW um 10,9 Prozent gestiegen – und damit deutlich kräftiger als im Durchschnitt aller Arbeitslosen. Die gute Nachricht: Für viele Absolventinnen und Absolventen dauert diese Phase in der Regel nur wenige Wochen. Denn Fachkräfte mit frischer Ausbildung sind gefragt, viele finden schon bald nach dem Ende der Ferien ihre erste Stelle als frischgebackene Fachkraft.“ 

„Gleichzeitig“, sagte Schüßler, „beobachten wir einen zunehmenden Druck am Arbeitsmarkt aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheiten in den Unternehmen“. 

Zunehmende Widersprüche am Arbeitsmarkt sind eine Folge: „Die Arbeitslosigkeit ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich um rund 36.000 Frauen und Männer gestiegen und liegt nun schon bei fast 800.000 Arbeitslosen. Und im August möglicherweise darüber. Zudem sinkt in kleinen Schritten monatlich die Zahl der offenen Stellen.“ Auch der saisonübliche Anstieg der Arbeitslosigkeit im Juli fiel etwas stärker aus als im langjährigen Durchschnitt von rund 16.000 Personen.

„Andererseits“, so der Arbeitsmarktexperte weiter, „suchen weiterhin viele Unternehmen dringend qualifiziertes Personal.“ So zum Beispiel in technischen Berufen, etwa in der Automatisierungs- oder Metalltechnik, in Heizung und Klima oder in den IT-Berufen. Auch im Bereich Gesundheit und Soziales und in manchen Handelsberufen wie dem Verkauf von Lebensmittel ist Fachpersonal knapp. „Aktuell sind etwa 75.000 Stellen für Fachkräfte gemeldet. Das sind etwa drei Mal so viele offene Stellen wie für Menschen ohne eine formale Qualifikation, für die Unternehmen in NRW aktuell rund 26.000 Stellen anbieten.“

Langfristige Perspektive nur durch gezielte Qualifizierung

Darin liegt für Schüßler die größte Herausforderung am Arbeitsmarkt: „Zwar wächst derzeit auch bei Fachkräften die Arbeitslosigkeit, doch Menschen ohne Berufsausbildung sind signifikant häufiger arbeitslos.“ Eine andere Zahl demonstriert die ungleichen Chancen sehr gut: Auf 100 offene Fachkraftstellen kamen im Juli 293 arbeitslose Bewerberinnen und Bewerber mit einer Berufsausbildung. Im Bereich einfacher Helfertätigkeiten war die Konkurrenz viel größer: Dort bewarben sich rund 1.730 Menschen auf 100 offene Stellen. Die Lösung für diese scheinbar paradoxe Entwicklung – steigende Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftemangel – sieht Schüßler in der Ausbildung und der konsequenten Qualifizierung von Arbeitsuchenden: „Das ist kein kurzfristiger Hebel, aber der langfristig wichtigste.“

Obwohl die Arbeitslosigkeit zugenommen hat, blieb im Vergleich zum Vorjahr die Gesamtzahl aller Kundinnen und Kunden in der Arbeitsvermittlung stabil: „Man kann es auch so ausdrücken: Es sind nicht mehr Menschen im System der Arbeitsvermittlung als vor einem Jahr – aber von ihnen sind aktuell mehr arbeitslos“, sagte Arbeitsmarktexperte Schüßler. 

Dabei geht es um die sogenannte Unterbeschäftigung. Die Zahl der unterbeschäftigten Personen umfasst alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die entweder arbeitslos gemeldet oder in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wie Qualifizierungen oder Weiterbildungen eingebunden sind. Die Unterbeschäftigung lag in NRW im Juli mit 962.453 Personen sogar geringfügig unter dem Wert des Vorjahres. 

Auch hier zeigen sich Auswirkungen der konjunkturellen Schwäche: „Unternehmen, die mögliche Einstellungen aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheiten verschoben haben, verzichten auch darauf, arbeitslose Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einzuladen, damit sie ihre tatsächliche Eignung und Fähigkeiten im praktischen Betrieb unter Beweis zu stellen – auch dann, wenn formale Qualifikationen fehlen“, erläutert Schüßler. Gerade diese auf berufliche Eingliederung sowie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zielenden arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen finden seit Monaten deutlich seltener statt. „Für die Menschen bedeutet dies deutlich geringere Chancen, sich am Arbeitsmarkt zu zeigen und zu beweisen. Für diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fühlt sich der Arbeitsmarkt derzeit wie eingefroren an – während zugleich Fachkräfte vor allem in den Engpassberufen von Unternehmen gezielt umworben werden.“

Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung

In Nordrhein-Westfalen waren im Juli 799.196 Menschen arbeitslos gemeldet. Das waren 18.286 Personen oder 2,3 Prozent mehr als einen Monat zuvor. Im Vergleich zum Vorjahr lag die Zahl der Arbeitslosen um 4,7 Prozent oder 35.814 Personen höher. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,2 Prozentpunkt auf 8,0 Prozent. Vor einem Jahr lag sie im Juli bei 7,6 Prozent.

Den stärksten Anstieg gab es in der Arbeitslosigkeit junger Menschen unter 25 Jahre. Grund ist das Auslaufen der dreijährigen Ausbildungsverträge nach bestandener Prüfung. Im Juli waren 7.122 junge Menschen oder 10,9 Prozent mehr arbeitslos gemeldet als einen Monat zuvor. Insgesamt waren 72.546 junge Menschen unter 25 Jahre arbeitslos – 5,1 Prozent oder 3.499 mehr als vor einem Jahr.  In der Regel sinkt die Zahl junger Arbeitsloser im Herbst wieder deutlich. Dann haben viele Absolventinnen und Absolventen nach einer Phase der Übergangsarbeitslosigkeit ihre erste Anstellung als Fachkraft gefunden. 

Die Unterbeschäftigung stieg im Vergleich zum Vormonat um 6.572 Personen oder 0,7 Prozent auf 962.453 Personen – 198 weniger als vor einem Jahr. Die Unterbeschäftigung fasst neben der Arbeitslosigkeit auch die Teilnahme an Maßnahmen, während derer die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht als arbeitslos gelten. Der deutliche Rückgang arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen zum Vorjahr um 20.911 oder 11,4 Prozent hat daher unmittelbar Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit, jedoch keine auf die Unterbeschäftigung. Insgesamt nahmen 162.237 Personen im Juli an Maßnahmen der Arbeitsagenturen und Jobcenter teil. 

Ein Plus gab es bei der beruflichen Weiterbildung: 51.753 Teilnehmenden an Qualifizierungsmaßnahmen bedeuteten 3.726 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder 7,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Als unterbeschäftigt, aber nicht arbeitslos galten im Juli 163.257.

Weniger offene Arbeitsstellen in NRW

Im Juli wurden in NRW 23.560 offene Stellen neu gemeldet. Damit meldeten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zwar mehr neue Stellen als im Vormonat. Das Plus betrug 8,5 Prozent oder 1.847 Stellen. Doch sank im selben Zeitraum die Zahl der insgesamt bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern gemeldeten offenen Stellen im Vergleich zum Vormonat um 559 Arbeitsangebote oder 0,4 Prozent auf 125.727 Arbeitsstellen. Vor einem Jahr gab es in NRW 11.894 oder 8,6 Prozent offene Stellen mehr. Gleichzeitig waren im Juli bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern 218.293 Fachkräfte und 442.616 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne formale Qualifikation arbeitslos gemeldet. Damit kamen auf 100 offene Fachkraftstellen 293 arbeitslose mit einer Berufsausbildung. Im Bereich einfacher Helfertätigkeiten war die Konkurrenz viel größer: Dort bewarben sich rund 1.730 Menschen auf 100 offene Stellen.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lag im Mai bei 7.360.300 und stieg gegenüber dem Vorjahr um 20.600 Personen (+0,3%). Zum Vergleich: Die aktuelle Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem sozialversicherungspflichtigen Job liegt in NRW um rund eine Millionen Beschäftigte höher als vor 10 Jahren. 

Der Arbeitsmarkt in den NRW-Regionen im Juli 2025

In allen sechs Arbeitsmarktregionen stieg im Juli die Arbeitslosigkeit: Im Münsterland stieg die Arbeitslosenquote um 0,1 Prozentpunkte auf 5,1 Prozent. In allen anderen Regionen stieg die Quote um 0,2 Prozentpunkte. In Süd- und Ostwestfalen auf 6,5 Prozent, im Rheinland auf 7,7 Prozent, im Bergischen Land auf 7,8 Prozent und im Ruhrgebiet auf 10,7 Prozent.

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