„Wie wir schon im vergangenen Monat erwartet haben, ist im August in NRW die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen auf über 800.000 Personen gestiegen. Eine ähnlich hohe Zahl an Arbeitslosen hatten wir das letzte Mal im Bundesland im April 2010“, sagte Roland Schüßler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit. „Dabei sind zwei ineinandergreifende Faktoren für diese Entwicklung zu unterscheiden. Zum Anstieg der Arbeitslosigkeit im August haben vor allem für den Sommer typische saisonale Einflüsse geführt, insbesondere im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit. Zum anderen ist der Arbeitsmarkt deutlich sichtbar unter starken konjunkturellen Druck geraten. Das führt zur hohen Gesamtzahl an Arbeitslosen.“
Das erläuterte Schüßler weiter: „Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit im August ist eine übliche, in jedem Jahr wiederkehrende Entwicklung. Sie ist ein Resultat der Sommerpause in den Unternehmen. Das betrifft viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Verträge zur Jahresmitte enden, darunter auch viele junge Absolventinnen und Absolventen einer Ausbildung. Gerade bei diesen frischen Fachkräften ist es jedoch häufig nur eine kurze Übergangszeit der Arbeitslosigkeit, bis sie, nach dem es in den Betrieben wieder losgegangen ist, ihren ersten Job in ihrem erlernten Beruf antreten können.“
„Andererseits“, sagte Schüßler weiter, „sehen wir im August deutlich die Auswirkung des anhaltend hohen konjunkturellen Drucks auf den Arbeitsmarkt. Seit fast drei Jahren melden wir beinahe jeden Monat, dass die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in einem leicht eingetrübten, aber dennoch saisonüblichen Rahmen geschieht – jeweils nur mit einer leichten Abweichung. Über den ganzen Zeitraum gesehen haben diese jeweils nur leichten Abweichungen von Monat zu Monat die Arbeitslosigkeit in kleinen Schritten weiter wachsen lassen. Das hat dazu geführt, dass wir jetzt, im August, zum ersten Mal nach langer Zeit wieder mehr als 800.000 Arbeitslose in NRW zählen.“
Für die nächsten Monate sieht Schüßler erst einmal wieder einen Rückgang der Arbeitslosigkeit: „Es geht jetzt in den Betrieben wieder los, zum 1.September treten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre bereits länger schon vereinbarten neuen Arbeitsverhältnisse an, außerdem beginnen in vielen Personalabteilungen wieder die Auswahlgespräche, die perspektivisch zu weiteren Neueinstellungen führen. Die positive Botschaft ist erst einmal, dass durch diese saisonal typische Entwicklung schon in den kommenden Monaten wieder viele Menschen zurück in Arbeit finden werden. Gleichzeitig müssen wir aber auch die weitere längerfristige Entwicklung am Arbeitsmarkt genau im Blick behalten.“
Fachkräftemangel bleibt eine zentrale Herausforderung
Als langfristige Herausforderung am Arbeitsmarkt sieht Schüßler insbesondere die Fachkräftesicherung: „Wir sehen aktuell bereits Fachkräfte-Engpässe in 45 Berufen in NRW. Personal ist nicht nur im Bereich Gesundheit und Soziales und in einigen Berufen im Handel knapp, sondern auch in technischen Berufen, etwa in der Automatisierungs- oder Metalltechnik, in den Bereichen Heizung und Klima oder in den IT-Berufen. Viele Unternehmen zögern derzeit trotz Bedarf bei der Einstellung neuer Arbeitskräfte. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir die Herausforderung Fachkräftesicherung aus den Augen verlieren.“
Denn mit den ersten konjunkturellen Lichtblicken wird die Fachkräftesicherung schnell wieder zum Topthema, ist der Arbeitsmarktexperte überzeugt: „Trotz steigender Arbeitslosigkeit haben wir Fachkräfteengpässe. Das ist nur scheinbar ein Paradox. Denn mehr als die Hälfte der arbeitslosen Menschen hat keine ausreichende Qualifikation und verliert zum Teil deshalb auch den Job. Hier müssen wir tätig werden – zum Beispiel, indem wir Menschen ohne formale Ausbildung am Arbeitsplatz qualifizieren und damit Arbeitslosigkeit verhindern. Damit unterstützen wir zudem die Unternehmen inhouse bei der Fachkräftesicherung. Schüßler ist überzeugt: „Der Arbeitsmarkt bietet immer Chancen – auch in schwierigen Zeiten. Entscheidend ist, dass Unternehmen rechtzeitig investieren und wir gleichzeitig arbeitslose Menschen konsequent bei der Qualifizierung unterstützen. So können wir Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit zugleich wirksam begegnen.“
Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung
In Nordrhein-Westfalen waren im August 803.815 Menschen arbeitslos gemeldet. Damit waren 4.619 Menschen oder 0,6 Prozent mehr arbeitslos genmeldet als einen Monat zuvor. Im Vergleich zum Vorjahr lag die Zahl der Arbeitslosen um 4,0 Prozent oder 30.700 Personen höher. Die Arbeitslosenquote blieb bei 8,0 Prozent und lag damit 0,3 Punkte über dem Vorjahr.
Den stärksten Anstieg gab es in der Arbeitslosigkeit junger Menschen unter 25 Jahre. Mit 75.669 Personen waren 3.123 junge Menschen oder 4,3 Prozent mehr arbeitslos gemeldet als einen Monat zuvor. Das waren 3.060 oder 4,2 Prozent mehr als vor einem Jahr. In der Regel sinkt die Zahl junger Arbeitsloser im Spätsommer und Herbst wieder deutlich. Denn viele von ihnen sind Absolventen einer dreijährigen Berufsausbildung, die sich im Sommer nach bestandener Prüfung für eine Übergangszeit arbeitslos gemeldet haben – und nach der Sommerpause ihre erste Stelle als Fachkraft antreten oder finden werden.
Obwohl die Arbeitslosigkeit zugenommen hat, blieb im Vergleich zum Vorjahr die Gesamtzahl aller Kundinnen und Kunden in der Arbeitsvermittlung stabil. Dabei geht es um die sogenannte Unterbeschäftigung. Sie fasst die Gesamtzahl aller Menschen, die arbeitslos sind plus die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die nicht als arbeitslos gelten. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl der unterbeschäftigten Menschen in NRW um 2.442 Personen oder 0,3 Prozent. Auch im Vergleich zum Vormonat ist die Unterbeschäftigung gesunken – geringfügig um 333 Personen.
Zahl der offenen Arbeitsstellen in NRW leicht gestiegen
Im August wurden in NRW 24.076 offene Stellen neu gemeldet. Das waren 516 mehr als im Vormonat und 549 mehr als im Vorjahr. Damit stieg im Vergleich zum Vormonat die Zahl der insgesamt bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern gemeldeten offenen Stellen um 940 oder 0,7 Prozent auf 126.667 Arbeitsstellen. Allerdings lag die Zahl der offenen Stellen vor einem Jahr in NRW um 10.864 oder 7,9 Prozent höher.
Für Fachkräfte waren dabei 75.010 Stellen ausgeschrieben; für Menschen ohne ausreichende Qualifikation meldeten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im August 25.790 offene Stellen. Diesen standen 218.126 Arbeitnehmerinnen mit einer beruflichen Ausbildung sowie 443.137 arbeitslose Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne formale Qualifikation gegenüber. Damit kamen auf 100 offene Fachkraftstellen 291 Arbeitslose mit einer Berufsausbildung. Im Bereich einfacher Helfertätigkeiten war die Konkurrenz deutlich höher: Hier bewarben sich rund 1.718 Menschen auf 100 offene Stellen.
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lag im Juni bei 7.352.500 Personen. Das waren 25.900 Personen oder 0,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Zum Vergleich: Die aktuelle Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einem sozialversicherungspflichtigen Job liegt in NRW um rund eine Millionen Beschäftigte höher als vor 10 Jahren.
Der Arbeitsmarkt in den NRW-Regionen im August 2025
In allen sechs Arbeitsmarktregionen stieg im August die Arbeitslosigkeit: Im Münsterland stieg die Zahl der Arbeitslosen am stärksten, gefolgt vom Bergischen Land. Hier stieg die Arbeitslosenquote jeweils um 0,1 Prozentpunkte, im Münsterland auf 5,2, im Bergischen Land auf 7,9 Prozent. In allen anderen Regionen blieb aufgrund des geringen Anstiegs der Arbeitslosigkeit die Quote stabil auf dem Niveau des Vormonats: In Süd- und Ostwestfalen bei 6,5 Prozent, im Rheinland bei 7,7 Prozent und im Ruhrgebiet bei 10,7 Prozent.
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