Fachkräfteanwerbung aus dem Ausland: So unterstützt die BA

Für viele Arbeitgeber gleicht die Rekrutierung aus dem Ausland einem undurchsichtigen Dschungel. Im Interview mit zwei Experten bringen wir Licht ins Dunkel.


21.01.2025 - Katja Feuerstein, Matthias Haft -7 MinutenMitarbeiter finden

Viele Unternehmen kennen die internationalen Projekte und Programme der Bundesagentur für Arbeit (BA) nicht oder zögern, im Ausland auf Personalsuche zu gehen. Wieso das ein Chancenkiller ist, erklären Alexander Wilhelm, Leiter Internationale Beziehungen der Bundesagentur für Arbeit, und Dominik Keindorf, Teamleiter Südamerika bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV).

Wenn es darum geht, Fachkräfte im Ausland zu rekrutieren, gibt es noch viel Luft nach oben: Nur sechs Prozent der Betriebe in Deutschland gehen im Ausland auf Personalsuche. Das zeigen Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Über ein Drittel der Betriebe beschränkt sich bei der Personalsuche auf den deutschen Arbeitsmarkt. Insbesondere kleine Betriebe nutzen die Möglichkeiten internationaler Arbeitsmärkte nur sehr selten. Die zwei wichtigsten Hemmnisse: die von den Betrieben nur schwer leistbare Beurteilung ausländischer Qualifikationen und die Bürokratie in Deutschland. Bei beidem kann die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der BA Arbeitgebern helfen.

Faktor A hat mit zwei Experten des internationalen Geschäfts der BA über die Chancen der Fachkräftegewinnung in der EU und in Drittstaaten gesprochen. Welche aktuellen Projekte und Programme bietet die BA an? Auf welchen Branchen liegt der Fokus? Und welche Beratungs- und Fördermöglichkeiten gibt es für Arbeitgeber? Ein Interview für mehr Durchblick im Anwerbedschungel.

Interview: Darum lohnt sich die Fachkräfteanwerbung aus dem Ausland

Faktor A (FA): Die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung ist nicht allen ein Begriff: Was macht sie genau? Und wie hilft sie Arbeitgebern?

Dominik Keindorf (DK): Die ZAV verantwortet die operative Umsetzung des internationalen Geschäftes der BA. Dabei unterstützt sie gemeinsam mit dem Arbeitgeber-Service Unternehmen im Inland bei der internationalen Personalgewinnung. Sie begleitet zudem Fachkräfte und Ausbildungsinteressierte aus der ganzen Welt dabei, ihren Wunsch, in Deutschland zu lernen oder zu arbeiten, umzusetzen. Darüber hinaus rekrutiert sie, auf der Grundlage konkreter zwischennationaler Vereinbarungen, gezielt Fachkräfte und Auszubildende in Branchen, in denen diese bei uns dringend gesucht werden. 
Neben diesen Aufgaben setzt die ZAV die ordnungspolitische Aufgabe der Arbeitsmarktzulassung um. 
Sie berät Schülerinnen und Schüler im Ausland zum Studium in Deutschland und unterstützt internationale Organisationen bei der Gewinnung von Führungskräften. Außerdem unterstützt sie Auswanderungswillige im Inland bei allen Fragen rund um Arbeit und Leben im Ausland und berät Arbeitgeber und betroffene Akademiker*innen zur Beschäftigung von schwerbehinderten Akademikern. Zudem unterstützt sie Auftraggeber sowie darstellende Künstlerinnen und Künstler bei der Anbahnung von Aufträgen und Engagements.

FA: Obwohl die BA schon länger erfolgreich Fachkräfte aus der EU und Drittstaaten nach Deutschland vermittelt, sind einige Unternehmen zurückhaltend. Woran liegt das?

Porträtaufnahme von Alexander Wilhelm
Foto: Alexander Wilhelm

Alexander Wilhelm (AW): Vielen ist gar nicht bewusst, dass man gemeinsam mit der BA auch Fachkräfte und Auszubildende im Ausland rekrutieren kann. Mitunter erscheint aber gerade kleineren Unternehmen auch die bei der Auslandsrekrutierung nötige langfristige Personalplanung in wirtschaftlich unsicheren Zeiten herausfordernd. Dazu kommen die Kosten, die mit einer Auslandsrekrutierung einhergehen, sowie die unübersichtliche Behördenlandschaft und komplexen Prozesse etwa für oft nötige Verfahren zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse und beim Einreise- und Integrationsprozess. Das alles lässt den Prozess für viele Unternehmen sehr langwierig erscheinen. Dies ist verständlich. Allerdings kann auch die Suche nach Fachkräften in Deutschland lange dauern und kostspielig sein.

DK: Die Personalbedarfe von Arbeitgebern sind häufig unmittelbar, wohingegen die internationale Personalgewinnung als langwierig und kompliziert wahrgenommen wird. Die ZAV verfügt zum einen über einen umfangreichen Pool an einwanderungswilligen Fachkräften, die auch kurzfristig vermittelbar sind. Zum anderen gibt es die Option gezielter Rekrutierungen im Ausland, welche tatsächlich durchaus länger dauern. Die gezielten Rekrutierungen haben aber den Vorteil, dass Arbeitgeber von Anfang an am Prozess und an der Auswahl beteiligt sind. Bei bürokratischen und organisatorischen Herausforderungen helfen im gesamten Prozess der Arbeitgeber-Service, die ZAV und unsere Partner. Arbeitgeber mit Personalbedarf, die diesen inländisch nicht gedeckt bekommen, sollten diese Optionen daher aus meiner Sicht mit ihren Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern im Arbeitgeber-Service durchaus erörtern. Der Mythos der Hürden auf dem Weg zu ausländischen Mitarbeitenden ist in meiner Wahrnehmung sehr aufgebläht. Es ist sicher klug, dem mit einer Mischung aus Realismus und Optimismus zu begegnen. Immerhin gelingt der BA die gezielte Vermittlung dieses Personalpotentials jährlich in signifikantem vierstelligem Umfang.

So unterstützen Projekte und Programme die Erfordernisse inländischer Betriebe

FA: Wenn es darum geht, neue Länder ins Portfolio der BA aufzunehmen – wie läuft das? Wer trifft hier die Entscheidung?

AW: Die BA hat im letzten Jahr ihre Potenzialanalyse zur Identifikation geeigneter Drittstaaten (Nicht-EU-Länder) aktualisiert. Dabei wurden insgesamt 13 Fokusländer für die aktive Anwerbung von Fachkräften und Auszubildenden über Projekte und Programme der BA festgelegt. Die Länderpotenzialanalyse berücksichtigt mit Blick auf die Erfordernisse des deutschen Arbeitsmarktes u.a. Faktoren wie das Bildungsniveau und die Bevölkerungsgröße des Landes. Gleichzeitig fließen auch Aspekte wie die Beschäftigungsquote und die demografische Entwicklung in die Analyse mit ein. Damit berücksichtigen wir nicht nur die Potenziale für unseren Arbeitsmarkt, sondern auch die Bedürfnisse des jeweiligen Landes. Eine nachhaltige Partnerschaft im Sinne einer fairen Migration muss vermeiden, dass einem Land Potenziale an Fachkräften entzogen werden, die dort selbst benötigt werden (Brain-Drain). Nicht zuletzt spielen auch Erkenntnisse zur Anerkennungsfähigkeit von Berufsabschlüssen, die Einschätzung von deutschen Institutionen vor Ort und das Vorhandensein einer geeigneten Partnerstruktur eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Länder.

FA: Bei der Vielzahl an Programmen und Projekten sowie stetig neuer Anwerbeabkommen ist es schwer, den Durchblick zu behalten. Wie können sich Arbeitgeber hier schnell orientieren?

DK: Eine erste Orientierung finden Arbeitgeber auf den einschlägigen Online-Angeboten. Das sind zum einen die Website der BA selbst und zum anderen Make it in Germany, das Portal der Bundesregierung. Ich gebe zu, dass die Gemengelage insgesamt durchaus komplex ist und man viele Dinge beachten muss. Genau aus diesem Grund gibt es die unterstützenden Beratungsangebote des Arbeitgeber-Services und in der Folge der ZAV.

Porträtaufnahme von Dominik Keindorf
Foto: Dominik Keindorf

FA: Welche neuen Programme und Projekte gibt es aktuell bei der BA? Gibt es bestimmte Trends? Wo liegt der Fokus und warum?

AW: Grundlage für die Projekte und Programme ist ein konkreter Bedarf der Arbeitgeber in Berufsfeldern unserer selbst entwickelten Branchenstrategie für die Auslandsanwerbung. Hier werden auf der Grundlage der großen Trends Demografischer Wandel, Dekarbonisierung und Digitalisierung konkrete Berufsfelder identifiziert, in denen wir den Bedarf nicht allein durch eine bessere Mobilisierung inländischer Potenziale ausgleichen können. Zudem liegt ein wichtiger Fokus immer darauf, praktische Erfahrungswerte etwa zu neuen Zuwanderungswegen im Fachkräfteeinwanderungsgesetz oder zur Vergleichbarkeit ausländischer Abschlüsse zu generieren sowie Strukturen, Partnerschaften und Prozesse für die Anwerbung aufzubauen oder zu etablieren. Dies trägt dazu bei, dass die Anwerbung auch bei privaten Dienstleistern Nachahmer findet und so auch in der Breite gelingt.

DK: Der Fokus der aktiven Anwerbung liegt im Bereich der gezielten Rekrutierung immer auf den Berufen, die in der Branchenstrategie der BA definiert werden. Aktuell recht frisch ist das Projekt Shaping the Future, bei dem es um Erzieherinnen und Erzieher geht. In FIT (Future International Talents for German Climate Businesses) werden in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) Handwerker*innen gewonnen. Im neuen Projekt IT für den öffentlichen Sektor planen wir, einen Beitrag zur Verbesserung der Personallage in den IT-Abteilungen von Behörden zu leisten.

FA: Welche BA-Vorhaben laufen denn gerade, um Fachkräfte aus dem europäischen Ausland für Unternehmen in Deutschland zu gewinnen?

DK: Die ZAV unterstützt auf Basis der innereuropäischen Freizügigkeit alle Ausbildungsinteressierten und Fachkräfte in Europa dabei, eine berufliche Perspektive in Deutschland zu entwickeln. Bei der gezielten Rekrutierung in Europa liegt aktuell ein besonderer Schwerpunkt auf Erzieherinnen und Erziehern.

FA: Und wie sieht es beim außereuropäischen Ausland aus?

AW: Aktuell gibt es neben den bereits genannten Projekten FIT, Shaping the Future und IT Public Sector noch neun weitere Vorhaben zur aktiven Anwerbung. Die BA bietet dabei Arbeitgebern je nach Vorhaben zwei verschiedene Modelle an: Beim ersten bilden wir einen Pool aus nach bestimmten Kriterien vorausgewählten Bewerber*innen. Diese besuchen dann bereits den Sprachkurs, falls nötig wird die Anerkennung schon angestoßen. Dies hat den Vorteil, dass die Bewerber*innen im Vorstellungsgespräch schon etwas Deutsch sprechen können und die Zeit bis zur Einreise wesentlich verkürzt wird. Zu diesen Projekten gehören z.B. die Kooperation mit der DIHK Service GmbH im Projekt Hand in Hand for International Talents sowie die Vorhaben THAMM Plus und Triple Win, die gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) umgesetzt werden.

Die zweite Variante sind maßgeschneiderte Rekrutierungen mit den Unternehmen. Dies bietet sich vor allem für Unternehmen an, die einen größeren Fachkräftebedarf haben oder für Unternehmen, die im Verbund mit anderen Unternehmen in ihrer Region gemeinsam rekrutieren möchten (online oder vor Ort). Der Arbeitgeber lernt seine zukünftigen Mitarbeitenden also schon im Auswahlgespräch kennen und nur die Bewerber*innen mit Einstellungszusage gehen in den Sprachkurs. Dieses Modell verfolgen wir in den Projekten TEAM Technik in Kolumbien sowie bei Pflegekräfte aus Lateinamerika. Zusätzlich bieten wir ein eigenes Projekt für die Rekrutierung von Auszubildenden, APAL, das in verschiedenen Ländern läuft und für alle Berufe der Branchenstrategie umgesetzt werden kann.

FA: Werden die Programme und Projekte der BA immer bundesweit angeboten oder gibt es regionale Einschränkungen, die Arbeitgeber beachten müssen?

DK: Wir bauen unser Angebot immer so breit auf wie möglich. Begrenzende Faktoren hierbei können beispielsweise bundeslandesrechtlich geregelte Anerkennungsmöglichkeiten sein oder auch die regionalen Strukturen von Partnerorganisationen. Es gibt also beides, regionale Angebote und solche, die in der gesamten Republik nutzbar sind.

Ausländische Fachkräfte sind Chance und Herausforderung

FA: Welche Vorteile bietet die Fachkräfteanwerbung aus dem Ausland mit der BA für Arbeitgeber?

AW: Als staatliche Organisation stehen wir für Seriosität und garantierte Fairness im gesamten Prozess. In Projekten und Programmen der BA sind zudem unsere Kerndienstleistungen wie bewerber- und arbeitgeberseitige Beratung, Ansprache und Vorauswahl der Bewerberinnen und Bewerber sowie die Vermittlung im engeren Sinn für Teilnehmende und Arbeitgeber kostenlos. Dabei verstehen wir uns nicht als Konkurrenz zu guten privaten Dienstleistern, die wie jene mit dem Gütesiegel „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ sich ebenfalls an Standards fairer Migration halten – durchaus aber als verlässliche Alternative zu jenen, die das nicht tun. Klar ist aber: Es braucht angesichts der großen Herausforderung durch den Fachkräftemangel auch verstärkt gute private Anwerbestrukturen. Es ist nicht der Anspruch der BA, diese Aufgabe allein zu meistern. 
Das einstellungsbereite Unternehmen sollte sich allerdings auch bei privaten Anbietern sicher sein können, dass bei einer Anwerbung von neuen Mitarbeitenden aus dem Ausland keine Ausbeutung von Menschen und kein Brain-Drain stattfindet.

FA: Worauf müssen sich Arbeitgeber einstellen, wenn sie Personal aus der EU oder aus Drittstaaten rekrutieren?

DK: Personal aus dem Ausland bereichert die Teams um zahlreiche Aspekte. Interkulturelle Vielfalt, out-of-the-box-Kenntnisse und -Erfahrungen sowie hohe Motivationslagen sind nur einige davon. Diese klaren Vorteile werden aber von Rahmenbedingungen flankiert, denen man sich vorher bewusst sein sollte. Das Personal kommt nicht ausschließlich zum Arbeiten, sondern eben auch zum Leben. Arbeitgeber, die integrationsbegleitende Angebote haben, also etwa bei Behördengängen, der Wohnungs- oder KiTa-Suche unterstützen, erhalten in der Regel loyale Mitarbeitende. Neben den notwendigen Ressourcen bedarf es des Bewusstseins, dass insbesondere bei gezielten Rekrutierungen Zeit für Spracherwerb, berufliche Anerkennung und Qualifizierungen eingeplant werden muss. Die notwendigen Investitionen hängen von vielen Faktoren ab und sie variieren stark, aber es gibt sie. Auch hier empfehle ich die gute Beratung des Arbeitgeber-Services als Grundlage für eine abgewogene Entscheidung.

FA: Die betriebliche wie soziale Integration von ausländischen Mitarbeitenden ist eine große Herausforderung für Unternehmen. Warum lohnt es sich trotzdem?

AW: Auch wenn die wirtschaftliche Lage derzeit etwas angespannt ist, ändert dies grundsätzlich nichts daran, dass wir Fachkräfte aus dem Ausland dringend brauchen, um unseren Wohlstand und unser Sozialsystem aufrecht zu erhalten. In den nächsten zehn Jahren werden ca. 7 Millionen Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Um die Lücken auf dem Arbeitsmarkt füllen zu können, ist das Potenzial im Inland allein schlicht nicht ausreichend. Somit sind schon jetzt die frühzeitige Rekrutierung und das Sammeln von Erfahrungen bei der Integration ausländischer Arbeits- und Fachkräfte ein wichtiger Baustein zur Sicherung des Sozial- und Wirtschaftssystems Deutschlands.


 

Zu den Personen

Alexander Wilhelm ist Leiter des Fachbereichs „Internationale Beziehungen“ in der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit und verantwortet im Geschäftsbereich Internationales die strategische Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Zuvor hat er diese Aufgabe mehrere Jahre als Geschäftsführer Internationale Zusammenarbeit in der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der BA in Bonn wahrgenommen. Bis 2017 hat sich Wilhelm bereits bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände als stellvertretender Leiter der Arbeitsmarktabteilung u.a. um Fragen der Erwerbs- und Flüchtlingsmigration gekümmert.

Dominik Keindorf leitet das Team Südamerika im Recruiting Center der ZAV und ist somit zuständig für die Umsetzung von BA-Rekrutierungsaktivitäten in Kolumbien, Brasilien und Ecuador. Parallel leitet er die ZAV Vertriebsunterstützung für den Arbeitgeber-Service der BA. Keindorf kam 2010 zur BA und war hier als Arbeitsvermittler, Berufsberater und Teamleitung verschiedener Fachbereiche tätig. Zuletzt baute er die 2020 gegründete Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung (ZSBA) mit auf und leitete diese über vier Jahre bis zu seinem Wechsel ins Recruiting Center.

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