„Der NRW-Ausbildungsmarkt befindet sich aktuell in unruhigem Fahrwasser“, sagte Roland Schüßler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit. „Die aktuelle wirtschaftliche Krise ist auch am Ausbildungsmarkt deutlich zu spüren. Zum ersten Mal seit 2014 ist die Zahl der gemeldeten betrieblichen Ausbildungsplätze unter 100.000 geblieben. Insgesamt wurden zum dritten Mal in Folge weniger betriebliche Ausbildungsplätze als im Vorjahr gemeldet.“
Auch die Zahl der unbesetzt gebliebenen Stellen liegt deutlich unter dem Vorjahr. Anfang Oktober galten 9.986 betriebliche Ausbildungsangebote noch als offen und unbesetzt – das waren 2.407 unbesetzte Stellen oder 19,4 Prozent weniger als vor einem Jahr.
Mehr Jugendliche wollen in die Ausbildung - das war nicht immer so
„Mehr junge Menschen zieht es in die Ausbildung – das ist eine erfreuliche Entwicklung“, sagt der Ausbildungsmarktexperte der Regionaldirektion NRW. „Das Interesse an einer betrieblichen Berufsausbildung ist heute bei Jugendlichen wieder sehr hoch – das war nicht immer so.“ In den vergangenen Jahren haben alle Partnerinnen und Partner am Ausbildungsmarkt intensiv daran gearbeitet, die Attraktivität der dualen Berufsausbildung zu stärken – mit Erfolg. 2025 suchten mehr junge Menschen eine Ausbildungsstelle als in den Vorjahren: Die Zahl der ausbildungsreifen Bewerberinnen und Bewerber auf eine duale Berufsausbildung ist in NRW im zweiten Jahr in Folge gestiegen. „Darüber können wir uns freuen. Diese Entwicklung kommt genau zur richtigen Zeit. In den kommenden Jahren werden Unternehmen und Betriebe aufgrund der demografischen Umbrüche mehr denn je auf gut ausgebildeten Nachwuchs angewiesen sein.
Bis 2023 war die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber auf Ausbildungsplätze kontinuierlich gesunken. Nun ist sie zwei Mal hintereinander deutlich gestiegen. Die Zahl der Interessenten für eine Berufsausbildung stieg seit 2023 um fünf Prozent oder 5.213 junge Menschen. Die steigende Nachfrage bei einem sinkenden Angebot führt jedoch auch dazu, dass mehr Jugendliche 2025 keinen Ausbildungsplatz finden konnten. Anfang Oktober waren noch 12.437 Jugendliche unversorgt - 2.777 junge Frauen und Männer mehr als vor einem Jahr. Dazu kommen weitere 12.294 junge Frauen und Männer, die zwar eine Alternative zur Berufsausbildung haben, doch jederzeit noch eine Ausbildung aufnehmen würden. Auch die Zahl dieser Bewerberinnen und Bewerber mit Alternative liegt über dem Vorjahr – um 1.522 Personen oder 14,1 Prozent.
Noch 10.000 Chancen für den Einstieg ins Berufsleben – Nachvermittlungen laufen überall in NRW
Besonderen Bedarf an Nachwuchs aufgrund von Fachkräfteengpässen gibt es aktuell in NRW in 45 Berufen: „In NRW hat die Ausbildung des Fachkräftenachwuchses immer schon eine besondere Rolle gespielt. Sie ist die wichtigste Säule der Fachkräftesicherung. Vor diesem Hintergrund und dem Wissen um aktuelle Fachkräfteengpässe kommt den derzeit in allen Arbeitsagenturen laufenden lokalen Aktionen zur Nachvermittlung unbesetzt gebliebener Ausbildungsstellen ein besonderer Stellenwert zu“, sagte Schüßler. „Wir sprechen von annähernd 10.000 Ausbildungsangeboten, die immer noch zu vergeben sind. Das sind zwar weniger als in den Vorjahren. Es sind jedoch auch 10.000 verbleibende Chancen – für die Unternehmen, die dringend Nachwuchs benötigen, um auch in Zukunft erfolgreich sein zu können, wie auch für viele junge Menschen, die den Einstieg in ihr Berufsleben suchen.“
NRW besteht aus mehreren, regional unterschiedlichen Ausbildungsmärkten
Eine weitere Herausforderung ist die regionale Struktur des Ausbildungsmarkts in NRW: „Wenn wir NRW aus der Gesamtperspektive als einen Ausbildungsmarkt betrachten, ist die Situation vor allem für junge Menschen angespannt. Doch besteht NRW genau betrachtet aus mehreren, stark unterschiedlichen Ausbildungsmärkten. In manchen Regionen gibt es mehr Bewerberinnen und Bewerber als Stellenangebote. In anderen Regionen ist es genau umgekehrt.“ So kamen 2025 in Olpe auf 100 betriebliche Ausbildungsstellen gerade einmal 44 Bewerberinnen und Bewerber. Das gegenteilige Bild bietet in diesem Jahr zum Beispiel Leverkusen, wo auf 100 Ausbildungsangebote 183 gemeldete Bewerberinnen und Bewerber kamen.
Assistierte Ausbildung: Spielräume mit Unterstützung der Arbeitsagenturen nutzen
„Die regionalen Unterschiede machen es nicht einfacher, Stellen zu besetzen oder den passenden Ausbildungsplatz zu finden. Wenn sich gute Chancen ergeben, empfehlen wir daher, diese zu nutzen, auch wenn die angebotene Stelle oder, aus der Sicht der Unternehmen, die Bewerberinnen und Bewerber auf den ersten Blick nicht vollends überzeugen“, sagte Schüßler.
Damit Chancen und Spielräume aktiv genutzt werden können, bieten die Agenturen zum Beispiel das Unterstützungs- und Förderangebot der Assistierten Ausbildung an. Sie schlägt eine Brücke zwischen Bewerberinnen und Bewerbern und Unternehmen, wenn die jungen Menschen auf den ersten Blick die Voraussetzungen der Unternehmen nicht erfüllen können. „Uns als Agenturen für Arbeit ist es wichtig, keinen jungen Menschen zurückzulassen und allen eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Gleichzeitig möchten wir Unternehmen dabei unterstützen, ihre Nachwuchskräfte selbst erfolgreich auszubilden. Bei einer Assistierten Ausbildung (AsA) unterstützt eine Ausbildungsbegleiterin oder ein Ausbildungsbegleiter beide Seiten, die Unternehmen und die Auszubildenden. Die Ausbildung soll für beide zum Erfolg werden. Dazu organisieren sie zum Beispiel Nachhilfestunden zu den Unterrichtsinhalte an den Berufskollegs.“
Die Assistierte Ausbildung wird auch 2026 eine wichtige Rolle spielen, sagte Schüßler. „Aufgrund der anstehenden Umstellung von G8 auf G9 an den Gymnasien wird beinahe ein ganzer gymnasialer Abi-Jahrgang wegfallen. Die daraus entstehende Lücke bei den Bewerberinnen und Bewerbern wird sich auf den gesamten Ausbildungsmarkt auswirken. Für Ausbilderinnen und Ausbilder wird es dann absehbar schwieriger, ihre Nachwuchsplätze zu besetzen. Wer sich dann für Jugendliche mit nicht ganz so guten Startvoraussetzungen entscheidet, kann sich auf die Assistierte Ausbildung verlassen.“
Ausländische Jugendliche schließen Lücken am Ausbildungsmarkt
In den vergangenen zwei Jahren stieg gegen den demografischen Trend die Zahl junger Menschen, die sich für eine duale Berufsausbildung interessieren. Während im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber mit einer deutschen Staatsangehörigkeit geringfügig um 0,1 Prozent auf 82.006 Personen sank, legten ausländische Jugendliche mit einem Plus von 13,7 Prozent oder 3.247 Personen deutlich auf nun 26.904 Bewerberinnen und Bewerber zu. Das wachsende Interesse an einer dualen Ausbildung ist also vollständig auf junge Menschen zurückzuführen, die nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen.
Diese Entwicklung ist auch bei den aktuellen Auszubildenden in den Unternehmen und Betrieben zu beobachten. In NRW gab es im März (aktuellste Daten aus Beschäftigungsstatistik) 333.959 Auszubildende. Die Mehrzahl hatte mit 84,7 Prozent die deutsche Staatsangehörigkeit. Allerdings sank in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der deutschen Auszubildenden um 14.283 Personen oder 4,8 Prozent. Die dadurch entstehende Lücke schließen zunehmend junge Menschen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit. In den vergangenen fünf Jahren legte ihre Zahl deutlich um 21,6 Prozent oder 9.038 junge Menschen auf nun 50.941 Auszubildende zu.
Unter den Auszubildenden mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit bilden die Syrerinnen und Syrer mit 5.238 Personen die größte Gruppe. Dahinter folgen Auszubildende aus der Türkei mit 5.121 Personen. Einen großen Sprung haben auch junge Menschen aus der Ukraine gemacht: 2.203 junge Ukrainerinnen und Ukrainer absolvierten im März eine Ausbildung, das waren 1.747 Personen mehr oder fast vier Mal so viele wie im März 2022, als Russland die Ukraine völkerrechtswidrig überfiel.
Die Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht zur Bilanz am Ausbildungsmarkt eine Broschüre mit einem Überblick über das Vermittlungsjahr 2024/2025:
- Ausbildungsmarkt in den NRW-Regionen und Agenturbezirken
- Top 10 der Berufe und Ausbildungswünsche
- Bick in die Branchen - wo werden die meisten Stellen gemeldet?
- Alter und Schulabschluss der Bewerberinnen und Bewerber
Weiterführende Informationen im Internet
Assistierte Ausbildung (AsA):
- Informationen zur Assistierten Ausbildung für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber
- Eine Assistierte Ausbildung machen: Informationen für Jugendliche
Ausbildungsreport NRW: ausführlicher statistischer Bericht und weitere Grafiken zum Ausbildungsmarkt.