Hohe Energiekosten und konjunkturelle Schwäche auf der einen Seite, Fachkräftedilemma auf der anderen: Die Wirtschaft war im vergangenen Jahr gegenläufigen Einflüssen ausgesetzt. "Die Herausforderungen für Unternehmen sind sichtbar am Arbeitsmarkt angekommen", zieht Reiner Zwilling, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Rheine, Bilanz zum vergangenen Jahr.
"Nachdem sich der Arbeitsmarkt in den letzten Jahren deutlich von den Auswirkungen der Corona-Pandemie erholt und positiv entwickelt hatte, gab es in 2024 spürbaren Gegenwind", berichtet Zwilling und ergänzt: "Das hat auch in unserer Region im nördlichen Münsterland zu einem spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt." Insgesamt 13.608 Frauen und Männer waren im Jahresdurchschnitt im Bezirk der Agentur für Arbeit Rheine und des Jobcenters Kreis Steinfurt arbeitslos gemeldet, das waren 1.713 mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich auf 5,1 Prozent und lag damit erstmals seit 14 Jahren über der 5 Prozent Marke. In Teilen sei die gestiegene Arbeitslosigkeit auf den Zuzug von Menschen aus der Ukraine zurückzuführen, die hier eine Beschäftigung suchen, erklärt Zwilling. "Wirtschaftliche Stagnation, hohe Energiepreise und zurückhaltendes Kaufverhalten privater Haushalte machten sich zusätzlich am Arbeitsmarkt bemerkbar", so die Bilanz des Agenturchefs.
Trotz einer gestiegenen Arbeitslosigkeit lag die Zahl der Menschen, die eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, mit 171.929 Personen auf einem Rekordhoch. Den scheinbaren Widerspruch erklärt Zwilling: "Die meisten Unternehmen haben an ihren vorhandenen Mitarbeitern festgehalten. In einigen Branchen, wie zum Beispiel dem Handel, dem Baugewerbe oder dem Gesundheitswesen wurde sogar mehr neues Personal eingestellt. Das hat zu einem Plus bei den Beschäftigten geführt". Gleichzeitig seien Arbeitgeber in anderen Bereichen deutlich zurückhaltender bei Neueinstellungen gewesen: "Damit fehlen in der Folge berufliche Möglichkeiten für Menschen, die eine neue Beschäftigung suchten, und die Arbeitslosigkeit steigt.", erklärt Zwilling. Im Jahresdurchschnitt meldeten die Unternehmen und Verwaltungen im Bezirk der Arbeitsagentur Rheine 3.783 offene Stellenangebote, 306 weniger als im Vorjahr.
Besonders für Jobsuchende, die keine Berufsausbildung haben oder als geringqualifiziert gelten, erschwerte sich dadurch die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Sie machen den größten Teil der Arbeitslosen aus. "Wenn Arbeitgeber aktuell einstellen, werden fast ausschließlich Fachkräfte gesucht", berichtet der Agenturchef. In der Folge stieg die Zahl der Langzeitarbeitslosen im zurückliegenden Jahr auf 5.650 Betroffene, das waren im Jahresschnitt 662 mehr als im Vorjahr. Auch die Jugendarbeitslosigkeit erhöhte sich, insbesondere waren dabei junge Menschen ohne Berufsabschluss betroffen. Insgesamt 1.591 Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren waren im Durchschnitt in 2024 arbeitslos gemeldet, 298 mehr als im Vorjahr.
"Man kann es daher gar nicht oft genug betonen: Aus- und Weiterbildung sind der Schlüssel, um am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und Arbeitslosigkeit zu vermeiden", betont Zwilling. Aus diesem Grund ermöglichte die Arbeitsagentur Rheine im vergangenen Jahr mehr als 1.200 Menschen eine berufliche Weiterbildung. Darunter waren nicht nur Arbeitslose und Arbeitsuchende, sondern auch Geringqualifizierte, die bereits in Beschäftigung sind. "Wenn wir Menschen qualifizieren, bieten wir ihnen bessere Zukunftsperspektiven und können gleichzeitig die Fachkräftelücke bei den Unternehmen verkleinern", ordnet Zwilling ein.