Ausbildungsvertrag trotz Fünfen im Zeugnis? Darin sehen viele Arbeitgeber keinen Widerspruch mehr. Das liegt nicht allein an der ohnehin schwierigen Suche nach Aspiranten. Die Erfahrung zeigt auch, dass die Persönlichkeit und Motivation eines Bewerbers viel mehr aussagt als die schulische Leistung.
Ikea sind sie egal. Die Deutsche Bahn pfeift drauf. Auch kleinere Firmen geben nicht mehr viel auf sie: Schulnoten. Die Erkenntnis greift um sich, dass einen guten Azubi nicht ausmacht, was nach der Schulzeit auf einem Blatt Papier steht, sondern welche Persönlichkeit er oder sie mitbringt.
Diese Haltung ist zum Teil auf die zunehmend schwere Suche nach geeigneten Bewerbern zurückzuführen – je nach Branche und Region könnten viele Firmen gar nicht mehr besonders „wählerisch“ sein, stellte die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände bereits vor fünf Jahren fest. Bei vielen wächst aber auch unabhängig vom Arbeitsmarkt die Überzeugung, dass Schulnoten und Abschlüsse gar nicht so ein verlässliches Kriterium sind wie einst angenommen. So hat bereits im Jahr 2013 eine Firmenumfrage durch die Vodafone Stiftung Deutschland ergeben, dass gerade Hauptschüler sich nach der Ausbildung häufig durch besonders lange Betriebszugehörigkeit und hohe Loyalität auszeichnen.
Ikea orientiert sich an Wertvorstellungen
Wenn aber nicht die Leistung in der Schule das Maß aller Dinge ist, worauf achten diese Firmen dann bei der Azubi-Suche? Die Herangehensweisen unterscheiden sich. Das Möbelhaus Ikea beispielsweise, das fünf Ausbildungsberufe anbietet, geht bei der Auswahl seiner Bewerber folgendermaßen vor: „Wir rekrutieren nach den Werten, die schon der Gründer Ingvar Kamprad vertrat“, sagt Ines Assmann-De la Obra, die für die Azubi-Rekrutierung mitverantwortlich ist. „Dazu gehören zum Beispiel Gemeinschaft, die Sorge um unseren Planeten, aber auch Einfachheit und Kostenbewusstsein“, zählt sie auf. Deshalb gibt die Firma schon in der Stellenausschreibung den Tipp, im Anschreiben darauf einzugehen, welche Werte des Unternehmens der Bewerber oder die Bewerberin teilen kann. „Das Anschreiben schauen wir uns sehr genau an, gerade weil wir nicht Noten, Abschlüsse oder bisher Geleistetes heranziehen “, sagt Ines Assmann-De la Obra. Nicht das äußere Erscheinungsbild des Anschreibens zählt, sofern eine gewisse Sorgfalt zu erkennen ist, sondern der Inhalt: „Wir wollen herauslesen, welche Motivation, welche Leidenschaft der Bewerber, die Bewerberin zu uns geführt hat.“

Wer die Personalabteilung überzeugt, wird zu einem Auswahltag eingeladen, an dem die Bewerber unter anderem interviewt, aber auch beim Lösen von Gruppenaufgaben beobachtet werden. „Auch da gilt: Der Bewerber muss nicht perfekt sein“, sagt die Personalerin. „Vielmehr achten wir darauf, ob der Mensch zu uns passt und ob die Motivation stimmt.“ Wenn diese Voraussetzungen erfüllt seien, kümmere sich das Unternehmen „um den Rest“. „Wir bringen unseren Azubis weit mehr bei, als die Prüfer der Kammern verlangen“, sagt Ines Assmann-De la Obra. Außerdem bekomme jeder einen Paten zur Seite gestellt, der bei fehlenden Kenntnissen unterstützt. Auf diese Weise hat Ikea jüngst eine geflüchtete junge Frau eingestellt, „eine hoch motivierte Auszubildende“, wie Ines Assmann-De la Obra sagt, die vermutlich nicht in die engere Auswahl gekommen wäre, hätte man Abschlüsse und Sprachzertifikate vorausgesetzt.