Geschlechtergerechtigkeit in Betrieben

Geschlechtergerechtigkeit stellt sich nicht einfach ein, sondern muss aktiv angegangen werden. Wie genau, erläutert Daniela Rastetter im Interview.


31.01.2023 - Tina Epking -5 MinutenArbeitswelt gestalten

Geschlechtergerechtigkeit in Betrieben sollte selbstverständlich sein – ist sie aber nicht. Wie man es schafft, Talente zu gewinnen und Teams zu bilden, in denen genauso viele Frauen wie Männer sind, erklärt Daniela Rastetter, Professorin für Personal und Gender an der Uni Hamburg. Ihre Schwerpunkte sind Geschlecht und Organisation, Gleichstellungspolitik und Managing Diversity. 

Faktor A: Wie definieren Sie „Parität“?

Daniela Rastetter: Parität bedeutet, dass es gleiche Verhältnisse gibt. Das kann sich zum Beispiel auf das Alter, die Ethnie, das Fachliche – oder eben das Geschlecht beziehen.

Wann spricht man von einem paritätisch besetzten Team?

Das ist eine Definitionsfrage. Manche sagen sehr streng, es müssen 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer sein. Andere dagegen meinen, dass auch ein Toleranzbereich zwischen 40 zu 60 Prozent genügt, weil das Team dann halbwegs paritätisch besetzt sei. 

Nutzen von geschlechterparitätischen Teams

Welchen Vorteil hat es für den Arbeitgeber, wenn Teams paritätisch besetzt sind?

Es gibt keine gesicherten Belege, dass ein geschlechterparitätisches Team bessere Leistungen bringt. Natürlich ist so ein Team aber gerechter besetzt – und das ist für Arbeitgeber interessant, weil es auch ein Signal nach außen bedeutet. Es sagt: „Wir diskriminieren nicht. Wir fördern Geschlechtergerechtigkeit“. Als Arbeitgeber kann man das kommunizieren, sich damit abheben und hochqualifizierte Fachkräfte gewinnen. Es ist zum Beispiel ein positives Signal für talentierte Frauen, sich zu bewerben.

Macht Geschlechtergerechtigkeit Mitarbeitende nicht zumindest zufriedener?

Das kommt darauf an, wie die Dynamik im Team ist und wer von der paritätischen Besetzung profitiert. Es gibt natürlich immer auch Mitarbeitende, die etwas verlieren, weil sie vorher in der Mehrheit waren und jetzt etwas abgeben müssen. Bei Veränderungen muss man immer mit Widerstand rechnen, das ist ganz normal. 

Herstellung der Parität bedeutet Veränderung

Wie ändert man eine Unternehmensstruktur, so dass sie geschlechtergerechter wird?

Es gibt immer bestehende Teams und schon vorhandene Beschäftigte, mit denen man arbeiten muss. Um sie mitzunehmen, sollte man sie einbeziehen in die Prozesse, ihnen das Gefühl geben, dass auch sie etwas bei Veränderungen gewinnen und ihnen Ängste nehmen. Wichtig ist auch die Motivation: Es sollte von oben anerkannt und wertgeschätzt werden, wenn Geschlechterparität gefördert wird. Dafür kann man Führungskräften auch materielle Anreize bieten. Das geht zum Beispiel mit Belohnungen, Preisen oder Bonussystemen. 

Was sind die Vorteile einer Quote?

Die Erfahrung zeigt, dass sich immer mehr getan hat, wenn es Regeln gab. Die Quote ist ein hartes Kriterium, bei dem man Mitarbeitende im Idealfall mit unternehmenskulturellen Ansätzen begleitet, zum Beispiel mit gemischten Arbeitsgruppen. Wichtig ist, dass die unterschiedlichen Gruppierungen, um die es geht, im Gespräch bleiben und sich möglichst viel austauschen, damit sich keine Fronten bilden. 

Wie handhaben Sie das an Ihrem Arbeitsplatz?

Ich bin auch Gleichstellungbeauftragte und habe die Aufgabe, Frauen zu fördern. Wir haben keine Quoten, sondern Förderprogramme, Workshops und spezielle Angebote für Führungskräfte. Außerdem begleiten wir Berufungsverfahren und prüfen Einstellungsprozesse auf mögliche Diskriminierungen. Ziel der Gleichstellungsarbeit ist eine paritätische Besetzung von Professuren und Postdoc-Stellen.

Wie weit ist es mit der Parität in der tatsächlichen Arbeitswelt?

Grundsätzlich gilt immer noch die Regel: Je höher in der Hierarchie, desto weniger Frauen. Das ist selbst in frauendominierten Branchen so. Es gibt zwar immer mehr weiblich besetzte Führungspositionen, der Trend geht also in die richtige Richtung – aber sehr, sehr langsam.

Mehr führende Frauen

Immer mehr Unternehmen verstehen, dass Diversität und Geschlechtergerechtigkeit zu ihrem Erfolg beitragen können. Laut dem Gender Diversity Index der Boston Consulting Group treiben vor allem die größten deutschen Unternehmen den Fortschritt in Richtung Geschlechterparität voran: Sie haben ihren Frauenanteil im Vorstand 2021 im Vergleich zum Vorjahr im Mittel um 6,4 Punkte auf 18 Prozent steigern können.


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