
In Deutschland sind Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen gesetzlich verpflichtet, Menschen mit Schwerbehinderung zu beschäftigen. Diese Vorgabe basiert auf dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), insbesondere auf § 154. Ziel ist es, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben sicherzustellen und Diskriminierungen entgegenzuwirken.
Gesetzliche Grundlagen und Berechnung:
Gemäß § 154 SGB IX müssen mindestens 5 % der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten besetzt sein. Die Berechnung erfolgt auf Grundlage des jahresdurchschnittlichen Personalbestands. Für kleinere Betriebe gelten abgestufte Vorgaben:
- Betriebe mit weniger als 40 Arbeitsplätzen: ein Pflichtarbeitsplatz
- Betriebe mit 40 bis unter 60 Arbeitsplätzen: zwei Pflichtarbeitsplätze
Darüber hinaus ermöglicht § 159 SGB IX eine (Mehrfach-)Anrechnung schwerbehinderter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn deren Teilhabe am Arbeitsleben besonders erschwert ist. In solchen Fällen kann eine angestellte Person auf bis zu drei Pflichtarbeitsplätze angerechnet werden.
Unternehmen, die ihre Beschäftigungspflicht nicht erfüllen, müssen eine Ausgleichsabgabe gemäß § 160 SGB IX zahlen (Beispielberechnung der Ausgleichsabgabe). Diese fließt in einen Ausgleichsfonds und wird zur Förderung der beruflichen Teilhabe schwerbehinderter Menschen verwendet. Die Höhe der Abgabe richtet sich nach dem Grad der Nichterfüllung und kann mit Hilfe der Software „IW-Elan“ berechnet werden. Eine rechtskonforme Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen kann diese Abgaben reduzieren oder vollständig vermeiden.
Im Ersparnisrechner können Sie sich die Ersparnisse ausrechnen lassen, welche bei einer Einstellung von Menschen mit Schwerbehinderung gegeben wären im Vergleich zu der sonst gesetzlich verpflichtenden Ausgleichsabgabe.
Vertiefende Informationen zur Ausgleichsabgabe
Unternehmen sind verpflichtet, bei der Besetzung freier Stellen die Eignung schwerbehinderter Bewerberinnen und Bewerber zu prüfen (§ 164 SGB IX). Zudem müssen freie Stellen der Bundesagentur für Arbeit gemeldet und die Schwerbehindertenvertretung bei Bewerbungen informiert und angehört werden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt schwerbehinderte Menschen in diesem Zusammenhang im Bewerbungsprozess vor Benachteiligung.
Für öffentliche Arbeitgeber besteht darüber hinaus gemäß § 165 SGB IX die Verpflichtung, schwerbehinderte Bewerber und Bewerberinnen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen – es sei denn, die fachliche Eignung fehlt offensichtlich. Grundsätzlich wird der Begriff der Eignung hier sehr breit ausgelegt, so dass auch bei dem Fehlen einzelner Kompetenzen und Befähigungen in der Regel eine generelle Eignung durch den Gesetzgeber unterstellt wird.
Weitere Informationen zu den Pflichten privater Arbeitgeber bei der Personalauswahl.
Schwerbehinderte Beschäftigte und gleichgestellte Personen haben das Recht, auf Wunsch von Mehrarbeit freigestellt zu werden (§ 207 SGB IX). Zusätzlich stehen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit einem Grad der Behinderung (GdB) 50 oder höher ein jährlicher Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen zu (§ 208 SGB IX).
Der Begriff der Mehrarbeit richtet sich dabei nach den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG, siehe dort vor allem die §§ 2-3).
Weiterführende Informationen:
- Befreiung von Mehrarbeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Schwerbehinderungen
- Zusatzurlaub aufgrund der Schwerbehinderung
Der besondere Kündigungsschutz
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Eine Kündigung bedarf daher grundsätzlich der Zustimmung des Integrationsamtes / Inklusionsamtes (§§ 168 ff. SGB IX), um sicherzustellen, dass keine Benachteiligung aufgrund von Behinderungen erfolgt. In den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses – unabhängig von einer vertraglich vereinbarten Probezeit – ist jedoch diese Zustimmung nicht erforderlich.
Informationen zum besonderen Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Schwerbehinderungen bieten das Lexikon von REHADAT, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) e.V. sowie die Bundesagentur für Arbeit.
Arbeitgeber sind verpflichtet, behinderungsgerechte Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, sofern dies zumutbar ist (§ 164 SGB IX). Unterstützungsleistungen wie technische Arbeitshilfen oder Arbeitsassistenz können u.a. durch die Bundesagentur für Arbeit oder Integrationsämter gefördert werden.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung haben ein Recht auf angemessene Vorkehrungen, die ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen. Diese Vorkehrungen umfassen sowohl bauliche Anpassungen, wie den barrierefreien Zugang zu Arbeitsstätten, als auch personenbezogene Maßnahmen, die gezielt behinderungsbedingte Einschränkungen am Arbeitsplatz ausgleichen. Zu Letzteren zählen insbesondere technische Arbeitshilfen sowie der Einsatz von Arbeitsassistenz.
Technische Arbeitshilfen
Technische Arbeitshilfen sind Hilfsmittel, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit ermöglichen oder erleichtern. Sie dienen dem Erhalt eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses und gleichen konkrete Beeinträchtigungen aus, die im direkten Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Zudem können sie medizinische oder therapeutische Maßnahmen ergänzen oder in bestimmten Fällen ersetzen.
Beispiele technischer Arbeitshilfen:
- Lesebrillen mit Sprachausgabe
- Elektrorollstühle zur beruflichen Nutzung
- Sprachsteuerungs-Software
- Augensteuerungssysteme
- Vergrößerungssoftware für Bildschirmarbeitsplätze
- Ein-Hand-Tastaturen
- Screen-Reader für blinde oder sehbehinderte Personen
- Höhenverstellbare Schreibtische
- Braille-Tastaturen
Die Auswahl geeigneter Hilfsmittel erfolgt individuell und orientiert sich am konkreten Bedarf der jeweiligen Tätigkeit sowie an den funktionellen Einschränkungen der betroffenen Person.
Arbeitsassistenz
Neben technischen Hilfsmitteln können Menschen mit Schwerbehinderung auch eine persönliche Unterstützung in Form einer Arbeitsassistenz beantragen. Diese Assistenzleistung ist aufgabenbezogen und wird individuell auf den beruflichen Alltag abgestimmt. Sie kommt immer dann zum Einsatz, wenn bestimmte Arbeitsschritte aufgrund der Behinderungen nicht oder nur eingeschränkt selbstständig ausführbar sind.
Die Assistenz darf jedoch nicht die fachliche Verantwortung oder die Kernaufgaben der Tätigkeit übernehmen. Die Assistenznehmerinnen und -nehmer bleiben für die Arbeitsinhalte verantwortlich und müssen die Arbeitsaufträge selbstständig anleiten und kontrollieren.
Auch Arbeitgeber mit Schwerbehinderung, die in selbstständiger Tätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern, können eine Arbeitsassistenz beantragen. Die rechtlichen Grundlagen sind in § 185 Abs. 3 Nr. 1 lit. c SGB IX geregelt.
Weiterführende Informationen: