Gemeinsam nach vorne schauen

Der Lockdown hat Teile der deutschen Wirtschaft abgewürgt. Die Firmen Depla und Emil Deiss haben der Krise erfolgreich getrotzt.


05.08.2020 - Alexander von Tomberg -4 MinutenArbeitswelt gestalten

Die Auswirkungen des Lockdowns haben weite Teile der deutschen Wirtschaft abgewürgt – es braucht kreative Lösungen, wie Firmen die Corona-Krise überstehen und Mitarbeiter motivieren können. Faktor A trifft in der Serie „Firmen trotzen der Krise“ auf viel Ideenreichtum.

Mobile Begegnungsbox

Depla Messebau GmbH, Elmshorn
Christoph Schumacher ist Geschäftsführer der Depla Messebau GmbH mit Sitz in Elmshorn in Schleswig-Holstein. Der 43-jährige Unternehmer beschäftigt 30 Mitarbeiter.

„Die Corona-Krise hat mich wie die anderen Messebauer kalt erwischt. An die wirtschaftlichen Folgen einer Pandemie hatte ich überhaupt nicht gedacht, als ich den Betrieb im Januar dieses Jahres gekauft hatte. Seit über 40 Jahren hat Depla einen konstanten Kundenstamm im Pharmabereich und in der mittelständischen Industrie – für mich als erfahrenen Unternehmensberater erschien die Investition in dieses Messebauunternehmen einfach ideal. Zwei Monate später brachen dann die Aufträge weg.

Mobile Begegnungsbox
© Depla Messebau GmbH - Mit der mobilen Begegnungsbox kam nicht nur ein neues Produkt ins Sortiment der Depla Messebau GmbH, sondern auch neue Motivation ins Team.

Zunächst war ich geschockt, doch dann bin ich schnell in den Krisenmodus gewechselt. Wir sind im Betrieb zu 100 Prozent in Kurzarbeit gegangen – und ich bin ein Typ, der immer nach vorne schaut. Wenn es bis auf bestimmte Zeit keine Großveranstaltungen mehr gibt, was können wir jetzt produzieren? Wie kann ich meinen Mitarbeitern eine Perspektive bieten? Die Idee kam von einem Bekannten: In Südkorea wird eine mobile Testbox produziert, die überall aufgestellt werden kann. So können viel mehr Personen ganz unkompliziert auf das Coronavirus getestet werden. Ich dachte mir: Das ist es! Je schneller wir uns alle testen, desto schneller durchschreiten wir die Krise. Innerhalb einer Woche haben wir im Betrieb die Box konstruiert und Rathäuser, Gesundheitsämter, Krankenkassen und Bundestagsabgeordnete kontaktiert – leider ohne positives Feedback. Keiner wollte dafür die Gelder bereitstellen, die Zuständigkeiten waren nicht klar.

Ich war enttäuscht. Aber die Möglichkeiten der mobilen Box inspirierten mich. Dabei dachte ich an die vielen Senioren und Kranken, die in Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern aus hygienischen Gründen auf Familienbesuche oder psychische Betreuung verzichten müssen. So entwickelten wir die mobile Begegnungsbox: zwei leichte Raummodule aus Aluminium, die nur durch eine Plexiglasscheibe getrennt sind. So sind wieder private Gespräche von Angesicht zu Angesicht möglich, weil der Verzicht auf Mundschutzmasken den Menschen etwas Vertrautheit zurückgibt.

Eine soziale Einrichtung in Schleswig hat die Box auf dem Gelände aufgestellt – ein voller Erfolg für uns. Über dieses Leuchtturmprojekt sind wir in Gespräche mit anderen Sozialverbänden gekommen. Aber mit Beginn der Lockerungen im Mai ging das Interesse an der Begegnungsbox zurück – was für mich keinen Rückschlag bedeutete, da Depla mittlerweile auch neue Projekte an Land zieht. Die Weichen stehen bei uns so langsam auf neue Normalität. Rückblickend kann ich sagen, dass der Bau der mobilen Boxen meine Kollegen und mich hoch motiviert hat – wir haben uns gemeinsam überlegt, wie wir kreativ die Krise meistern.“

Der Corona-Sack

Emil Deiss KG
Clemens Eichler, 51, ist Geschäftsführer des Hamburger Müllbeutel-Herstellers Emil Deiss KG (GmbH & Co.). Das Unternehmen beschäftigt 50 Mitarbeiter.

„Die Auswirkungen des Lockdowns spürten wir besonders Anfang April – der Umsatz ging runter, als hätte man einen Schalter umgelegt. Für unsere Produkte fanden sich weniger Abnehmer – wir vermarkten neben Müllsäcken und Müllbeuteln auch andere Kunststofferzeugnisse. Zubehör, das zum Reinigen von Hotels, Restaurants und Bürogebäuden benötigt wird – viele dieser Bestellungen wurden mit Beginn der Hygienemaßnahmen bei uns pausiert.

Gefahrgutsack gelb
© Emil Deiss KG - Der Corona-Müllsack sorgt bei der Emil Deiss KG für vorsichtigen Optimismus.

Das alles war ein deutlicher Einschnitt für uns. Ich überlegte mir, wie ich den Betrieb aufrechterhalten kann. Das Ziel war, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie für das Unternehmen abzufedern und gleichzeitig Produkte zu schaffen, die in dieser besonderen Situation gebraucht werden. Dabei sind wir auf eine neue Verfügung der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) gestoßen: Medizinischer Abfall, der mit SARS-CoV-2 kontaminiert ist, kann in speziellen Müllsäcken gesammelt und entsorgt werden. Früher war das nur in besonderen Behältern erlaubt.

Auf Grundlage einer Produktreihe haben wir als erstes deutsches Unternehmen den Corona-Sack entwickelt. Der Gefahrgutsack besteht aus einer Materialzusammensetzung, die eine hohe Festigkeit trotz dünner Wandstärke von unter 0,1 Millimeter gewährleistet. Das ist Rekord! Der Vorteil: Der Müllsack ist sehr leicht, extrem reißfest und auch aus recyclefähigem Material gefertigt. Inmitten der Krise haben wir das passende Produkt zum richtigen Zeitpunkt geschaffen. Nach einer schnellen Zulassung durch die BAM mithilfe unseres Partners RKW konnten wir vor Ostern die ersten Krankenhäuser und Pflegeheime beliefern. Die Nachfrage war enorm. Eine Entwicklung, die uns überrascht und auch erfreut hat. Der besondere Müllsack kostet etwa viermal mehr als herkömmliche Produkte und hat seinen Beitrag geleistet, den Umsatzeinbruch etwas zu kompensieren. Ich denke, dass wir noch von den Umsatzzahlen aus der Zeit vor der Krise entfernt sind, aber ich blicke vorsichtig optimistisch in die Zukunft.“

Die Serie: Firmen trotzen der Krise

Hinfallen, aufstehen, weitermachen: Das lernen wir von klein auf. Für unsere Serie haben wir Menschen getroffen, die sich in der schweren Zeit des Lockdowns aufgerappelt und ihr Unternehmen ganz neu aufgestellt haben. Dabei haben sie oft nicht nur sich, sondern auch anderen geholfen. Hier lesen Sie ihre Geschichten:

 

Teil 1: „Die Bank sah in uns keine lohnende Investition“

Teil 2: Gemeinsam nach vorne schauen


Titelfoto: © SasinParaksa/iStock