Seit 2016 vergibt die Agentur für Arbeit Lübeck anlässlich des „Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung“ am 03. Dezember Inklusionszertifikate. Damit möchte sie auf die Potenziale von Menschen mit einer Beeinträchtigung aufmerksam machen und Unternehmen auszeichnen, die Teilhabe ermöglichen. Dieses Jahr wird das Hotel zur alten Stadtmauer aus Lübeck gewürdigt.
„Jeder Mensch ist anders und ein Individuum. Unternehmen können heute nur zukunftsfähig sein, wenn sie die Vielfalt der Menschen nutzen. Bei der Personalauswahl sollten sie sich nicht von Defiziten abschrecken lassen und stattdessen die Stärken sehen. Richtig eingesetzt können Menschen mit einer Beeinträchtigung ein Gewinn für das Unternehmen sein und dazu beitragen, den Fachkräftebedarf zu decken. Unsere Auszeichnung soll dieses Engagement ausdrücklich würdigen und Dank für die vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Wohle der betroffenen Menschen aussprechen. Lassen Sie sich von diesem guten Beispiel inspirieren“, appelliert Markus Dusch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Lübeck.
Mit Unterstützung zum passenden Betrieb
Esther Safo-Adu hat ihren Platz in der Gesellschaft gefunden. Bei der Suche nach dem passenden Umfeld hat die Arbeitsagentur Lübeck sie unterstützt. Es wurde zum Beispiel eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme beim Bugenhagen Berufsbildungswerk (BBW) in Timmendorfer Strand gefördert, die in eine Ausbildung beim BBW zur Kauffrau für Büromanagement mündete. Aus gesundheitlichen Gründen und aufgrund psychischer Beeinträchtigungen brach sie diese Ausbildung nach vier Monaten ab.
Um sie auf dem Weg in den Arbeitsmarkt zu begleiten, wurde sie in die Maßnahme „Individuelle betriebliche Qualifizierung“ aufgenommen und durch den Bildungsträger integra gGmbH zwei Jahre intensiv betreut. Integra ist eine gemeinnützige GmbH, die meist im Auftrag der Arbeitsagentur Menschen mit einer Beeinträchtigung begleitet und den Integrationsfachdienst nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) IX im Auftrag des Integrationsamtes anbietet. Der Träger sucht nach den Interessen und Fähigkeiten der Teilnehmenden Praktikumsbetriebe und betreut sie sowie das Unternehmen durch ein intensives Coaching. Über so ein Praktikum hat die 27-Jährige das Hotel zur alten Stadtmauer kennengelernt. Seit 01. März 2025 hat sie eine Festanstellung im Hotel. „Ich fühle mich hier wohl und möchte bis zur Rente hier arbeiten“, erzählt sie begeistert.
Teilhabe ermöglichen
Und ihre Chancen stehen sehr gut. „Obwohl wir gerade keinen Bedarf hatten, haben wir uns entschieden, Esther mit Blick auf die Zukunft und die Fachkräftesicherung zu übernehmen. Sie ist zuverlässig, pünktlich, loyal und eine Teamplayerin. Sie benötigt Anleitung und Zeit, um Arbeitsvorgänge zu verstehen und eine Routine zu entwickeln. Deshalb hat sie immer eine Kollegin oder einen Kollegen an ihrer Seite und arbeitet im Frühstücksdienst, der Gästebetreuung, im Check-In und Check-Out mit. Wir haben in der Vergangenheit oft mit integra zusammengearbeitet. Ich finde es gehört zum Unternehmertum dazu, Menschen Teilhabe zu ermöglichen und Ausgrenzung zu vermeiden. Diese Einstellung haben auch die Nachfolgerinnen, an die wir die Hotelleitung in Zukunft übergeben. Wenn man etwas Gutes tut, geht es einem auch gut“, erläutert Silke Langmaack, Inhaberin des Hotels zur alten Stadtmauer. Im Unternehmen sind elf sozialversicherungspflichtig Beschäftigte tätig, darunter drei junge Menschen in der Ausbildung zu Hotelfachleuten.
Beratungsangebot an Unternehmen
„Das ist wirklich eine tolle Einstellung und mit einem Eingliederungszuschuss unterstützen wir den erhöhten Einarbeitungsaufwand. Es gibt eine Vielzahl an fachlichen Hilfen und Fördermöglichkeiten. Gerade Unternehmen, die ihre Beschäftigungspflicht nicht erfüllen, gewinnen nicht nur engagierte Arbeitskräfte, sondern sparen auch Geld. Informieren Sie sich im Rahmen der digitalen Aktionswoche. Gerne beraten auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Arbeitgeber-Services Sie unter der gebührenfreien Hotline 0800 4 5555 20 zu den Möglichkeiten“, bietet Dusch Unternehmen an.
Woche der Menschen mit Behinderung vom 26. November bis 03. Dezember
Die Arbeitsagenturen werben verstärkt für mehr Inklusion. Eine bundesweite digitale Aktionswoche bietet Informationen für Unternehmen zu Fördermöglichkeiten und Online-Veranstaltungen für Arbeitsuchende mit Kontakt zu Betrieben. Am 02. Dezember von 09:00 bis 11:00 Uhr findet „JOB to GO für Menschen mit Behinderung“ im Lübecker Berufsinformationszentrum (BiZ), Hans-Böckler-Str. 1, 23560 Lübeck statt. Wer auf der Suche nach einer Arbeitsstelle ist, kann einfach ohne Termin vorbeikommen.
Weitere Informationen: www.arbeitsagentur.de/luebeck
Informationen zur Beschäftigungspflicht
Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen müssen schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Menschen beschäftigen. Wird diese Beschäftigungspflicht nicht erfüllt, muss eine Ausgleichsabgabe entrichtet werden. Mit dem Gesetz zum inklusiven Arbeitsmarkt wurde ab 01. Januar 2025 diese Ausgleichsabgabe durch die Einführung einer neuen Staffel erhöht. Sie kann je nach Betriebsgröße bis zu 815 Euro pro Monat je nicht besetztem Pflichtarbeitsplatz betragen.
Nur ein Teil der Unternehmen erfüllt die gesetzliche Beschäftigungsquote. In der Hansestadt Lübeck haben 37,2 Prozent der anzeigepflichtigen Betriebe ihre Beschäftigungspflicht in vollem Umfang erfüllt und 938 Pflichtarbeitsplätze blieben unbesetzt (aktuelles Erhebungsjahr 2023). Im Kreis Ostholstein lag die Quote mit 46,1 Prozent um einiges höher, während 354 Pflichtarbeitsplätze nicht besetzt waren.
Unternehmen, die Menschen mit einer Behinderung einstellen, können ihre Ausgleichsabgabe reduzieren.
Weitere Informationen: www.arbeitsagentur.de/unternehmen/personalfragen/schwerbehinderte-menschen
Hintergrundinformation
Bei Menschen mit Schwerbehinderung denken viele an Personen im Rollstuhl oder mit einer Sehbehinderung. Aber das spiegelt nicht die Realität wider. Denn häufig sieht man den Menschen ihre Schwerbehinderung gar nicht an. Auch Migräne, Diabetes, Asthma, Autismus, Bluthochdruck, Tinnitus oder eine überstandene Krebserkrankung können beispielsweise dazu führen, dass eine Schwerbehinderung festgestellt wird. Genauso kann eine Schwerbehinderung die Psyche betreffen, wie etwa bei Depressionen. Oder die Sinnesorgane, wie bei Schwerhörigkeit. Außerdem können neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Epilepsie als Schwerbehinderung eingestuft werden. Und mit zunehmendem Alter steigt die Zahl der Betroffenen.
Schwerbehindert im Sinne des Gesetzes gilt ein Mensch, wenn von der zuständigen Behörde (zum Beispiel einem Versorgungsamt) ein Grad der Behinderung von mindestens 50 festgestellt worden ist. Ebenso zählen Menschen dazu, die von der Agentur für Arbeit gleichgestellt worden sind. Sie erhalten dadurch grundsätzlich den gleichen Status wie Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung, haben jedoch keinen Zusatzurlaubsanspruch.
Im Bezirk der Agentur für Arbeit Lübeck waren im Oktober 2025 794 Menschen mit einer Schwerbehinderung arbeitslos gemeldet, 8 (1,0 Prozent) mehr als im Vorjahr. Ihr Anstieg fiel etwas höher aus als bei allen Arbeitslosen (+0,7 Prozent). Menschen mit Schwerbehinderung werden nicht so schnell entlassen, aber wenn sie arbeitslos sind, brauchen sie häufig länger, um die Arbeitslosigkeit wieder zu beenden. Rund 66 Prozent dieser Arbeitslosen werden von den Jobcentern und 34 Prozent von der Arbeitsagentur betreut.
In der Hansestadt Lübeck waren im Oktober 2025 498 Menschen (13 oder 2,7 Prozent mehr als im Vorjahr) mit einer Schwerbehinderung arbeitslos gemeldet. Rund 70 Prozent dieser Arbeitslosen werden vom Jobcenter Lübeck und 30 Prozent von der Arbeitsagentur betreut.
Im Kreis Ostholstein waren im Oktober 2025 296 Menschen (5 oder 1,7 Prozent weniger als noch vor im Vorjahr) mit einer Schwerbehinderung arbeitslos gemeldet. Rund 60 Prozent dieser Arbeitslosen werden vom Jobcenter Ostholstein und 40 Prozent von der Arbeitsagentur betreut.
Außerdem suchten rund 170 junge Menschen mit Beeinträchtigungen dieses Jahr mit Hilfe der Arbeitsagentur eine Ausbildungsstelle in Lübeck und Ostholstein.
2024 hat die Agentur für Arbeit Lübeck 15,3 Millionen Euro für die Teilhabe von Menschen mit einer Behinderung am Arbeitsleben ausgegeben, das waren rund 9 Prozent aller Ausgaben. Hinzu kommen rund eine Million Euro bei beiden Jobcentern.