§ 7b: Erreichbarkeit
1.) Auf einem Kontoauszug fällt eine Abhebung an einem ausländischen Geldautomaten auf. Kann aus diesem Sachverhalt geschlussfolgert werden, dass der/die Kontoinhaber/in sich außerhalb des näheren Bereiches ohne vorherige Zustimmung aufgehalten hat?
2.) Im Anschluss an eine zweiwöchige Abwesenheit, der vom Jobcenter zugestimmt wurde, meldet sich die erwerbsfähige leistungsberechtige Person nicht zum vereinbarten Meldetermin nach § 59 SGB II i. V. m. § 309 SGB III zurück. Wie ist in diesem Fall weiter zu verfahren?
Abhebungen auf dem Konto sind ein Indiz für eine Abwesenheit außerhalb des näheren Bereichs, der nicht zugestimmt wurde. Im Rahmen der Amtsermittlung sind weitere Anhaltspunkte zu prüfen und die erwerbsfähige leistungsberechtige Person anzuhören. Weitere Anhaltspunkte können sein:
• Abbuchungen von Reiseunternehmen oder Firmen außerhalb des ortsnahen Bereiches (etwa ein Geschäft in Paris, Tankstelle außerhalb des näheren Bereiches des zuständigen Jobcenters)
• Stempel im Pass bei Reisen außerhalb der EU
• Nichterscheinen zu Terminen ohne Angabe von Gründen
• Dauernde Nichterreichbarkeit per Telefon
• Ständiges Verschieben von Terminen
• Überquellende Briefkästen (Hinweise durch den Außendienst)
• ständig herabgelassene Jalousien (Hinweise durch den Außendienst)
• Inflexibilität des Kunden („Maßnahmebeginn unpassend, da keine Zeit“)
• Anonyme Anzeigen
• Hinweise von Dritten
• Keine Reaktion auf Stellen-/ Maßnahmeangebote
• Anrufe über Telefonnummern außerhalb des näheren Bereichs (bei Rufnummernanzeige)
Falls die Abwesenheit außerhalb des näheren Bereichs im Rahmen der Anhörung verneint wird und ein nachvollziehbarer Beweis der Nichterreichbarkeit durch das Jobcenter nicht erfolgen kann, ist von der Richtigkeit der Angaben des Kunden auszugehen.
Einer nicht genehmigten Abwesenheit außerhalb des näheren Bereichs kann insbesondere durch eine hohe Kontaktdichte begegnet werden. So sollte insbesondere die Möglichkeit der Meldepflicht zum Zwecke der Vermittlung und Vorbereitung von Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit, auch in den typischen Schulferien genutzt werden. Meldeversäumnisse sind nach § 32 SGB II zu prüfen.
Generell ist bei allen Abwesenheiten außerhalb des näheren Bereichs, sei diesen zugestimmt oder nicht zugestimmt, zu klären, wie diese finanziert werden. Leistungen nach dem SGB II werden nur bei Vorliegen der Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II bewilligt, so dass Auslandsreisen ggf. einen Hinweis auf nicht angegebene Vermögenswerte und Einkommensquellen geben können. Unerheblich dabei ist, wenn der Urlaub durch geschütztes Vermögen finanziert wird.
Die Sachverhalte sind hier differenziert und im Einzelfall zu betrachten.
Zum einen führt der nicht wahrgenommene Meldetermin zur Prüfung einer Leistungsminderung nach § 32 SGB II. Hierzu ist die erwerbsfähige leistungsberechtige Person mündlich im Folgetermin oder schriftlich anzuhören (§ 24 SGB X).
Zum anderen ist weiter zu ermitteln, ob die Abwesenheit außerhalb des näheren Bereichs ohne wichtigen Grund (insbesondere Erkrankung siehe Fachliche Weisungen zu § 7b SGB II, Rz. 7b.51) verlängert wurde bzw. ob Anhaltspunkte (siehe erste Antwort) hierfür vorliegen. Soweit der Nachweis einer verlängerten nicht zugestimmten Abwesenheit außerhalb des näheren Bereichs geführt werden kann, sind die Fachlichen Weisungen zu § 7b SGB II Rz. 7b.51 zu beachten. Zur Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung ist ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten.
Hinweise: § 7b SGB II; FW § 7b SGB II; § 9 SGB II; FW § 9 SGB II; § 32 SGB II; FW § 32 SGB II
Stand: 12.02.2025
WDB-Beitrag Nr.: 072002
1. Wie verhält es sich, wenn sich die erwerbsfähige leistungsberechtige Person und deren unter 15-jährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft während der Schulferien gemeinsam außerhalb des näheren Bereichs ohne Zustimmung (z. B. im Ausland) aufhalten?
2. Wie ist der Sachverhalt zu beurteilen, wenn sich die erwerbsfähige leistungsberechtige Person ohne Zustimmung im Ausland (außerhalb des näheren Bereichs) aufhält und die unter 15-jährigen Kinder am Wohnort verbleiben (z. B. bei den Großeltern)?
3. Wie ist wiederrum der Sachverhalt zu beurteilen, wenn sich die erwerbsfähige leistungsberechtige Person ohne Zustimmung im Ausland (außerhalb des näheren Bereichs) aufhält und das 17-jähriges erwerbsfähige arbeitslose Kind am Wohnort verbleibt?
zu Frage 1:
Grundsätzlich findet der Leistungsausschluss auf unter 15-jährige Kinder während der Schulferien keine Anwendung (s. Fachliche Hinweise zu § 7b SGB II Rz. 7b.59). Die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung greift jedoch vollumfänglich für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person. Nachdem die einzige erwerbsfähige leistungsberechtige Person keine Leistungen nach dem SGB II erhält und dadurch keine erwerbsfähige leistungsberechtige Person eine Bedarfsgemeinschaft bilden kann, entfällt für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft der Leistungsanspruch.
Die Entscheidung ist (ggf. rückwirkend) aufgrund der Änderung in den Verhältnissen nach § 48 Abs. 1 S. 1 bzw. § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und/oder Nr. 4 SGB X im Rahmen des Individualprinzips aufzuheben und eine mögliche Erstattung nach § 50 SGB X geltend zu machen. Ferner ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 6 SGB II zu prüfen.
zu Frage 2:
Auch hier entfällt der Anspruch der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person nach § 7b SGB II. Analog zur Antwort des ersten Sachverhalts, verbleibt keine erwerbsfähige leistungsberechtige Person, die eine Bedarfsgemeinschaft bilden kann. Die Kinder sind für diese Zeit ggf. auf Leistungen nach dem SGB XII zu verweisen.
zu Frage 3:
Der Anspruch der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person nach § 7b SGB II, die die Vertretung der Bedarfsgemeinschaft übernommen hat, entfällt. Nachdem das 17-jährige Kind als einzige erwerbsfähige leistungsberechtige Person verbleibt und selbst einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts stellen kann (s. § 36 Abs. 1 SGB I), kann es als alleinstehende Person, mit Anspruch auf vollen Regelbedarf, eine eigene Bedarfsgemeinschaft bis zur Rückkehr des Elternteils begründen. Einer eigenen gesonderten Antragstellung bedarf es jedoch nicht, weil der bisherige Vertreter der Bedarfsgemeinschaft auch für die verbleibende erwerbsfähige Person einen Antrag gestellt hat. Eine Rückwirkung des Antrags auf den Monatsersten findet hier jedoch keine Anwendung, weil bereits bis zum Tag vor der Ausreise Leistungen an das 17-jährige Kind erbracht wurden. Aufgrund des erhöhten Regelbedarfes für das 17-jährige Kind, kann es jedoch für die Vergangenheit zu Nachzahlungen kommen.
Gegenüber dem Elternteil ist bei einer Überzahlung eine Aufhebungsentscheidung unter Beachtung des Individualprinzips zu treffen und die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahren zur prüfen (§ 63 Abs. 1 Nr. 6 SGB II).
Bezüglich der Festsetzung von Bedarfen für Unterkunft und Heizung für das 17-jährige Kind wird auf die Zuständigkeit des kommunalen Trägers hingewiesen.
Stand: 12.02.2025
WDB-Beitrag Nr.: 072001