Coworking und Tradition – das geht zusammen

Megatrend New Work made in Germany: wie ein Umzug für ein Familienunternehmen neue Arbeitswelten eröffnet


26.09.2023 - Katja Feuerstein -8 MinutenZukunft der Arbeit

Beim Muffenhersteller RAMPA GmbH & Co. KG gehen New Work und Vereinbarkeit von Familie und Beruf zusammen. Wie Coworking Spaces die Provinz erobern und, welche Vorteile sie bieten, darüber hat Faktor A mit CEO Wolfgang Färber gesprochen.

Kreis Herzogtum Lauenburg, Schleswig-Holstein: Büchen, hier schlägt das Herz von RAMPA. Seit 1907 fertigt das Familienunternehmen in sechster Generation Verbindungstechnik aus verschiedenen Werkstoffen. So erfolgreich, dass es bis heute expandiert und als Hidden Champion den internationalen Markt erobert hat. Am Hauptstandort Büchen laufen dabei die Fäden zusammen: Dort sind von der Produktion über das große Warenlager bis hin zu Vertrieb und Einkauf alle Abteilungen ansässig. Doch, das war nicht immer so. Ausgehend von Hamburg-Bergedorf ging es 1955 in die Provinz nach Schwarzenbek. 1995 musste ein neuer Standort in Büchen her, der zwar schrittweise erweitert wurde, mit der Zeit aber an seine Grenzen stieß.

Überhaupt nicht muffig

Vor zwei Jahren war dann klar: RAMPA zieht von Schwarzenbek komplett nach Büchen um. Im Sommer 2021 erfolgte der Spatenstich für einen Neubau in Büchen – samt neuem Fokus und innovativer Bürolösungen. Das schmeckte nicht jedem, gab jedoch Raum für neue Arbeitswelten und New-Work-Konzepte – darunter Coworking.

Ein Umzug, der alles veränderte

Good idea. Let’s make it!“ – gemäß Unternehmensslogan ging RAMPA auch den eigenen Umzug an. 2021 erfolgte die Grundsteinlegung für den Neubau. Seit Juni 2023 wird im neuen Firmengebäude am Standort Büchen gearbeitet. Auf knapp 6000 Quadratmetern sind jetzt alle Büro- und Produktionsflächen unter einem Dach vereint. Durch die Zusammenführung aller Abteilungen ist ein schnellerer Austausch ohne lange Kommunikationswege möglich, was die Arbeit effizienter und flexibler macht. So kann das Unternehmen als eine Einheit rasch und lösungsorientiert auf Herausforderungen reagieren. „Parallel wollen wir unsere Beratungskompetenz als Dienstleister*in für unsere Kund*innen optimieren. Das gelingt nun noch besser über die kurzen Wege und schnelleren Abstimmungs- und Entscheidungsmöglichkeiten“, berichtet CEO Wolfgang Färber.

In die Planungen zum Neubau flossen auch Überlegungen zu einer neuen Positionierung der Marke RAMPA ein. Besonderes Augenmerk lag dabei auf drei Aspekten: New Work, Digitalisierung und Umweltschutz bzw. Nachhaltigkeit. „Uns geht es nicht nur darum, uns als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Unsere Werte sollten sich auch im Neubau widerspiegeln“, so Färber. So schuf RAMPA nicht nur eine der ersten Gewerbeimmobilien im Norden, die die Anforderungen für energieeffiziente Gebäude erfüllt. Zugleich installierte es eine Fotovoltaikanlage, rückwärts laufende Wärmepumpen und E-Auto-Anschlüsse.

Neue Arbeitswelten im Traditionsunternehmen

Inzwischen ticken die Uhren bei RAMPA anders: Eine moderne IT-Ausstattung ermöglicht Homeoffice für alle, deren Arbeitsbereich es zulässt. Eine feste Regelung gibt es nicht. Ausgenommen sind einzelne Formate wie Personalgespräche, die zwingend in Präsenz stattfinden. „Wir lassen unseren Mitarbeiter*innen viele Freiheiten. Uns ich es wichtig, dass sie selbst ein Bewusstsein und Gespür dafür entwickeln, für welche Anlässe es besser ist, persönlich zusammen zu kommen, und wann dies nicht erforderlich ist oder anders erledigt werden könnte“, erzählt Färber.

offenes Raumkonzept bei RAMPA
Foto: offener Raum für den bereichsübergreifenden Austausch, @ RAMPA GmbH & Co. KG

Waren die alten Büros eher funktional, bieten die neuen erheblich mehr individuellen Gestaltungsspielraum: Diese dürfen alle so ausstatten, einrichten und dekorieren, wie sie möchten. Private Dinge von zuhause sind ausdrücklich erlaubt, ebenso Bürohunde. Die Räume erhielten eine bessere Dämmung und ein neues Beleuchtungskonzept. Die Bürotüren sind verglast und schallgedämpft. So haben alle bei Bedarf ihre Ruhe, ohne dass ein Gefühl der Abtrennung entsteht. Im Vertrieb und Einkauf gibt es Headsets mit Geräuschunterdrückung. Um den bereichsübergreifenden Austausch sowie das agile und kreative Arbeiten zu fördern, wurde zwischen den Büros ein offener Raum mit speziellen Möbeln eingerichtet: Spontane Meetings und Besprechungen – die ideale Basis dafür bieten die dort bereitgestellten Möbel, bei denen u.a. RAMPA-Produkte verwendet wurden. Sie spiegeln das Werteverständnis wider: Hochwertigkeit und Langlebigkeit. Die „RAMPiAner“ erhalten so gleichzeitig ein Gefühl für die vielfältigen Anwendungen der hauseigenen Produkte, ein praktischer Lerneffekt also.

Was bei Google der Tischkicker, ist bei RAMPA die Tischtennisplatte. Die kleine grüne Platte im Lager bringt alle RAMPiAner zusammen, bereichsübergreifend, alt wie jung. Sie fördert die Bewegung und das Miteinander auf simple Weise. Auch von der Einführung einer Flexi-Pause profitieren die Beschäftigten vielfältig: sie kann etwa für ein Nickerchen, einen Ausflug in den angrenzenden Wald oder ins Schwimmbad genutzt werden. „Raucher*innen arbeiten bei uns täglich 15 Minuten länger, dafür schauen wir aber nicht, wie oft sie tatsächlich rauchen gehen. Vertrauen statt Kontrolle“, betont Färber.

Zwei Beschäftigte spielen gemeinsam Tischtennis bei Rampa
Foto: RAMPA-Beschäftigte beim Tischtennis, © JENNER & EGBERTS – Foto + Film

Durch den Neubau hat sich einiges verändert: Die Attraktivität als Arbeitgeber ist gestiegen, die Fluktuation gesunken. Die Kommunikation hat sich verbessert und erhöht. Es gibt mehr gemeinsame, bereichsübergreifende Pausen, in denen jeder etwas mitbringt und alle zusammen kochen. Es finden auch mehr private Aktivitäten statt, wie Grillen und Beachvolleyball. Alle Generationen profitieren vom neuen Miteinander und das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Bis Jahresende soll noch die alte Kantine in einen neuen Ruhebereich umgewandelt werden. Dort warten dann sechs Schlaf- und Ruheplätze mit Liegen auf müde RAMPiAner. Gerade für Personal in der Produktion oder ältere Beschäftigte eine gute Möglichkeit, sich zwischendurch kurz zu erholen oder zu schlafen.

Im Rahmen von New Work hat sich RAMPA zudem von einer streng hierarchischen Unternehmenskultur verabschiedet und fordert die Meinung der Belegschaft aktiv ein: „Vom ersten Spatenstich bis zur Fertigstellung haben wir auf eine transparente Kommunikation gesetzt. Uns war es auch wichtig, nicht zu große Erwartungen zu erzeugen oder Dinge in die Landschaft zu setzen, die zwar nice-to-have sind, dann aber gar nicht genutzt werden. Uns ging es darum, die Vorteile und den Mehrwert für alle Mitarbeitenden aufzuzeigen und alle mitzunehmen“, resümiert Färber.

Coworken bei RAMPA – wie geht das?

RAMPA ist Mitglied bei CoworkLand – einer Genossenschaft, die Coworking jenseits der Metropolen auf dem Land anbietet. Im Neubau wurde dazu eigens ein separater Büroflügel nur für Coworking geschaffen: Die mit moderner Kommunikationstechnik ausgestatteten Räume bieten Interessierten außerhalb des Unternehmens beste Bedingungen für Telearbeit bzw. mobiles Arbeiten.

eines der neuen Büros bei Rampa mit zwei Arbeitsplätzen
Foto: neues Büro bei RAMPA, @ RAMPA GmbH & Co. KG

Der Cospace umfasst fünf Büros für je maximal drei Personen. Hinzu kommt ein großer Besprechungsraum. Der Vorteil: Er ist auch außerhalb der Öffnungszeiten nutzbar. Weitere drei Besprechungsräume aus dem restlichen Firmengebäude sind zubuchbar.

„Wir haben schon viele Anfragen aus der Region erhalten, besonders von Personen, die in Hamburg wohnen, aber in Büchen und Umgebung arbeiten. Auch fragen uns branchenübergreifend viele Betriebe an, die unsere Räumlichkeiten mitnutzen möchten, etwa weil ihnen selbst der nötige Raum fehlt“, erklärt Färber. Regional sei es kaum oder nur noch sehr schwer möglich, Platz für externe Veranstaltungen und Besprechungen zu finden.

„Mit unserem Coworking-Angebot füllen wir hier sozusagen eine Lücke".

 

Nicht nur das Thema Arbeitszeit, auch der Ort der Arbeit ist im radikalen Wandel begriffen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt: Remote Work ist ein wichtiger Bestandteil von New Work – und funktioniert. Dabei stellt sich für viele Arbeitgeber die Frage: Wenn alle zu Hause oder anderswo arbeiten, wozu braucht es dann noch ein Büro? Tapetenwechsel, ein Schätzchen hier und dort. Die zwischenmenschlichen Kontakte und das gemeinsame Kreieren vor Ort kann auch eine gut funktionierende Remote-Arbeitskultur nicht ersetzen. Das Büro wird also mitnichten irrelevant. Mit den Erfahrungen aus der Pandemie wandeln sich allerdings die Anforderungen an Büros: Sie werden vom Ort der Arbeit zur Kulturmeile des Unternehmens: Hier werden dessen Werte sichtbar, entsteht das Wir-Gefühl der Belegschaft. Hier finden Zusammenarbeit und Co-Creation physisch statt.

Als „dritter Ort“ bieten Coworking Spaces neben dem klassischen Arbeitsplatz im Betrieb und den eigenen vier Wänden eine alternative Arbeitsform, die sich durch Unabhängigkeit, Flexibilität und Zugänglichkeit auszeichnet. Coworking heißt wörtlich übersetzt „nebeneinander arbeiten“ oder „zusammenarbeiten“. Ein Cospace ist für Leute, die nicht im Unternehmen präsent sein müssen, ihre Arbeitszeit aber nicht ausschließlich und allein im Homeoffice verbringen möchten, d. h. Abwechslung und Anschluss suchen. Coworker können aus diversen Tarifen wählen, wann, wie häufig und wie lange sie einen Cospace nutzen wollen und welche technischen und digitalen Dienste sie benötigen. Die meisten Spaces bieten Plug and Play-Arbeitsplätze an, d. h. eine volle Arbeitsplatz-Infrastruktur samt Service, Reinigung, Nebenkosten, Highspeed-Internet, Kaffee-Flatrate und vieles mehr.

Was 2005 als reines Phänomen in Großstädten und Metropolen der USA begann, hat sich inzwischen weltweit als neue Arbeitsform im Sinne der Arbeit 4.0 und New Work sowie Instrument der Regionalentwicklung etabliert. In den letzten Jahren findet Cowork auch zunehmend den Weg in den ländlichen Raum – wie bei der Firma RAMPA.

Wie Familienfreundlichkeit und Coworking zusammengehen

Bei RAMPA wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf großgeschrieben. Das betonte Firmenchefin Kristina Brügmann schon bei der Grundsteinlegung. Im neuen Firmengebäude gibt es einen Kindergarten mit angepassten Betreuungszeiten, der vom Deutschen Roten Kreuz betrieben wird. Das Besondere: Das Betreuungsangebot kann von den Coworkern mitgenutzt werden. Das Gleiche gilt für die Kantine und Küche zum Selberkochen.

Wolfgang Färber: „Büchen grenzt zwar an Hamburg und es ist hier günstiger, aber auch die Gemeinde stieß an Grenzen, verfügbaren Raum für Kitaplätze zu finden. Auf unserem Betriebsgelände hatten wir den nötigen Platz, sodass wir die Kita in den Neubau integriert haben“.

Büros und Kita liegen auf derselben Etage. Für gemeinsame Veranstaltungen gibt es spontan einrichtbare multifunktionale Räume, je nach Bedarf buchbar. Über ein Portal des Landkreises können Eltern die Kinderbetreuung anmelden und den Coworking-Bereich nutzen. „Wir pflegen einen engen Kontakt zur Kita, räumlich und sozial“, erklärt Färber.

5 Fragen an RAMPA-CEO Wolfgang Färber

Faktor A: Unternehmenszentralen, Standorte und Büros verändern sich, aber müssen sich dadurch auch neu definieren. Welche Funktion müssen diese in Zukunft erfüllen?

Porträt von Wolfgang Färber, CEO der Firma Rampa
Foto: Wolfgang Färber, © JENNER & EGBERTS – Foto + Film

Wolfgang Färber: Sie müssen die Funktion und Bedürfnisse erfüllen, die sowohl den Mitarbeiter*innen als auch dem Unternehmen dienen. Es geht nicht ohneeinander. Das erfordert eine stetige Anpassung und Veränderung.

Um unsere Kantine attraktiv und zeitgemäß zu halten, setzen wir dort z. B. auf gemietete Möbel, die ausgetauscht werden können. Genauso investieren wir kontinuierlich in unsere technische Ausstattung.

Homeoffice, Remote Work, Coworking: Beeinflussen diese neuen Arbeitskonzepte auch, ob man in Zukunft noch die umkämpften Fachkräfte für sich gewinnen kann?

Zu 100 Prozent. Schon vor New Work & Co. musste man als Arbeitgeber dranbleiben. In der Dynamik der neuen Arbeitswelt müssen wir uns erst recht kontinuierlich überlegen, wie wir uns schnell anpassen können, um im Kampf um Arbeits- und Fachkräfte zu bestehen.

Inwiefern können diese zur Regionalentwicklung beitragen?

Sehr maßgeblich. Das beste Beispiel ist unser Coworking-Bereich und die Kita, mit der wir die Gemeinde unterstützen und die Region stärken.

Was raten Sie Unternehmen, die auch diesen Weg gehen wollen? Gerade KMU?

Vernetzen, zusammenarbeiten und über den Tellerrand schauen. Niemand muss alles allein neu erfinden. Den Mut haben, Neues zu wagen und nicht an Altem festzuhalten. Und vor allem der Personalarbeit insgesamt mehr Aufmerksamkeit schenken.

Was sollte man bedenken? Wie sieht es mit den Kosten aus?

Viele, die New Work fordern, vergessen diese mal gerne. Es muss sich am Ende immer rechnen. Man muss einen Plan haben, nicht einfach drauf los machen und sagen, ab heute machen wir mal New Work. Das nehmen einem die Mitarbeitenden auch nicht ab. Zur Absicherung haben wir eine genaue Standortanalyse betrieben. Die Kosten beliefen sich auf rund 10 Mio. Euro. Aus energetischen und strukturellen Gründen haben uns Gemeinde und Bundesland jedoch auch finanziell kräftig bei der Umsetzung unterstützt.


@RAMPA GmbH & Co. KG