„Gute Arbeitswelten gehen überall“

Als Architektin und Beraterin erarbeitet Sandra Breuer für Unternehmen jeder Größe die Büro- und Arbeitswelten, die zu den Abläufen im Betrieb passen. Ihr Credo: Eine gute Arbeitswelt braucht keine neuen Räume.


24.03.2021 - Sebastian Keil -1 MinutenArbeitswelt gestalten
Frau mit schwarter Bluse Sandra Breuer
© Sandra Breuer - Sandra Breuer

Als Architektin und Beraterin erarbeitet Sandra Breuer für Unternehmen jeder Größe die Büro- und Arbeitswelten, die zu den Abläufen im Betrieb passen. Ihr Credo: Eine gute Arbeitswelt braucht keine neuen Räume.

 

 

Sandra Breuer Ich glaube, Arbeitswelt muss man auch immer ein bisschen größer denken. Arbeitswelten sind nicht nur der Schreibtisch, sind nicht nur die Bürofläche, ist nicht nur das Gebäude, sondern ist letztendlich auch das, was drumherum passiert.

Sebastian Keil Herzlich willkommen zum Faktor A. Podcast. Ich begrüße heute Sandra Breuer von der Combine Consulting AG. Sie beschäftigt sich mit der Gestaltung von modernen Arbeitswelten und ist Architektin. Herzlich willkommen, Frau Breuer.

Sandra Breuer Hallo! Schönen guten Tag.

Sebastian Keil Schön, dass Sie dabei sind. Frau Breuer, zum Einstieg würde ich gerne mal wissen, wie wird man das, was Sie jetzt sind? Und was sind moderne Arbeitswelten?

Sandra Breuer Nun, mein mein Weg in den Job, den ich heute mache, ging ein bisschen über Umwege. Aber ich glaube, diese Umwege haben mich genau zu dem gebracht, was heute gut funktioniert. Ich habe in der klassischen Unternehmensberatung angefangen und habe dann lange in einem großen deutschen Technologieunternehmen gearbeitet, dann Architektur studiert und bin dann bei Combine gelandet, um letztendlich genau all diese Erfahrungen miteinander zu verbinden. Wie arbeiten Menschen in Unternehmen? Welche Räume helfen ihnen? Welche Räume hindern sie da dran, gut zu arbeiten? Wie funktioniert das eigentlich im Gebäude – und das Ganze halt mit einem beratenden Ansatz zu verbinden. Insofern kam da am Ende drei Dinge zusammen, die mich jetzt den Job machen lassen, den ich jeden Tag sehr gerne tue.

Worum geht’s bei Arbeitswelten? Wenn wir darüber nachdenken, dann ist es vor allem immer auch die räumliche Perspektive. Viele gucken da ja sehr stark erst mal von der organisatorischen Perspektive drauf und wir haben es uns zu eigen gemacht, das miteinander zu verbinden. Während Architekten erst einmal an der Uni lernen, Gebäude von außen nach innen zu denken, ergänzen wir das um den Blick von innen nach außen. Wie funktionieren Organisationen? Was brauchen sie zum Guten arbeiten? Wie möchten Organisationen sich verändern? Und welche Rolle können dabei Räume spielen? Und wie kann man das dann in Gebäuden auch funktional gut abbilden? Darum geht’s, wenn wir über Arbeitswelten nachdenken.

Sebastian Keil Dieser Blick von innen nach außen, ist das für Unternehmen jeder Größe ein interessanter und notwendiger Blick?

Sandra Breuer Absolut. Da bin ich fest von überzeugt, dass das Nachdenken über eine gute Arbeitswelt immer bei der Organisation starten muss. Und der Blick dahin Was tut eigentlich meine Organisation, was tun meine Mitarbeiter? Was sind die Tätigkeiten? Sind sie vielseitig und wechseln über den Tag sehr häufig oder sind sie sehr monofunktional? Machen sie eigentlich bis auf wenige Wechsel den ganzen Tag dieselben Tätigkeiten? Wie können Räume dann das unterstützen, diese unterschiedlichen Tätigkeiten von Menschen? Insofern: Dieser Blick hilft immer. Und wenn ich einfach rausgefunden habe, wie ich meine Organisation durch Räume unterstützen kann, dann ist es genauso für ein kleines Unternehmen und eine kleine Organisation relevant wie für Großkonzerne. Wir haben in Deutschland vier Standorte und die sind typischerweise für zwischen 10 und 30 Mitarbeiter geplant. Und auch wir haben genau bei unserem Arbeiten angefangen. Welche Rollen haben wir in der Organisation, welche Funktionen, welche Tätigkeiten üben die Menschen aus, wie häufig? Und daraus haben wir unsere Raumkonzepte entwickelt. Und genau mit demselben Ansatz machen wir das für Mittelständler oder auch für große Konzerne. Die Idee dahinter ist immer dieselbe, dass immer von der Organisation ausgehend Räume zu planen sind.

Sebastian Keil Es werden ja Arbeitsprofile erstellt für gewisse Positionen. Das passiert ja oftmals auf dem Papier und dann werden diese Positionen mit Menschen besetzt. Es ist dann so, dass diese Menschen die Rollen anders ausfüllen, aus Sicht des Arbeitsplatzes, als dass sich die Planer das gedacht haben?

Sandra Breuer Ja, natürlich. Wir treffen natürlich Hypothesen über das zukünftige Arbeiten, darauf basierend, wie wir die Organisation heute erlebt haben. Und natürlich wird ein anderer Raum das Arbeiten auch wieder verändern. Und das müssen wir natürlich in unserer Hypothesenbildung mitbetrachten. Das heißt, wenn der Raum in der Zukunft nicht mehr passt, dann kann das natürlich sein, dass die Organisation sich schneller oder in eine andere Richtung weiterentwickelt hat, als wir das natürlich in der Planung mitbedacht haben. Was aber gar nicht schlimm ist, weil das passiert ja permanent. Und so eine Arbeitswelt darf ja auch kein starres Korsett sein. Das darf ja kein Maßanzug sein. Das sollte etwas sein, was mit lebt und sich entwickeln kann und immer wieder neue Veränderungen in der Organisation auch aufnehmen und abbilden und darauf reagieren kann.

Sebastian Keil Wie kann das jetzt aber aussehen, dass Räumlichkeiten adaptierfähig sind? Früher war es ja so: Man zieht irgendwo ein, dann kriegt entweder jeder ein Büro oder diese vier Leute teilen sich dieses Büro und dann kommen da vier am Tisch rein, die sich irgendwie gegenüberstehen. Jeder kriegt ein Telefon und eine Lampe. Und das ist ja nun heute in vielen Unternehmen schon anders. Und dann sagen Sie aber besteht die Herausforderung, dass man sich dann auch noch den wandelnden Umständen anpassen muss? Wie sieht das dann konkret aus? Welche Optionen habe ich als Unternehmensführer oder wer plant denn in den meisten Unternehmen solche Unterfangen?

Sandra Breuer Das waren jetzt ganz viele Fragen! Ich gehe nochmal einen Schritt zurück. Das, was Sie beschrieben haben als Arbeitswelt, was man ja in vielen Unternehmen so vorfindet, das war ja mit einer ganz anderen Haltung auch geplant. Man bildete Hierarchien, Organisationsstrukturen, Machtgefüge. Die bildete man über Raum ab. Es gab ein Oben und ein Unten. Es gab unterschiedliche Ausstattungen, es gab unterschiedliche Raumgrößen et cetera. Das war alles sehr, sehr wichtig, um einer Organisation, ein räumliches Gefüge zu geben. Was die Menschen hinter diesen meist sehr verschlossenen Türen tun, war überhaupt nicht wichtig, da hat man gar nicht hingeguckt. Es ging um Hierarchie und Macht. Der Ansatz, mit dem wir heute in vielen Unternehmen arbeiten, über den wir nachdenken, ist anders gelagert. Es geht vielmehr darum: Was kann ich tun, um meinen Mitarbeiter den Raum zu bieten – also konkret den Raum, aber auch im übertragenen Sinne den Raum – damit sie erfolgreich sein können, damit Teams erfolgreich sein können. Was brauchen die dafür? Also wir gehen sehr stark von den Tätigkeiten aus. Und insofern das wechselt natürlich. Das verändert sich. Das hat ganz viel auch damit zu tun, wie die Digitalisierung voranschreitet, was uns wie weit immer mehr unterstützt. Welche Optionen haben wir da? Ich würde erst einmal sagen möglichst viel Fläche vorzuhalten, also wenig raumbildende Maßnahmen wirklich zu bauen. Ja, also jede Wand, die da ist, jede Tür, die da ist, die erstmal wegzunehmen, um dann aber nicht dieses böse gefürchtete Großraumbüro zu entwickeln, sondern eine offene Fläche mit Raum-in-Raum-Modulen oder mit flexiblen Wandstellungen so zu strukturieren und zu unterstützen, dass Menschen sie immer wieder neu für sich zusammensetzen, verändern können, wie es dann zu dem Team oder zu den Notwendigkeiten der dort arbeitenden Organisation dann auch passt. Zusätzlich kann man dann natürlich auch noch sehr stark auf tadelloses Equipment setzen. Man kann auch Tische und Stühle auf Rollen einbringen, also immer wieder darüber nachdenken. Einfach so, wie man es früher bei Lego hatte. Ja, diese große Fläche, auf der ich dann unterschiedliche Strukturen abbilden konnte. Das hilft mir einfach in der Flexibilität.

Sebastian Keil Ich weiß aus Ihren Vorträgen, dass in Ihrer Arbeit das Stichwort „Verhalten“ eine große Rolle spielt. Wenn man jetzt dabei ist, für seine Mitarbeiter Räume zu gestalten und sich vorzustellen, wie die Kollegen darin arbeiten, welche Rolle spielt dann Verhalten in der Planung und in der Umsetzung?

Sandra Breuer Wir möchten immer gerne, wenn wir mit Organisationen arbeiten, sehr breit und sehr tief eintauchen dürfen in die Organisation. Wir arbeiten sehr gerne partizipatorisch. Soll heißen: Wir führen gerne viele Gespräche, viele Interviews. Wir machen gerne viele Workshops mit ganz unterschiedlichen Zusammensetzungen in den Unternehmen, um wirklich sehr breit und sehr vielseitig dieses Verhalten auch erleben zu können und daraus auch unsere Schlüsse, unsere Ableitungen machen zu können, weil wir natürlich in jedes Projekt ergebnisoffen reingehen. Ja, also für uns gibt’s nicht den Standard-Katalog, den wir klein, mittel, groß auf jedes Projekt anwenden würden. Jedes Unternehmen bekommt am Ende die Arbeitswelt, die auch zum Arbeiten in dem Unternehmen passt. Weil unsere Idee ist, und das ist dann letztendlich das Verhalten in der Umsetzung, dass Raum halt Verhalten prägt. Und die Summe des Verhaltens ist dann auch die Kultur eines Unternehmens. Und im Umkehrschluss: Wenn ich letztendlich über Kultur nachdenke oder Kulturwandel auch befördern möchte, habe ich mit dem Raum ein sehr großes Tool bzw. wenn ich über den Raum nachdenke, muss ich immer mit bedenken Ich arbeite an der Kultur des Unternehmens zu uns. Es ist also immer sehr wichtig, das Verhalten der Menschen wirklich auch direkt erlebbar in unsere Arbeit mit einzubinden.

Sebastian Keil Was machen Sie, wenn der Raum an Grenzen stößt?

Sandra Breuer Dass nicht genug Raum da ist oder was meinen Sie mit, dass der Raum an Grenzen stößt?

Sebastian Keil Ja, das vielleicht nicht genug Raum da ist, oder dass der Raum nicht flexibel genug ist.

Sandra Breuer Also zunächst einmal gebe ich an jedes Gebäude mit der Haltung ran: Gute Arbeitswelten gehen überall, wenn man bei der Organisation beginnt. Weil viele Unternehmen glauben, neue Arbeitswelten sind für sie erst dann ein Thema, wenn sie neu bauen oder wenn sie ein neues Gebäude oder neue Flächen beziehen. Ich glaube, da macht man sich die Arbeit zu leicht. Da denkt man nicht weit genug. Ich glaube aber, dass natürlich alte Gebäude haben starre Strukturen. Da geht vielleicht nicht ganz so viel, was in einer neuen, großen, offenen Fläche funktionieren würde. Aber dafür sind alte Gebäude emotional aufgeladen und nicht umsonst werden so viele alte Industriegebäude, Lagerhallen et cetera zu Bürogebäuden umgebaut und Menschen fühlen sich darin extrem wohl, weil diese emotionale Aufgeladenheit der Fläche ja auch ganz viel zum Wohlbefinden beiträgt. Ja, und auch dieses Spannungsfeld zwischen den Wissensarbeitern, die nur noch ihren Laptop brauchen, die dort drin arbeiten und dieser hunderte Jahre alten Historie des Gebäudes und was da schon alles passiert ist und mit Händen gemacht wurde: Ich finde, dieses Spannungsfeld ist ja auch etwas, was Menschen inspiriert. Dahingehend habe ich moderne Gebäude, die vielleicht alles ermöglichen, wo ich ganz frei über Bürowelt nachdenken kann, vielleicht baulich wenig Restriktionen habe, aber die oftmals in einem Erschliessungsgebiet liegen, was nicht so inspirierend ist. Wo vielleicht keine Infrastruktur außenrum ist, kein Grün, da ist sozusagen der Gesamtkontext ein anderer und die emotionale Aufladung des Ortes ist dann wirklich eine Herausforderung. Ich glaube, Arbeitswelt muss man auch immer ein bisschen größer denken. Arbeitswelten sind nicht nur der Schreibtisch, sind nicht nur die Bürofläche, ist nicht nur das Gebäude, sondern ist letztendlich auch das, was drumherum passiert. Was passiert auch schon ein bisschen auf dem Weg zur Arbeit? Wie erlebe ich das Umfeld? Also wirklich immer größer Denken, das Grün mitdenken et cetera. Und dann kommt man sehr schnell dazu, dass Restriktionen, die einem das Gebäude vielleicht liefert oder stellt, gar nicht so das Problem sind. Ja, wie man auch oft sagt, aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man wunderbare Dinge bauen. Ich glaube mal so da drüber nachdenkt, kann man in Neubauten, in Bestandsbauten, egal aus welcher Zeit, gute Arbeitswelten entwickeln.

Sebastian Keil Das finde ich ein ganz wundervolles Schlusswort. Vielen Dank Frau Breuer. Ja, vielen Dank, dass Sie dabei waren und ich hoffe, dass für alle was dabei war.

Sandra Breuer Sehr gerne.


Titelfoto: © iStock/alvarez