Mit Anpassung durch die Krise

Für Work It Training war die Pandemie erst Bedrohung, dann Chance. Im Interview geben Gründerin und Gründer Einblick in den Transformationsprozess.


06.06.2023 - Sebastian Keil -25 Minuten

Im Podcast erzählen Inken Roß und Arlow Pieniak vom Fitnessunternehmen Work It Training, wie sie mit einer Anpassung ihres Geschäftsmodells die Coronakrise gemeistert und sich für die Zukunft aufgestellt haben.

Die gesundheitlichen Schutzmaßnahmen während der Coronapandemie hatten für verschiedene Branchen ganz unterschiedliche Auswirkungen. Während einige Berufszweige kaum von den Maßnahmen betroffen waren, sahen sich andere von heute auf morgen in ihrer Existenz bedroht. Schwer war es zum Beispiel in der Fitnessbranche: Fitnessstudios mussten monatelang schließen, Vereinssport war nicht mehr möglich. 

Auch die Hamburger Inken Roß und Arlow Pieniak blickten im März 2020 mit ihrem Fitness- und Gesundheitsdienstleister Work It Training schlagartig in eine ungewisse Zukunft. Was sie sich über Jahre aufgebaut hatten, war vom persönlichen Kontakt zu den Menschen abhängig. Ihre Sportkurse fanden ausschließlich vor Ort statt und waren damit plötzlich nicht mehr möglich. Doch die beiden steckten den Kopf nicht in den Sand, sondern erweiterten ihr Angebot innerhalb kürzester Zeit in den digitalen Raum. Und das mit Erfolg. Die Pandemie wurde für sie so zur Initialzündung, das Geschäftsmodell für die Zukunft aufzustellen.

Im Podcast geben sie Einblick in den Veränderungsprozess, der bei Work It Training hinter ihnen und auch noch vor ihnen liegt.

 

Der Podcast im Wortlaut

Sebastian Keil (Faktor A): Arlow Pieniak ist junger Sportstudent in Köln, als ein Arzt ihm sagt, dass er sich nie wieder schmerzfrei bewegen können wird, nie wieder Sport machen wird. Er verbringt ein Jahr im Stehen oder Liegen auch in Bibliotheken auf der Suche nach Literatur, die vor allem ihm selbst weiterhilft. Dann findet er einen Ansatz, um selbst schmerzfrei zu werden. Das klappt, und so beginnt Pieniak nach dieser Methode zunächst, sich selbst zu trainieren und dann sein Wissen als Trainer weiterzugeben. Viele Jahre später, 2011, gründet er mit seiner Frau Inken Roß, die als Executive Coach arbeitet, das eigene Unternehmen Work It Training in Hamburg. Unsere Geschichte beginnt, als das Unternehmen auf kleiner Fläche zwei Personal Training Räume hat und dann auf die Pandemie trifft. Für unser Gespräch haben wir uns auf das Du geeinigt. Herzlich willkommen, Inken und Arlow, und schön, dass ihr da seid! Vielleicht schildert ihr zu Beginn mal, wie Work It Training vor Corona aussah.

Porträtaufnahme des Gründungsduos von Work it Training, Inken Roß und Arlow Pieniak
Foto: Arlow Pieniak und Inken Roß, © Work It Training

Arlow Pieniak (Work It Training): Wir haben ein Unternehmen für Personaltraining. Wir hatten ein Unternehmen für Personal Training, das heißt, wir hatten ein kleines Studio mit 120 Quadratmeter und noch separat 60 Quadratmeter Büro, und das heißt, wir hatten insgesamt zwölf Mitarbeiter, elf oder zwölf, und wir haben in unseren Räumen Personal Training angeboten. Da konnten wir mal zwei Stunden parallel laufen lassen, den ganzen Tag über, und die andere Hälfte unseres Umsatzes war, dass wir in Firmen trainiert haben, das heißt, wir haben Personal Training in Firmen gegeben, und das war so, dass wir zweimal pro Woche zum Beispiel in eine Firma gegangen sind für vier Stunden, und dann haben wir, Frau Person, Frau x, am Montag von zehn Uhr bis zehnuhrzwanzig trainiert und am Mittwoch von zehn Uhr bis zehnuhrzwanzig, und das über drei Monate, und so haben wir den Leuten beigebracht, wie sie besser schmerzfrei sitzen können oder was auch immer.

Sebastian Keil: Also, bei uns war das, glaube ich, der 16 März 2020.

Inken Roß (Work It Training): Montag, das war der Montag. Die Info kam am 15.03., das wissen wir sehr genau.

Lockdown: Direkt in den Krisenmodus

Sebastian Keil: Was hat sich dann für euch verändert?

Inken Roß: Im ersten Schritt alles, weil wir ja tatsächlich von dieser absoluten Schließung sozusagen betroffen waren, sofort. Fitness, Bewegung war überhaupt nicht mehr möglich, also außer auf Rezept sozusagen in Physiopraxen, sozusagen gab es noch Möglichkeiten, weiter zu trainieren. Aber es war klar, wir sind eine private Sportstätte, und wir müssen schließen. Und interessanterweise vor dem 15.03. in der Woche davor, da hatte sich das ja angebahnt, dieses mit es gibt da in China irgendwie, und wir wissen nicht so genau, da waren in Hamburg Schulferien, und da haben die ersten Firmen uns angerufen. Also, das waren ungefähr die Hälfte. Ein bisschen mehr als die Hälfte unseres Umsatzes haben wir eben mit Firmen vor Ort gemacht, und die haben angerufen, haben gesagt, es könnte sein, wir haben hier Policy, wir dürfen irgendwie fremde Leute nicht reinlassen, wir müssen mal irgendwie pausieren mit dem Training. Das heißt, diese Situation, das war so Donnerstag, Freitag der Woche davor, war für uns fast noch panischer, sozusagen, weil es noch nicht klar war, wie krass dieser Shutdown wird, und wir dachten, um Gottes willen, wenn diese, wenn wir diesen Umsatz nicht haben, können wir die Struktur nicht halten, weil wir natürlich angestellte Trainerinnen hatten, die ja weiter irgendwie Geld brauchten. Und dann kam am Sonntag eben diese Informationen, ihr dürft morgen nicht auch machen, und genau, und damit war einfach die Existenzgrundlage vernichtet. Es gab beide Produkte, die wir angeboten haben, also privat, privates Personaltraining und Firmentraining vor Ort war nicht mehr möglich.

Sebastian Keil: Wie lange hat das gedauert? Schock verarbeiten, vielleicht auch Angst, Panik: Wie lange hat das gedauert, bis ihr in den Modus gekommen seid, wo es darum ging zu überlegen, was kann man denn machen?

Arlow Pieniak: Also, ich glaube, in der Erinnerung kommt uns das länger vor. Wir haben das irgendwann noch mal nachgeguckt, wann wir angefangen haben. Es waren drei oder vier Tage, in denen wir in kompletter Schockstarre waren, und die sind in meiner Erinnerung deutlich länger und deutlich schlimmer sozusagen. Aber es ist ja auf der anderen Seite auch so, dass wir gar keine Wahl hatten. Wir mussten sofort.

Inken Roß: Kompletten Shutdown, und du hast Mittwoch morgens schon den ersten Online-Kurs gedreht. Also wir reden von Sonntagabends zu Mittwochmorgen.

Sebastian Keil: Also schon den Kurs gedreht!

Arlow Pieniak: Ja, nee, also geschrieben habe ich den oder gedreht schon?

Inken Roß: Geschrieben hast du ihn dienstags.

Arlow Pieniak: Ja gut, ging schneller, als wir dachten. Genau, es kann vielleicht ein bisschen daran liegen, dass wir Übung mit Katastrophen haben, wie das so ist im selbstständigen Leben. Aber genau, die Schockphase war trotzdem fürchterlich und einprägend zusammen.

Inken Roß: Aber ich glaube auch, dass es natürlich daran lag, dass man irgendwie, und das ist sicher was, wozu viele Leute sozusagen relaten können, natürlich haben wir vor 2020 schon irgendwie gewusst, dass man mal irgendwie digital werden sollte und dass es irgendwie eine total schlaue Geschichte wäre, wenn man irgendwie noch mal anders präsent wäre, als ein Flyer irgendwie in einer Umgebung zu verteilen und zu sagen, hey, bei uns kannst du auch Personaltraining machen.

Sebastian Keil: Nochmal, es gibt ein, ein physisches Produkt, persönlich mit jemanden im Raum, und auf einmal, zwei Tage später, sagst du: Gut, dann machen wir das ganze digital. Und wusstet ihr auch schon, dass das einzeln verkauft wird?

Arlow Pieniak: Also ganz kurz, das klingt jetzt so, als wäre das überhaupt kein Problem gewesen. Die Diskussion war ja vorher schon jahrelang von, dass sozusagen alle in unserer Firma, die irgendwie darauf gucken, dass man Geld verdienen kann, sagen, du musst das in irgendeiner Form digital machen, du musst es in irgendeiner Form entkoppeln von deiner direkten Dienstleistung. Ich habe über Jahre immer wieder gesagt, nee, das geht nicht, weil die Menschen sind ja alle unterschiedlich, und es ist zu schlecht, und ich kann es nicht korrigieren, wenn ich demjenigen nur zeige, wie es geht, aber keine Feedbackschleife drin habe. In der Situation war es jetzt ganz schlecht so: Du musst, Punkt. Und es gab so ein paar Argumente, die für mich wirklich wichtig waren, und das krasseste war eigentlich, das Inken gesagt hat, pass auf, wenn du jetzt keinen Kurs machst, dann machen die Leute, und ich nenne jetzt niemand negatives. Aber es gab so ein paar Vorzeige-Beispiele von Online-Kursen, die wirklich so unfassbar schlecht waren im Sinne von, du musst einfach nur an dich glauben, und du kannst den Körper haben, wenn du es willst. Wenn du einfach nur immer Gas gibst und nichts mehr isst, also so richtig dummes Zeug. Und das Argument war ganz einfach, wenn du jetzt keinen Kurs machst, machen die Leute das. Das, was du machst, muss einfach nur besser sein als das. Kriegst du das hin?

Aufbau des digitalen Angebots

Sebastian Keil: Ja, das ist ja eher dann an der Ehre gepackt als an dem, wir müssen das zum Überleben machen. Was mich noch interessieren würde, nochmal, vielleicht erinnert ihr das noch, wisst noch so ein bisschen was über Reichweiten und Erwartungen. Wir sind glücklich, wenn wir das, wie oft verkaufen?

Inken Roß: Ich bin mir ziemlich sicher. Auf Instagram hatten wir 400 oder 600 Follower, und wir haben sehr viel mit einer Content Creatorin gearbeitet zu dem Zeitpunkt, und dann haben wir gesagt: Okay, wenn die das promoted, also wenn die sagt, wir müssen mit der sprechen, und wenn die dann sagt, das ist eine tolle Sache, wir haben dann, glaube ich, drei Wochen gebraucht oder so, um den Kurs fertig zu kriegen, uns da einzuarbeiten, mit den Mitarbeitenden zu sprechen, ein, zwei Leute sozusagen abzugreifen und zu sagen: Okay, wer kann sich da einarbeiten, wie programmiere ich das, was brauche ich für ein System und so weiter? Das war ja ein Know how, was wir auch in der Firma nicht hatten, parallel zu, wir müssen uns stabilisieren, wir müssen Sachen beantragen und so weiter. Das heißt, wir haben uns dann einfach aufgeteilt und haben gesagt, okay, wie kann man das verteilen? Und dann haben wir gesagt, wenn die das promotet, dann verkaufen wir. Das war immer unser Gefühl.

Arlow Pieniak: Ich wusste genau, ich dachte, wir verkaufen 300 Kurse.

Inken Roß: 300 Kurse, und wie viele Kurse haben wir am ersten Tag verkauft?

Arlow Pieniak: 22 oder so.

Inken Roß: 22, da waren aber die Hälfte Friends und Family!

Arlow Pieniak: Genau, die bestanden aus unser aller Eltern und so.

Inken Roß: Also ja, gar nichts also. Ich hätte jetzt gesagt drei, aber ich weiß nicht wirklich nicht mehr genau. Aber es war wirklich so ein Scherz. Die ersten vier Wochen waren im Prinzip: wir werden sterben. Die zweiten vier Wochen waren dann okay, wir haben, wir haben die Sachen beantragt, es gibt Geld, es gibt Kunden, die uns unterstützen, Kurzarbeit und so weiter. Genau das waren dann, so würd ich sagen, die zweiten vier Wochen, und da haben wir dann angefangen zu versuchen, okay, wir müssen die Ressourcen, die wir haben, da reinstecken, dieses Produkt zu verkaufen. Und dann gab es jemanden, auch über eine Verbindung sozusagen, der dann gesagt hat, wir können eine Verlinkung auf einer großen deutschen Seite machen. Kann man das sagen? Wahrscheinlich? T-Online, ist auch egal, wie das wird, und da haben wir auch null verkauft.

Sebastian Keil: Also, ihr habt einerseits Kurzarbeit in Anspruch genommen, es gab Überbrückungshilfen. Aber die elf bis zwölf Mitarbeiter:innen, die konntet ihr halten, soweit. Ihr macht also das, was ihr schon immer machen wolltet oder wusstet, dass das ein Teil sein könnte. Jetzt habt ihr Zeit, jetzt kommt ihr dahin, aber es verkauft sich nicht. Das ging, glaube ich, vielen Unternehmern und Unternehmerinnen so. Wie geht das jetzt aber weiter? Also wie wird daraus eine Erfolgsgeschichte?

Arlow Pieniak: Die Antwort war, dass wir auf dem Sofa saßen und du gesagt hast, wir beantworten die falschen Fragen. Alle stellen uns irgendwelche Fragen zu, was sind die besten drei Bauchübungen? Und wir können nicht das erzählen, was wir wollen. Wir müssen selber unsere Geschichte erzählen, wir müssen selber erzählen, was wichtig ist, und dann den Leuten sagen, jetzt habt ihr verstanden, was wichtig ist, könnt ihr den Kurs kaufen. Das war Inkens Speach sozusagen, und die logische Konsequenz war: Okay, Kollege, du hast dich jetzt zehn Jahre geweigert, aber du musst dich an Social Media setzen und anfangen zu labern oder wir sind ruiniert. 

Sebastian Keil: Also, Kollege, damit bist du gemeint? 

Arlow Pieniak: Ja, das war ich dann, genau.

Inken Roß: Und dann haben wir angefangen, das zu posten, und dann jeden Tag. Wir hatten ja auch Zeit. Wir hatten ja den anderen Job sozusagen im Prinzip nicht mehr. Und nach den zweiten vier Wochen, wo wir dann alles mehr oder weniger geregelt hatten, was jetzt so die bürokratischen Geschichten anging, hatten wir ja nichts anderes zu tun, und dann haben wir alles da reingeschmissen und haben jeden Tag den ganzen Tag gesendet.

Arlow Pieniak: Ja, und die Leute hatten auch Zeit. Also man muss auch sagen, sehr viele Leute hatten auch Zeit, einfach zu konsumieren. Das ist jetzt anders sozusagen, aber das war halt eine gute Zeit, um auf Instagram viel zu machen.

Sebastian Keil: Wie lang war der erste Lockdown für euch? 

Inken Roß: Dreieinhalb Monate.

Verbindung von altem und neuem Geschäft

Sebastian Keil: Und dann durftet ihr irgendwann wieder aufmachen und war zu dem Zeitpunkt schon klar, es gibt ein, das ist ein neues Geschäftsmodell, oder war das erst mal wieder? Wir machen einmal wieder Personaltraining?

Inken Roß: Auch. Also, wir haben dann festgestellt, ganz schnell, nämlich nach drei Tagen: Ach du scheiße, jetzt haben wir zwei Jobs. Das war krass, das war wirklich krass. Alle wollten natürlich trainieren. Die Leute haben gelechzt nach: Ich will kommen. Wir waren von 600 Followern auf 4600 Follower gewachsen und hatten das Gefühl, wir sind Millionäre, weil das ein Publikum war, was wir vorher nicht hatten. Und die Größenordnung, wenn man sich das heute vorstellt, also wie viel sind 6500 Follower oder auf oder 4600 Follower auf Instagram, ist ja nicht super viel, aber es hat sich für uns so angefühlt, weil das, was wir das, was wir an Potenzial brauchten, wir brauchten ja keine Millionen sozusagen. Wir hatten ja nicht irgendwo hoch skaliert, sondern wir haben das gemacht, was wir vorher gemacht haben, sozusagen.

Arlow Pieniak: Für mich ist es halt normal, eins zu eins zu sprechen und nicht eins zu 4600, also.

Inken Roß: Ja, dann war es irgendwie krass, weil dann war es plötzlich so okay, normales Leben und das Leben dazu, und dann hatten wir einen stetigen, also ab dem Moment ist sozusagen das Verhältnis gekippt. Also, wir hatten viel mehr Kunden, Kundinnen, die wir nicht betreuen, bedienen konnten, sozusagen, und dann war sofort klar, eigentlich, wir brauchen einen. Also das erste war ja ein Rückenkurs, dann war so okay, nächstes großes Problem: Nacken, das war eigentlich da schon klar, würde ich sagen. Und irgendwie war ja auch in dieser Corona-Zeit klar, das ist jetzt nicht vorbei. Also, uns war ja allen klar, irgendwie nach dem ersten krassen Lockdown, dass, wenn der Winter kommt und Herr Drosten hat gewarnt und keine Ahnung was. Es war irgendwie klar, dass gerade im Bereich Sport auf jeden Fall das nicht darauf hinauslaufen wird, dass wir jetzt ganz normal die nächsten zehn Jahre weitermachen. Also es war irgendwie schon sehr bewusst. Und dann haben wir das eigentlich sofort vorbereitet, weil wir waren ja die, die am kürzesten auf hatten. Also, wir hatten den halben Juni, Juli, August, September, Oktober, und Anfang Oktober war schon klar, dass wir am ersten November wieder zumachen müssen. Wir hatten den längsten Lockdown, der dann folgte, waren neun Monate. Wir waren die ersten, die zu machen mussten, und die letzten, die aufgemacht haben.

Sebastian Keil: Okay, wie viele, ich sage mal, Produkte habt ihr im zweiten Lockdown gemacht?

Inken Roß: Zwei zusätzliche.

Sebastian Keil: Okay, und war da schon klar, dass die neue Zielgruppe, die ihr euch über Social Media erarbeitet habt, auch tatsächlich eine kaufinteressierte Zielgruppe ist?

Arlow Pieniak: Hm, das wurde klar, und zwar erstens, weil die Verkäufe einfach hochgingen von den Kursen. Das fing dann an zu funktionieren, und das Zweite war, dass wir ja im zweiten Lockdown, deswegen haben wir das überhaupt überlebt, angefangen haben, sehr intensiv Online-Personaltraining zu machen, also eins zu eins, Personen. Und unsere Trainer waren zwar in Kurzarbeit, aber die waren halbe Stelle, Dreiviertelstelle, also Stunden Prozent, waren sie beschäftigt damit, ihre alten Kunden oder auch neue Kunden, die wir dann anbringen konnten, über Social Media online zu trainieren. Deswegen haben wir den zweiten Lockdown genau überstanden, und zwar auch ohne weitere Hilfsgelder schon, das heißt, wir haben uns da schon so weit umgestellt, dass wir mit Kursen und online Personaltraining schon klar kamen, allerdings noch mit Kurzarbeit. Also, so ist es nicht, aber halt keine extra Hilfen.

Inken Roß: Und nicht mehr 100 Prozent, das war nicht wie im ersten Lockdown. Genau, da war einfach diese psychologische Komponente von Schockstarre noch so krass, auch bei den Leuten, keiner wusste, was passiert und so weiter. Da haben wir auch das angeboten. Aber da war das nicht so doll wie im zweiten Lockdown. Im zweiten Lockdown waren alle so, oh scheiße, jetzt machen die wieder zu, wie können wir es hinkriegen? Gesamtgesellschaftlich war es eine ganz andere Stimmung sozusagen, und deshalb haben die Kurse dann auch noch besser funktioniert, und wir haben einfach auch noch mehr Follower gehabt, also sind dann stetig gewachsen, und das hilft ja dann auch irgendwie, wenn man über so eine bestimmte Schwelle ist und so, und dann haben wir den dritten Launch, also den dritten Kurs gelauncht. Da fühlte sich das schon total professionell an. Wir hatten über 10000 Follower, wir hatten andere Influencer:innen, die uns unterstützt haben, wir haben richtig eine kleine Kampagne gebastelt, wir hatten das Know how aufgebaut, war ja dann jetzt schon das dritte Mal. Wir hatten schon Learnings. Wir haben einfach ein neues Feld in der Firma aufgebaut. Das war einfach ein neues Standbein sozusagen.

Sebastian Keil: Okay, jetzt könnte man ja meinen, man macht Video, Personal Training und man macht Kurse. Jetzt sitzen wir aber heute hier in deinem Backoffice, und es gibt unten eine große Studiofläche. Wie passt das denn zusammen?

Arlow Pieniak: Also ich kann sagen, wie der Gedankengang war. Das war nämlich so, dass wir durch die ganze Instagram-Geschichte und die Kurse eine Warteliste hatten fürs Personaltraining von über 100 Leuten, etwas, was wir sonst nie hatten. Sonst hatten wir immer gut Kundschaft und auch nie Probleme, das alles zu füllen. Aber durch das sind so viele Leute gekommen, die bei uns trainieren wollten, die wir nicht im Ansatz bedienen wollten. Das zweite ist, dass ich schon sehr, sehr lange den Traum hatte, eine Trainingsfläche zu haben, auf der mehr Leute trainieren können, dass nicht nur das Wissen eins zu eins weitergegeben werden kann, sondern eben ein Umfeld geschaffen wird, in dem Menschen selbstständiger trainieren können als im Personaltraining und ein Raum, ein Feld entsteht, indem so trainiert wird, wie ich es für richtig halte und wie es für die Kunden gut ist, ohne Scham, mit Gucken auf die Defizite, und nicht sich darstellen und schick anziehen, sondern eben sich um die Schwachpunkte kümmern und lernen, wie es geht, und selbst ermächtigt werden, und alles das. Diese beiden Dinge sind dann in dem geendet, was wir hier aufgebaut haben. Das heißt also, wir haben jetzt eine Trainingsfläche, auf der maximal 250 Leute trainieren können. Wir sind noch nicht voll, das heißt, wir dümpeln irgendwo um die 170, 180 rum, irgendwo in dem Dreh und das Wagnis mit riesigen Krediten und unglaublich vielen Dingen, die wir so nicht haben kommen sehen, und es ist immer noch schwer. Also, wir stehen, und wir stehen auch stabil, aber es ist immer noch sehr schwer, ganz klar.

Sebastian Keil: Mal ganz doof gefragt, hätte es Corona nicht gegeben.

Arlow Pieniak: Ausgeschlossen, dass das hier entstanden wäre, also zumindest nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre oder so was.

Inken Roß: Ja, und es war so ein bisschen, also die Idee gibt es auch da schon sehr lange, weil es eben tatsächlich so der Ursprung, sowas mit einer inneren Struktur vielleicht zu tun hat. Mein Auftrag in der Welt oder so, ich bin Coach, genau. Man hört das so, also genau, es hat es hat auf jeden Fall viel mit unserer Innerlichkeit irgendwie zu tun, was hier entstanden ist, das heißt, es gibt es irgendwie so als als Saatkorn sozusagen schon lange. Und ich glaube, was auch noch hinzu kam, war, dass wir diese Stimmung erkannt haben, dass die Leute nach diesem Eingeschlossensein, einfach das Leben anders empfinden. Also das merken wir, das heißt dieses nischigere und mehr auf den Menschen ausgerichtet, mehr auf Selbstwirksamkeit ausgerichtet, ist, glaube ich, der zweite Punkt, so dass es, dass Menschen sich verändert haben, das zu sehen und wertzuschätzen und dafür eben auch Geld auszugeben.

Arlow Pieniak: Ja, und für Expertise bezahlen. Das hat sich auch verändert.

Der Ausblick

Sebastian Keil: Ja, okay, die Veränderung des Geschäftsmodells auf mehr digital, hat jetzt letztendlich das größere Studio ermöglicht. Vielleicht jetzt ein bisschen zum Abschluss auf ein Ausblick kommen: Jetzt macht ihr weiter online Kurse. Wie sieht denn jetzt der Plan für die nächsten Jahre aus? Also ist es dann beides analog und digital?

Arlow Pieniak: Ja, auf jeden Fall, also, man hätte ja den Gedanken haben können: Super, bleibt analog klein und macht da nicht weiter, sondern konzentriere dich auf die Onlinekurse. Das wollten wir explizit nicht, wollten wir noch nie, weil es ist so, dass im Personaltraining und auf der Fläche, das ist die Inspiration, das ist der Kern dessen, was wir tun. Das ist das, wo die Probleme sichtbar werden, wo wir sie lösen, wo wir miteinander als Team arbeiten und besser werden. Das heißt also, zu sagen, wir machen das, was logischerweise viel mehr Geld kostet, einfach weil Miete und Mitarbeiter, das kippen wir, und wir gehen auch zum profitablen Teil, dem digitalen, ist Unfug, weil die Ideengebung und das, was wir verkaufen, entsteht eben auf der Fläche. Deswegen ist auf jeden Fall der Plan, dass das parallel bleibt.

Sebastian Keil: Und wie wichtig ist der Teil des Experten im Lehnsessel, den du auf Instagram ja verkörperst?

Inken Roß: Ganz schwere Frage.

Arlow Pieniak: Es ist natürlich so, dass jeder, der irgendwie von uns hört, fast alle gucken dann auf Instagram, und wer dann hier landet, der fand das irgendwie ganz gut. Aber natürlich ist es nicht so, dass ich diese Firma bin, aber ich bin natürlich das Aushängeschild, und es ist aber komplett anders, und das heißt, meine Ideen entstehen in der Zusammenarbeit, und der Grund, warum wir auf gewisse Weise versuchen, von dieser Situation wegzukommen. Und es ist auch so, dass das, was ich da am Anfang gemacht habe, mich da hinsetzen und labern. Das hat sehr gut funktioniert in der Zeit, als die Menschen Zeit hatten und waren so: Okay, spannend, neue Gedanken. Und wer aber jetzt zu tun hat und ein Job und Kinder hat und kommt von der Arbeit nach Hause, und dann sieht er schon mein Gesicht und: Okay, zu lang, geht nicht. Das heißt also, wir versuchen genau auch davon wegzukommen, andere, kürzere Formate auch mit anderen Leuten und so was anzubieten, was auch sehr gut klappt, weil wir einfach merken, dass das, was ich da mache, auf gewisser Weise outdatet ist. Aber es macht mir auch Spaß, so ist es nicht, ich werde schon auch weitermachen.

Inken Roß: Ja also, ich glaube, es ist wie immer im Leben. Man darf halt auf keinen Fall stehen bleiben, sozusagen, und wir bringen jetzt nächste Woche. Ich weiß nicht, wann was ausgestrahlt wird, aber nächste Woche kommt unser Podcast raus, unser neuer, und wir müssen uns weiter verändern. Ich glaube, dass die Veränderung dieses analogen Produkts dazu geführt hat, dass wir wirklich mehr Menschen erreichen können, nicht nur aufgrund der gestiegenen Reichweite auf Instagram, sondern weil wir anders auftreten können. Also genau, dass wir in der Dynamik bleiben und unabhängig von, ob es jetzt nochmal irgendwas Dramatisches gibt wie Corona, glaube ich, ist das das hauptsächliche. Ich muss wissen, wo ich in drei Jahren stehen will, dafür, dass ich weiß, was ich heute tue. Und ich glaube wirklich, das machen die wenigsten Menschen, ob im Job oder im Privaten. Es gibt Leute, die eine Budgetplanung machen, und in Konzernen ist es so, man macht eine Budgetplanung fürs nächste Jahr, und dann weiß man, dass die Abteilungsleiter im Oktober feststellen, ich habe mehr geplant, als ich ausgegeben habe. Scheiße! Was kann ich jetzt noch die nächsten acht Wochen machen, damit ich auf jeden Fall das gleiche Geld nächstes Jahr kriege, also diese ganze, diese ganze Überlegung, sozusagen dieses ganze System. Wie das funktioniert, ist, glaube ich, was, was outdatet ist und was dringend überholt werden muss, dass Menschen tatsächlich anders arbeiten und gucken und sagen, okay, wie muss es sich anfühlen in drei Jahren, nicht, wo will ich stehen und wie viel, wie viel Geld habe ich da ausgeben? Und wenn ich nicht das richtige Geld ausgegeben habe, dann krieg ich das Budget nicht mehr. Das ist nicht ein Maßstab, das ist kein Kriterium, sondern es muss sein, wie fühlt es sich an, in drei Jahren hier zu sein? Was muss sich da verändert haben? Was muss sich wie anfühlen? Wie kann ich die Leute mitnehmen, und dann habe ich eine Chance, sozusagen on top of things zu bleiben. Das schaffen einige Leute, die selbstständig sind, weil sie es müssen, so wie wir, weil wir keine Investoren haben und nicht Millionen, die da rumliegen, sozusagen. Aber ich glaube, das ist für alle anderen auch wichtig, eigentlich.

Sebastian Keil: Okay, ja, cool, zum Abschluss machen wir so ein paar rapid fire Fragen, normalerweise drei, aber ihr könnt die auch beide beantworten. Dann gucken wir mal, wer die schneller beantworten möchte. An meinem Job mag ich am meisten, dass...

Arlow Pieniak: Dass ich nicht sitzen muss.

Sebastian Keil: Wenn ich mal ein Motivationsloch habe, dann hilft es mir…

Inken Roß: Mich daran zu erinnern, dass ich Menschenleben verändern kann.

Sebastian Keil: Im Berufsleben hätte ich gerne von Anfang an gewusst, dass…

Inken Roß: Alles ein Prozess ist und es keinen Zustand gibt, den man erreichen muss, oder dass es immer weitergeht. 

Sebastian Keil: Toll! Herzlichen Dank Inken, herzlichen Dank Arlow!


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