Fachkräfteeinwanderung im Fokus

Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll für mehr Dynamik bei der Zuwanderung von Arbeitskräften sorgen. Wie die Personalgewinnung von Fachkräften aus dem Ausland gelingen kann, ist Thema des Netzwerktreffens „KAM together“ in Hamburg.


04.07.2023 - Matthias Haft -8 MinutenMitarbeiter finden

Am 11.09. widmet sich ein Netzwerkevent der Bundesagentur der Arbeit (BA) den drängenden Fragen der Qualifizierung und Fachkräfteeinwanderung. Wie können derartige Veranstaltungen Unternehmen in ihrer Personalarbeit unterstützen? Faktor A hat außerdem mit Steven Theilig gesprochen. Der Verwaltungsleiter der VAMED Rehaklinik Berching wird bei dem Event auf dem Podium zu Themen der Fachkräftezuwanderung und Qualifizierung diskutieren.

388 Ja-Stimmen waren es am Ende, mit denen der Entwurf des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung angenommen wurde. Ob das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz nun den Grundstein legt für das „modernste Einwanderungsrecht der Welt“ – wie es Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in der vorangegangenen Debatte formuliert hat – wird die Zukunft zeigen. Auf jeden Fall formuliert die Bundesregierung mit dem Gesetz den politischen Wunsch nach mehr qualifizierter Fachkräftezuwanderung.

Und die ist zweifellos notwendig, blickt man einmal auf die Zahlen, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung berechnet hat: Ohne Zuwanderung wird die Zahl der potentiellen Erwerbspersonen bis 2035 demografisch bedingt um 7 Millionen sinken. Das aktuelle Zuwanderungsniveau wird diese Verluste nicht annähernd ausgleichen können. Vanessa Ahuja, Vorständin Leistungen und Internationales bei der BA, begrüßt daher das neue Gesetz: „Die Reform geht in die richtige Richtung, Deutschland wird für ausländische Arbeitskräfte interessanter“, sagte sie anlässlich des Gesetzesbeschlusses. „Die BA berät bereits jetzt jährlich über 150.000 Zuwanderungsinteressierte und entscheidet über 340.000 Arbeitsmarktzulassungen. Unsere Aufgaben werden nun umfangreicher, dem stellen wir uns gern und bereiten uns darauf vor.“

Die Themen der Fachkräfteeinwanderung gebündelt auf einem Event

Zu den zentralen Aufgaben der BA gehört auch die Beratung von Arbeitgebern in Fragen der Fachkräftezuwanderung. Natürlich insbesondere dann, wenn ein neues Gesetz eingeführt wird. Dieses soll zwar an der einen oder anderen Stelle behördliche Verfahren vereinfachen, simpel werden die Prozesse deswegen aber noch lange nicht.

Die BA bietet Arbeitgebern deshalb eine enge Betreuung zu den Themen an, die sie als Unternehmen bewegen. Die Personalgewinnung, aber auch die Personalentwicklung, sind dabei so zentrale Themen, dass sie nun auf die große Bühne gehoben werden: So etwa am 11. September. An dem Tag richtet das Key Account Management der BA unter dem Motto „KAM together – Wir unterstützen Sie bei der Fachkräftegewinnung“ eine Netzwerkveranstaltung mit den beiden Schwerpunkten Fachkräfteeinwanderung und Chancen von Teilzeitbeschäftigung aus. In Fachvorträgen, auf dem Podium und im offenen Austausch werden die Themen diskutiert, die Arbeitgeber interessieren. Susanne Horn vom Key Account Management der BA dazu:

Porträt Susanne Horn

„Im Key Account Management wollen wir mit den von uns betreuten Unternehmen strategische Überlegungen anstellen und maßgeschneiderte Lösungen zur Unterstützung anbieten für die Personalthemen, die sie bewegen. In einem Format wie KAM together wollen wir unser Netzwerk erweitern und gerade zum Thema Fachkräfteeinwanderung allen interessierten Arbeitgebern Impulse für ihre Personalgewinnung geben.“

Fünf Fragen an Podiumsteilnehmer Steven Theilig

Die Gesundheitsbranche ist besonders stark vom Fachkräftemangel betroffen. Das weiß auch Steven Theilig. Er ist Verwaltungsleiter der VAMED Rehaklinik im bayerischen Berching. Bei KAM together wird er auf dem Podium sitzen und mit anderen Teilnehmenden zu drängenden Fragen der Fachkräftezuwanderung diskutieren.

Faktor A: Mit Blick auf Ihre Branche, aber vielleicht auch darüber hinaus – wo sehen Sie die größten Hebel, um dem Fachkräftemangel in Deutschland zu begegnen?

Steven Theilig: Wir, die VAMED Gesundheit Holding Deutschland, wirken dem Fachkräftemangel mit vier großen Instrumenten entgegen: Wir möchten erstens unsere Attraktivität als Arbeitgeber steigern und damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an uns binden. Natürlich möchten wir zweitens Auszubildende für den Pflegeberuf begeistern und unsere spezifischen Vorteile als Arbeitgeber herausstellen. Drittens versuchen wir, gering qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Basis des Qualifizierungschancengesetzes weiterzubilden. Und, last but not least, möchten wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus EU- und Drittstaaten gewinnen.

Faktor A: Was erwarten Sie vom neuen Einwanderungsgesetz?

Steven Theilig: Das neue Gesetz hat zum jetzigen Zeitpunkt eher geringe Auswirkungen auf unsere Überlegungen zur Personalgewinnung aus EU- und Drittstaaten: Denn die medizinischen Berufe sind und bleiben reglementiert, und es bedarf am Ende immer einer Anerkennung der Abschlüsse aus den Heimatländern des Bewerbers.  

Wir profitieren zwar davon, dass Bewerberinnen und Bewerber künftig Anträge auf ein Visum schon ohne einen gültigen Defizitbescheid stellen können, die Bürokratie in unserer Branche bleibt aber leider hoch. Die Anträge, die wir bis dato im Vorfeld gestellt hatten, stellen wir jetzt nach der Einreise. Der Aufwand bleibt der gleiche und damit eine große Herausforderung. Einen großen Vorteil sähen wir, wenn es zu mehr Vollanerkennungen der Berufsabschlüsse kommen sollte. 

Dass Bewerberinnen und Bewerber mit einem geringeren Sprachniveau schon nach Deutschland einreisen können sollen, betrachten wir zumindest für unsere Branche eher kritisch. Das hat vor allem den Grund, dass sich unsere Mitarbeiter in den Kliniken, die die Integration mit sehr viel Engagement begleiten, und auch die Patienten wünschen, dass wir uns alle ab Tag eins so gut unterhalten und austauschen können, dass es uns allen zugutekommt.

Faktor A: Welche Faktoren erschweren aus Ihrer Sicht bisher eine effiziente Zuwanderung von Fachkräften?

Steven Theilig: Es gibt im Behördenalltag vielfältige Hürden: Die enorme Bürokratie und das unterschiedliche Vorgehen der Bundesländer. Aber auch die fehlende oder eingeschränkte digitale Verbindung der verschiedenen, am Prozess beteiligten Stellen. Zudem sind die behördlichen Anforderungen beim Familiennachzug sehr komplex. All das führt zu hohen Belastungen der zuständigen Behörden und zu langen Bearbeitungszeiten.

Faktor A: Und an welchen Punkten können Unternehmen ansetzen? Stichwort: Willkommenskultur.

Steven Theilig: Eine Willkommenskultur in Verbindung mit der Beherrschung der Sprache ist aus unserer Sicht der Schlüssel zur Integration in den Unternehmen und in den Alltag. Das beginnt schon bei der Verlässlichkeit zu den Vorstellungsgesprächen und setzt sich während des ganzen Weges bis hin zur Ankunft in Deutschland fort. Die Willkommenskultur beruht auf Vertrauen und nicht auf Versprechungen, die nicht eingehalten werden können. Und sie drückt sich in vielen Dingen aus: Das können Kleinigkeiten sein, wie die Begleitung bei der Kontoeröffnung oder bei Behördengängen, manchmal betrifft es den Alltag, z. B. die Verlängerung des Aufenthalts oder der Fahrerlaubnis, und manchmal hängen große Themen wie der Familiennachzug daran.

Die neuen Kolleginnen kommen in ein neues Land, in eine neue Umgebung, in ein neues Arbeitsumfeld mit neuen Herausforderungen und sind zum Teil sehr verunsichert. Parallel sollte auch die bestehende Belegschaft eines Unternehmens in alle Projekte frühzeitig eingebunden werden, denn sie werden mit viel Manpower die neuen Kolleginnen im Arbeitsalltag begleiten müssen. Aus unserer Sicht sollte jedes Unternehmen darüber nachdenken, hauptverantwortliche Ansprechpartner festzulegen.

Faktor A: Welche Rolle spielen Weiterbildung und Qualifizierung bei der Personalbindung, z. B. auch bei zugewandertem Personal?

Steven Theilig: Aus unserer Sicht eine sehr große. Jeder höher qualifizierte Mitarbeiter ist ein Gewinn für die Versorgung der Patienten und für uns als Unternehmen. Die Mitarbeiter aus EU- und Drittstaaten sind unserer Erfahrung nach jedenfalls sehr gewillt, sich zu qualifizieren. Das erhöht ihre Chancen am Arbeitsmarkt, aber auch darauf, dauerhaft in Deutschland arbeiten zu können.


©AdobeStock/Monkey Business