Inklusion am Arbeitsplatz:
Voll normal!

Endstation Rollstuhl? Nicht für Lager-Azubi Dariean. Gemeinsam mit seiner Firma und der Agentur für Arbeit schult er um und rockt nun das Büro.


05.03.2024 - Katja Feuerstein -9 MinutenArbeitswelt gestalten

Viele Arbeitgeber zögern, Menschen mit Behinderungen eine Chance zu geben. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das verschenktes Potenzial. Das Beispiel der Firma Dachser zeigt, dass es auch anders geht.

Inklusion ist selbstverständlich? Chancengleichheit am Arbeitsmarkt ist weiter Wunschdenken. In Deutschland leben rund 10,4 Millionen Menschen mit Behinderungen, davon sind 7,6 Millionen schwerbehindert, so wie Dariean Bahr. Das ist jede*r Zehnte. Nur die Hälfte ist erwerbstätig oder verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung. Ihre Arbeitslosenquote beträgt fast 11 Prozent. Besonders viele sind zudem langzeitarbeitslos. Dagegen sind Menschen ohne Behinderungen mit 5,7 Prozent nur etwa halb so oft arbeitslos. Das Inklusionsbarometer 2023 Arbeit zeigt klar: Menschen mit Behinderungen haben trotz leichter Verbesserung weiter deutlich schlechtere Arbeitsmarktchancen als Menschen ohne Behinderungen. Dabei kann es jeden treffen. Denn eine Behinderung tritt fast immer erst im Lauf des Lebens ein, ist nur in 4 % der Fälle angeboren.

Besonders alarmierend: 1,6 Mio. Menschen mit Behinderungen sind gar nicht in den Arbeitsmarkt integriert. Und nur etwas mehr als jedes dritte Unternehmen schafft es, alle Pflichtarbeitsplätze zu besetzen (39 Prozent). 45.000 Arbeitgeber beschäftigten sogar keine schwerbehinderten Personen. Dabei schreibt das Gesetz klar vor, dass Arbeitgeber Menschen mit Behinderungen beschäftigen müssen oder alternativ eine sogenannte Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe zahlen müssen. Durch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist Inklusion seit 2009 hierzulande sogar ein Menschenrecht

Menschen mit Behinderungen, nein danke! 

Vorbehalte und Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen halten sich hartnäckig. Das gilt für den Alltag wie für den Job. Auch Arbeitgeber sind davor nicht gefeit. Reha-Beraterin Marion Winger und Frederic Möß vom Technischen Beratungsdienst hören dies tagtäglich. Sie haben Dariean Bahr und seinen Arbeitgeber auf dem Weg zurück in den Job begleitet.
 

Zitat:

„Die Stellschraube liegt darin, mehr Offenheit auf Arbeitgeberseite zu schaffen.“ 

 

Faktor A: Warum tun sich viele Arbeitgeber hier immer noch schwer?

 

Reha-Beraterin Marion Winger im Portraet.
Foto: Marion Winger kennt die Vorbehalte, ©Oliver Klink

Marion Winger, Agentur für Arbeit Neumünster: Vielfach gehen sie davon aus, dass Menschen mit Behinderungen weniger leistungsfähig und öfter arbeitsunfähig sind. Sie kennen die genauen Auswirkungen gesundheitlicher Einschränkungen häufig gar nicht und schätzen sie deshalb falsch ein.

Dagegen sind Menschen mit Behinderungen zumeist äußerst motiviert und möchten Arbeitgeber genau davon überzeugen. So habe ich auch Herrn Bahr in meiner Beratung erlebt: offen, auskunftsfreudig, verantwortungsvoll und initiativ in der Mitarbeit.

Hinzu kommt oft die Angst oder Fehlannahme, keine Kündigungen aussprechen zu können. Doch wie bei allen anderen Arbeitnehmenden kann auch hier eine Kündigung in der Probezeit erfolgen. Da gibt es absolut keinen Unterschied.

 

Faktor A: Unsicherheit und Unkenntnis, das ist eine Sache. Wo sehen Sie die größte Hürde und Herausforderung bei der Integration von Menschen mit Behinderungen in Arbeit?

Marion Winger: Bei der fehlenden Offenheit vieler Arbeitgeber und mangelnden Aufklärung. Eine gute Integration setzt nun einmal voraus, dass Menschen mit Behinderungen, wie Herr Bahr, einen ihrer Einschränkung entsprechenden Arbeitsplatz erhalten.

Faktor A: Wie lässt sich das lösen?

Marion Winger: Arbeitgeber sollten sich nicht scheuen, Kontakt mit uns aufnehmen. Über unseren Arbeitgeberservice können Betriebe selbstständig auf uns zukommen, wenn Sie Menschen mit Behinderungen ausbilden oder beschäftigen möchten. Menschen mit Behinderungen, wie Herr Bahr, erhalten von uns eine individuelle Reha-Beratung. Dabei prüfen wir konkret, welche Arbeitshilfen im Betrieb dazu führen, Barrieren abzubauen. Mit unserer Arbeitsvermittlung bringen wir gezielt beide Seiten zusammen, damit am Ende alle profitieren.

Faktor A: Mit welchen Partner*innen arbeiten Sie dafür zusammen?

Technischer Berater Frederic Moess im Portraet.
Foto: Frederic Möß berät Arbeitgeber zur Barrierefreiheit, ©Gerold Melson

Marion Winger: In der Reha-Beratung loten wir gemeinsam alle Förderleistungen und mit unserem Technischen Beratungsdienst notwendige technische Hilfen am Arbeitsplatz aus. Wir stützen uns auf ein breites Netzwerk: vom Ärztlichen Dienst, Psychologischen Dienst, Operativen Service und Technischen Beratungsdienst der Arbeitsagentur, übers Integrationsamt, den Integrationsfachdienst, Bildungs- und Eingliederungshilfeträgern bis zur Schwerbehindertenvertretung im Betrieb.

Nur gemeinsam kann den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen umfassend Rechnung getragen und eine bestmögliche Hilfe erzielt werden.

 

Zitat:

„Menschen mit Behinderungen sind genauso wertvoll wie jede*r andere Arbeitnehmende.“

 

Frederic Möß, Agentur für Arbeit Kiel: Wir beraten dabei unser Reha-Team und Arbeitgeber gezielt zu allen notwendigen technischen Hilfsmitteln, baulichen Veränderungen und Kfz-Fragen. Für eine berufliche Teilhabe ist es stets sinnvoll, zu prüfen, ob man so Barrieren abbauen oder reduzieren kann. Fragen Sie daher als Arbeitgeber bei Unsicherheit unbedingt bei Ihrer Arbeitsagentur nach. Wir unterstützen Sie gerne, Hürden abzubauen!

Gelebte Inklusion ist keine Illusion 

Um Dariean Bahr fit fürs Büro zu machen, zogen sein Ausbildungsbetrieb und die Agentur für Arbeit an einem Strang. Wie das funktionierte, erzählen Bahr und sein Mentor Jan-Ferdinand Lühmann im Interview.

Ein Tag, der alles veränderte

Der Arbeitnehmer

Das Schicksal ist ein mieser Verräter – so könnte die Unterschrift unter Dariean Bahrs Lebensweg lauten. Nach einem Schicksalsschlag sitzt der junge Familienvater im Rollstuhl, sein beruflicher Traum vom Fachlageristen zerstört. Doch Bahr macht einfach weiter. Nach einer Reha-Maßnahme steht er wieder mitten im Leben. An seiner Seite: Sein Arbeitgeber, das Logistikunternehmen DACHSER SE in Neumünster. Mit Hilfe der Agentur für Arbeit und vieler anderer Unterstützer*innen setzt sein Niederlassungsleiter, Jan-Ferdinand Lühmann, alle Hebel in Bewegung, um ihn zu halten.

 

Zitat:

„Der Morgen des 18. Juni 2022 verlief ganz normal.“

 

Faktor A: Was führte dazu, dass sie plötzlich im Rollstuhl saßen?

Dariean Bahr: Ich habe mich fertig gemacht wie jeden Morgen. Ich musste etwas im Krankenhaus abholen und fuhr mit meinem Mofa dort hin. Da war auch noch alles in Ordnung. Erst danach nahm das Ganze seinen Lauf… Ich ging zu meinem Roller zurück und bemerkte schon ein leichtes Kribbeln in den Beinen. Als ich mich auf den Roller setzte, bekam ich einen stechenden Schmerz im Rücken. Dieser verschwand recht schnell wieder und ich fuhr los. Das Kribbeln in den Beinen wurde dann aber immer stärker, sodass ich meinen Roller neben einer Bank anhalten musste, weil nichts mehr ging. Mir gelang es noch, ihn auf den Ständer abzustellen und mich auf die Bank zu setzen. Dort verschwand dann das Gefühl in den Beinen. Hinterher kam heraus, dass es ein Rückenmarksinfarkt war.

Faktor A: Sie haben am 25.01.2023 trotz allem Ihre praktische Abschlussprüfung geschafft. Fand diese unter besonderen Bedingungen statt? Wie ist Ihnen das gelungen? 

Dariean Bahr: Natürlich fand diese unter besonderen Umständen statt, da ich ja nur beschränkt etwas machen konnte. Die IHK ist wirklich gut auf meine Umstände eingegangen.

 

Dariean Bahr im Rollstuhl zusammen mit Niederlassungsleiter Jan-Ferdinand Luehrmann.
Foto: Sein Chef gab Dariean Bahr nicht auf, ©J.-F. Lühmann

Faktor A: Sie sind vom Lager ins Büro gewechselt. Wer hatte die Idee?

Dariean Bahr: Noch während ich auf Reha war, haben Herr Lühmann und ich uns überlegt, wie ich in meinen erlernten Job zurückkehren kann. Wir sind alle Möglichkeiten durchgegangen.

Die erste Prüfung bestand in Gesprächen mit diversen Herstellern von Flurförderzeugen, um die Rückkehr mit einem umgebauten Gerät ins Lager zu finden. Aus technischen Gründen und wegen der Arbeitssicherheit ist das aber leider nicht möglich.

Er hat mir dann den internen Wechsel ins Büro angeboten. Dazu haben wir dann mit den zuständigen Stellen um Arbeitsagentur und Integrationsfachdienst (IfD) einen Plan ausgearbeitet, wie ich zu einem kaufmännischen Mitarbeiter umgeschult werden kann.

 

 

Faktor A: Wie haben Sie in Ihre neue Tätigkeit hineingefunden? Was macht Ihnen besonders Freude? 

Dariean Bahr: Die Umstellung war gewiss nicht leicht. Ich habe aber wunderbare Kollegen, die mir zur Seite standen und es noch tun, genauso meine Vorgesetzten. Besondere Freude bereitet mir die humorvolle Zusammenarbeit, auch mit unseren Fahrern.

Faktor A: Wie haben Ihr Arbeitgeber und die Agentur für Arbeit Sie dabei unterstützt, dass Sie einen Arbeitsplatz mit barrierefreien Rahmenbedingungen erhalten?

Dariean Bahr: Mein Arbeitgeber hat alle Stellen an einen Tisch gebracht, die nötig waren, um einen Umbau des Bürokomplexes zu realisieren. Außerdem hat er Angebote eingeholt und bei der Agentur für Arbeit eingereicht. Sie hat die für den Büroumbau erforderlichen finanziellen Mittel bereitgestellt. Auch hat sie mir geholfen, dabei unabhängig vom ÖPNV zu sein, indem ein Führerschein und behindertengerechtes Auto gefördert wurden. Ich für meinen Teil brauchte nur die nötigen Anträge ausfüllen und entsprechende Angebote einreichen, wobei mir auch der IfD geholfen hat.

Dariean Bahr im Rollstuhl zusammen mit seinen Unterstützern.
Foto: Dariean Bahr mit seinen Unterstützer*innen, ©Andrea Julke

Faktor A: Mit welchen Herausforderungen kämpfen Sie noch im Arbeitsalltag? Benötigen Sie eine Betreuungsperson bzw. Arbeitsassistenz oder schaffen Sie alles allein?

Dariean Bahr: Im Grunde schaffe ich alles – und darauf bin ich stolz – allein. Wenn ich mal etwas ratlos bin, habe ich tolle Kollegen, die mir helfen. Ich werde auf eigenen Wunsch nicht wie ein rohes Ei behandelt, sondern wie ein „normaler“ Kollege.

 

Zitat:

„Wir wollen auch nur „normal“ sein.“

 

Faktor A: Was raten Sie anderen Menschen mit Behinderungen für eine berufliche Teilhabe?

Dariean Bahr: Niemals aufgeben! Es gibt immer Mittel und Wege, seine Ziele zu erreichen, auch wenn es aussichtslos erscheint.

Faktor A: Und was müsste sich noch tun, um die berufliche Inklusion nachhaltig zu verbessern?

Dariean Bahr: Es müssten viel mehr Firmen nachziehen, bauliche Barrierefreiheit herstellen und Menschen mit Einschränkungen einfach eine Chance geben.

 


Der Arbeitgeber 

Faktor A: Warum war es Ihnen so wichtig, Herrn Bahr zu halten? Warum wollten Sie einen behindertengerechten Arbeitsplatz schaffen?

 

Zitat:

„Es geht hier nicht um einen (bürokratischen) Vorgang, sondern um einen Menschen, der schnell wieder ins Arbeitsleben zurück möchte. “

 

Niederlassungsleiter Jan-Ferdinand Luehrmann vor der Firma Dachser.
Foto: Jan-Ferdinand Lühmann will Menschen mit Behinderungen eine Chance geben, ©J.-F. Lühmann

Jan-Ferdinand Lühmann, Firma Dachser: Herr Bahr hat bei uns seine Ausbildung zum Fachlageristen absolviert. Zudem war er unser erster Auszubildender am Standort in Neumünster. Während seiner Ausbildung hat er sich durch großes Engagement und eine sehr gute Arbeitsleistung hervorgetan. Ursprünglich war für Herrn Bahr nach seiner Ausbildung ein Karriereweg bei uns im Umschlaglager geplant. Als ihn dann kurz vor seinem Ausbildungsende dieser gesundheitliche Schicksalsschlag traf, war für uns klar, dass wir ihm trotzdem eine berufliche Zukunft bei uns ermöglichen wollen. Aufgrund unsere Unternehmenswerte, unserer sozialen Verantwortung und unserer Inklusionsphilosophie war dieser Weg für uns selbstverständlich

Faktor A: Hatte Ihre Firma bereits vorher Erfahrung mit Menschen mit Behinderungen?

Jan-Ferdinand Lühmann: Ja, die hatten wir – auch dank unserer Schwerbehindertenvertretung und unserem Inklusionsbeauftragten. Allerdings war dieser Fall dahingehend neu und eine Herausforderung, weil wir bisher keinen Rollstuhlfahrer im Betrieb beschäftigt hatten.

Faktor A: Wie erleben Sie Herrn Bahr seit der Umstellung heute in Ihrer Firma?

Jan-Ferdinand Lühmann: Er hat sich sehr gut in seiner neuen Aufgabe im Büro eingelebt. Er ist ein fester und geschätzter Bestandteil unseres Teams. Notwendige Schulungsmaßnahmen nimmt er sehr gewissenhaft wahr.

Faktor A: Wie haben die Kolleg*innen reagiert? Was hat sich verändert?

Jan-Ferdinand Lühmann: Alle waren tief betroffen. Einige haben ihn sogar im Krankenhaus besucht, viele Kontakt zu ihm in dieser schweren Zeit gehalten. Seit seiner Rückkehr an seinen neuen Arbeitsplatz im Büro, ist er ein gleichberechtigter, positiver und fester Bestandteil unseres Teams. Zudem macht es Herr Bahr allen durch seine Art leicht, da er für sich keine Sonderbehandlung einfordert, einen guten Humor besitzt und nicht jedes Wort auf die Goldwaage legt. Denn im Wording im Alltag gibt es doch das ein oder andere Fettnäpfchen. Es mussten sich nur alle an die vielen automatisierten Türen gewöhnen (lacht).

Faktor A: Was läuft gut, was noch nicht so gut? Was könnte noch verbessert werden?

Jan-Ferdinand Lühmann: Unsere neuen automatisierten Türen haben hin und wieder ein gewisses Eigenleben und funktionieren nicht immer, wie wir uns das vorstellen (lacht).

Faktor A: Welche besonderen Kompetenzen hat er (ggf. dazugewonnen)?

Jan-Ferdinand Lühmann: Zahlreiche, da er von einem gewerblichen auf einen kaufmännischen Arbeitsplatz gewechselt ist. Besonders wertvoll ist aber, dass er seine Erfahrungen und die Perspektive aus dem Lager im Büro hervorragend einbringen kann. Er ist damit ein gutes Bindeglied zwischen unseren Mitarbeitenden im Umschlaglager und seinem Fernverkehrsteam im Büro.

Faktor A: Mit welchen Kosten waren die Integrationsmaßnahmen verbunden?

Jan-Ferdinand Lühmann: Ein niedriger sechsstelliger Betrag.

Faktor A: Das klingt viel! Inwiefern haben Sie hier Beratung und finanzielle Hilfe erhalten?

 

Dariean Bahr mit Rollstuhl am Außenlift.
Foto: Der Lift hilft Dariean im Arbeitsalltag, ©J.-F. Lühmann

Jan-Ferdinand Lühmann: Wir haben eine sehr gute Unterstützung von der Agentur für Arbeit Neumünster, der lokalen Reha- /Schwerbehinderten-Beratung und vom Technischen Beratungsdienst der Agentur Kiel erhalten. Marion Winger und Frederic Möß waren sehr engagiert. Sie haben uns im gesamten Prozess unterstützt – und, wo nötig, auch an die Hand genommen. Sei es beim Ausfüllen der notwendigen Formulare und Anträge oder auch die gelegentlich notwendige Beschleunigung von Vorgängen. Selbstverständlich waren sie auch bei uns vor Ort im Logistikzentrum und haben mit allen Beteiligten gesprochen. So konnten sie die Situation und notwendigen Schritte für einen behindertengerechten, barrierefreien Arbeitsplatz analysieren und beurteilen. Wir haben uns dann um die Angebotsakquise für die Umbauten und deren Umsetzung gekümmert (u. a. Behinderten-WC, elektronische Türöffner, Rollstuhlaußenlift).

 

Faktor A: Viele Arbeitgeber scheuen sicher diesen Schritt, den Aufwand, die Kosten usw. Warum sollten es noch mehr Betriebe wagen, Menschen mit Behinderung eine zu Chance geben?

Jan-Ferdinand Lühmann: Natürlich ist es immer eine Einzelfallbetrachtung, bei der es auf die Qualifikation und Einstellung des Bewerbenden oder betreffenden Mitarbeitenden ankommt. Wir können sagen, dass Herr Bahr ein geschätzter Kollege ist, den wir aufgrund seines Engagements, seiner Leistung und Loyalität im Unternehmen halten wollten.

Faktor A: Welche Vorteile und Potenziale sehen Sie?

Jan-Ferdinand Lühmann: Wir sind überzeugt, dass es eine betrieblich sinnvolle Maßnahme ist, auch Menschen mit Behinderung eine Chance zu geben. Zumal der Großteil der Kosten von der Agentur für Arbeit übernommen wird. Bei einem derart umfangreichen Investitionsvolumen ist dies ein erheblicher und wichtiger Faktor für das betroffene Unternehmen.

Faktor A: Welche Schwierigkeiten und Hürden gab es? Was war die größte?

Jan-Ferdinand Lühmann: Insgesamt haben uns die beteiligten Stellen und Fachdienste gut und schnell betreut. Nur im Umgang mit einigen Gewerken und Handwerksbetrieben, die die Umbaumaßnahmen durchführten, haben wir etwas Geduld aufbringen müssen. 

Faktor A: Wie lange hat das alles gedauert?

Jan-Ferdinand Lühmann: Vom gemeinsamen Kickoff-Meeting bis zur Arbeitsaufnahme von Herrn Bahr haben wir sieben Monate gebraucht. Damit blieben wir aber in unserem selbst gesteckten Zeitplan. 

Faktor A: Was sollten Arbeitgeber beachten?

Jan-Ferdinand Lühmann: Wichtig ist ein persönliches Kennenlernen mit allen Beteiligten im Betrieb, bei dem ein verbindlicher Fahrplan mit einem klaren Zieldatum der Arbeitsaufnahme erarbeitet wird. Ab dann muss man dranbleiben, sich kümmern und regelmäßig mit der Arbeitsagentur abstimmen. Es ist wichtig, im Betrieb jemanden zu bestimmen, der sich um die Koordination des Umbaus kümmert. Genauso jemanden, der sich um alles Bürokratische kümmert.

 

Faktor A: Ihnen allen ganz herzlichen Dank für Ihre Offenheit!

 

Menschen mit Behinderungen: Was sagt das Gesetz?

Anzeige zur Beschäftigungspflicht und Ausgleichsabgabe
Als Arbeitgeber mit mindestens 20 Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern sind Sie gesetzlich dazu verpflichtet, auf mindestens fünf Prozent Ihrer Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Ihre Beschäftigungsdaten müssen Sie jährlich bei Ihrer zuständigen Agentur für Arbeit anzeigen. Kommen Sie Ihrer Beschäftigungspflicht nicht nach, ist eine Ausgleichsabgabe zu zahlen. Diese wird auf Grundlage Ihrer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote ermittelt. Sie wird nicht pauschal erhoben, sondern ist je nach Betriebsgröße gestaffelt. Die Ausgleichsabgabe wird zur Förderung der Teilhabe von schwerbehinderten Menschen verwendet. Dazu zählt etwa die Einrichtung eines Arbeitsplatzes oder die Förderung eines schwerbehinderten Menschen mit einem Eingliederungszuschuss.

Meldepflicht: Was ändert sich 2025 für Sie als Arbeitgeber?

Mit dem Gesetz zum inklusiven Arbeitsmarkt wurde ab 01.01.2024 die Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe durch die Einführung einer neuen Staffel erhöht. Sie betrifft diejenigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die keine schwerbehinderten Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer beschäftigen und kann je nach Betriebsgröße monatlich bis zu 720 Euro betragen.

Da die Abrechnung immer im Folgejahr erfolgt, kommt der neue Staffelbetrag erst ab 2025 finanziell zum Tragen. Informieren Sie sich bitte rechtzeitig bei Ihrer Agentur für Arbeit über die Höhe der eventuell anfallenden Ausgleichsabgabe.


©Jan-Ferdinand Lühmann, Dachser