Specialized! Organisiert gegen den Ärztemangel

Der Fachkräftemangel ist auch an deutschen Kliniken zu spüren, insbesondere auf dem Land. Das Programm Specialized! unterstützt Arbeitgeber beim Recruiting von Ärztinnen und Ärzten aus Mexiko, Kolumbien und Jordanien.


09.05.2023 - Matthias Haft -8 Minuten

Im Faktor-A-Beitrag berichten ein stellvertretender Ärztlicher Direktor, ein Specialized!-Teilnehmer und die Programmkoordinatorin über die Chancen, die das Recruiting-Programm Kliniken und ihrem Personal ermöglicht.

Der kleine Ort Leezen liegt in malerischer Landschaft am Ostufer des Schweriner Sees. Am anderen Ufer, etwas weiter südlich, erhebt sich das Schweriner Schloss. An klaren Tagen kann man das Schloss auch vom Gelände der Helios Klinik Leezen aus sehen . So idyllisch die Lage der Klinik für Patientinnen und Patienten sein mag, so problematisch ist sie jedoch auch: Ein Grund für das knappe medizinische Personal der Klinik ist die ländliche Gegend, in der sie steht.

Jenseits der Ballungszentren ist auch in der Humanmedizin ein Mangel an Fachkräften zu spüren. In ländlichen Gebieten haben es medizinische Einrichtungen schwer, ausreichend und das richtige Personal zu finden. Und das Problem betrifft nicht allein Pflegekräfte, sondern auch das ärztliche Personal. Die Helios Klinik in Leezen begegnet diesem Problem offensiv: Sie beteiligt sich am Programm Specialized! der Bundesagentur für Arbeit. Zweck des Programms ist es, Ärztinnen und Ärzte der Humanmedizin aus Jordanien, Kolumbien und Mexiko zu rekrutieren, vermitteln und die im Rahmen des Anerkennungsverfahrens notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen zu organisieren. Einsatzort: Kliniken in Deutschland, jenseits der großen Städte.

Dabei profitieren alle Seiten. Die Kliniken in Deutschland, die ihren Personalbedarf decken können. Die Ärztinnen und Ärzte, die in ihren Heimatländern aufgrund fehlender Ausbildungsplätze oft keine Möglichkeit haben, eine Facharztausbildung zu absolvieren. Und nicht zuletzt die Heimatländer selbst, denn ein Teil der in Deutschland ausgebildeten Fachärztinnen und -ärzte kehrt irgendwann auch wieder zurück – mit einer abgeschlossenen Ausbildung im Gepäck, die im Heimatland wahrscheinlich nur schwer möglich gewesen wäre. 

Erleichterung für das Recruiting von Ärztinnen und Ärzten 

Ariel Fernando Mariaca ist stellvertretender Ärztlicher Direktor der Helios Klinik Leezen. Seine Klinik hat bereits langjährige Erfahrungen mit dem Rekrutierungsprogramm der BA sammeln können. Erst im März dieses Jahres konnte sich sein ärztliches Team über Zuwachs durch drei neue Medizinerinnen und Mediziner freuen – vermittelt über Specialized!.

Porträtaufnahme des stellvertretenden Ärztlichen Direktors der Helios Klinik Leezen Dr. Ariel Fernando Mariaca
Foto: Dr. Ariel Fernando Mariaca

„Für uns ist es eine große Herausforderung, junge Fachkräfte zu bekommen“, erläutert er am Telefon. „Das Programm hilft uns sehr gut dabei, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Und zwar verlässlich. Die Rekrutierung über ein solches Programm erleichtert für uns als Arbeitgeber vieles. Etwa, die bürokratischen Anforderungen zu erfüllen. So fällt es uns viel leichter, die neuen Kolleginnen und Kollegen einzubinden.“ 

Stichwort Bürokratie: Die ganz besondere deutsche Ausprägung davon hat auch Juan Jesus Calvillo Ramirez bereits kennengelernt. Der junge Arzt hat sein Heimatland Mexiko verlassen und ist seit wenigen Wochen in Deutschland. In Mexiko kommen jährlich auf 6.000 bis 7.000 Facharztausbildungsplätze ca. 40.0000 Absolventinnen und Absolventen der Humanmedizin. 

Zu acht sind sie über Specialized! nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen. Der 28-Jährige fängt mit vier anderen in einer Schweriner Klinik an. Über manches in Deutschland wundert er sich: „Man muss sogar für den Abschluss eines Handyvertrags ein deutsches Bankkonto haben. Das kannte ich so nicht. Und im Anerkennungsprozess muss man sich um sehr viele Formulare und Unterlagen kümmern.“ Immerhin erhält er hier Unterstützung aus dem Programm heraus. Und diese Hilfe war für Ramirez ein Grund, sich in Deutschland zu bewerben: „Ich hatte auch über die USA und Kanada nachgedacht. In den USA ist aber alles schwerer zu organisieren und sehr teuer.“

Der Visumsprozess kann sich schon einige Monate hinziehen. Zwischen drei und sechs Monaten dauert es von der Einstellungszusage über den Approbationsantrag bis zum Visum. Eine wichtige Zeit für das begleitende Netzwerk in Specialized!. Alle Behörden und Expertinnen und Experten, die am Einwanderungsprozess beteiligt sind, nutzen diese Monate, um eine transparente Zeitschiene zu koordinieren. Anerkennungsberaterinnen und -berater, die Anerkennungsstelle, Botschaften, Fördermittelgeber und Bildungsinstitutionen stimmen sich dabei ab. In dieser Phase stellen die Mitarbeitenden von Specialized! die Weichen für die Zukunft der Bewerberinnen und Bewerber.

Porträtaufnahme der Programmkoordinatorin von Specialized Friederike Meyer-Belitz
Foto: Friederike Meyer-Belitz

„Wir nutzen diese Zeit, um den Fachsprachkurs und die Vorbereitungskurse für die Kenntnisprüfung zu konkretisieren und die ersten Monate nach der Einreise zeitlich zu organisieren,“ sagt Friederike Meyer-Belitz, Programmkoordinatorin für Specialized! bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit. 

Es sind diese Leistungen, die Specialized! zu einem fairen und transparenten Recruiting-Programm machen, das Mehrwerte für Arbeitgeber und Arbeitnehmende schafft – und das gebührenfrei. Die Verantwortlichen können deshalb auf ein gutes Jahr 2022 zurückblicken. Erstmals wird das Programm in 2023 sogar bundesweit angeboten. Kliniken aus ganz Deutschland können sich also an die Programmanbieter wenden, wenn sie einen Mangel an ärztlichem Personal haben.

Integration in Arbeit, Leben und Alltag

Damit die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte schnell beruflich fußfassen können, unterstützt das Programm nicht nur bis zur Einreise, sondern noch weit darüber hinaus. „Die Netzwerkpartner im Programm begleiten die Teilnehmenden auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite bis zum Erhalt der Approbation, also noch etwa anderthalb Jahre nach der ersten Einreise und Arbeitsaufnahme.“ Bis dahin wird mit Sprachkursen, einer Anstellung als sozialversicherte Hilfskraft oder als Hospitantin bzw. Hospitant sowie der Approbation der Grundstein für die Facharztausbildung gelegt.

Porträtaufnahme des Specialized-Teilnehmers Dr. Juan Jesus Calvillo Ramirez
Foto: Dr. Juan Jesus Calvillo Ramirez; © Privat

Die Integration in den beruflichen Alltag ist das eine, das Ankommen im Privaten etwas anderes. Juan Ramirez freut sich auf die Arbeit in der Klinik. Gleichzeitig möchte er aber auch jenseits der Arbeit Leute kennenlernen: „Ich habe schon Adressen von Sportvereinen bekommen. Vielleicht melde ich mich zum Drachenbootfahren oder Boxen an.“ Für ihn und die Frage, ob er in Deutschland bleiben möchte, ist es entscheidend, Anschluss zu finden. Dabei spielt auch der Austausch mit anderen Zugewanderten eine Rolle. „Was meiner Meinung nach in Deutschland fehlt“, sagt er, „sind Vereine, in denen sich Zugewanderte aus anderen Ländern treffen können und in denen Aktivitäten wie zum Beispiel Wanderungen oder Ähnliches angeboten werden. So etwas gibt es in den USA, und so hat man immer eine gute Anlaufstelle. Vielleicht lässt sich das ja irgendwann etablieren!“

Die Helios Klinik Leezen profitiert von der langjährigen Erfahrung mit ausländischem medizinischem Personal. Das Thema Integration wird großgeschrieben und beschränkt sich nicht nur auf die Arbeitszeit. So kümmert sich ein Integrationsbeauftragter um alle Belange, die in diesem Zusammenhang auftreten können. Und Mitarbeitende unterstützen als Patinnen und Paten die Neuankömmlinge: „Viele möchten die Verantwortung übernehmen. Und da werden eben auch Dinge für die Freizeit organisiert.“ Ein Aufwand, der sich lohnt. Für Ariel Mariaca, den stellvertretenden Ärztlichen Direktor in Leezen, ist Specialized! eine wichtige Säule der Personalplanung und wird dies auch in der Zukunft sein. „Wir glauben, dass die Zusammenarbeit weiter gemacht werden sollte. Wir freuen uns auf die Kollegen, die bald kommen. Alles ist bisher gut gelaufen. Und die Bevölkerung überaltert immer weiter, der Personalbedarf besteht also weiterhin.“

Specialized! auf einen Blick

  • positiv:Zeitlich verkürzte, faire und rechtssichere Fachkräfteeinwanderung durch Prozessabsprachen mit allen relevanten Akteuren
  • positiv:Vorauswahl geeigneter Bewerberinnen und Bewerber mit geprüften Deutschkenntnissen auf mindestens B2-Niveau für Ihre gesuchten Fachrichtungen
  • positiv:Für die zukünftigen Ärztinnen und Ärzte werden ein BAMF-geförderter, kostenfreier Fachsprachenkurs und ein Vorbereitungskurs auf die Kenntnisprüfung organisiert
  • positiv:Begleitung und Unterstützung während des gesamten Prozesses mit festen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern
  • positiv:Für die medizinischen Einrichtungen und die Bewerbenden fallen keine Vermittlungsgebühren an

Titelfoto: ©AdobeStock/VAKSMANV